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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Allee waren mit Gras und Blumen bestreut. Im Quartier angekommen, be¬
zeigte der König sowohl über den Empfang, als auch das Quartier selbst seine
vollkommene Zufriedenheit.

Nach Dr. OchmbS wurde im vorigen Jahrhundert die Cur in Landeck
dergestalt verrichtet, daß man anfänglich des Tages zweimal, früh und Mittag
eine Stunde in die Wanne ging, des folgenden Tages wieder zweimal eine
halbe Stunde in den Brunnen und eine Stunde in die Wanne; hernach gab
man zu, bis man zum höchsten eine Stunde im Brunnen und zwei Stunden
in der Wanne gewesen, und solches, sagt Oehms, thut mau zweimal des Tages,
so lange bis insgesammt 80, 90 bis 100 Stunden nach Beschaffenheit des
Patienten an beiden Orten vollbracht worden. Burghart gibt sogar 0 Stunden
täglich an und im Ganzen bis zu 130 Stunden, er räth sriih 8--11 im Bade,
11--12 im Bett, 12--1 zu Tisch, 2--5 im Bade, 5- l> im Bett zuzubringen
die übrige Zeit (!) zum Spazierengehen oder anderem ehrsamen Zeitvertreib zu
verwenden. Dem König däuchte es, als sollte er ius Fegefeuer geschickt werden,
so schrieb er wenigstens' später an die Kurfürstin Marie Antonie vou Sachsen
und beschränkte die Zahl seiner Badestunden nicht nur auf das Minimum von
80, sondern beschloß auch, um sein Pensum so rasch als möglich abzumachen,
täglich von Anfang an 4 Stunden zu baden, so daß er in 20 Tagen damit
fertig sei. Noch am Nachmittag des 4. ließ er den Leibchirnrg Schlauch zu
sich in sein Zimmer kommen und bestimmte, daß er bei gutem Wetter früh
4 Uhr geweckt sein wolle, damit er Vormittags noch vor dem zweiten Bade
ausreiten könne. Darauf ging er wiederholt aus seinem Zimmer und besah
sich das Bassin; dem Chirurgus erschien dies bedenklich, und er ließ dem König
seine Besorgniß merken, er werde gar nicht ins Bad gehen, weil er es sich
so oft ansehe; aber der König erwiderte, er solle sich nur nicht fürchten, da
er einmal da wäre, würde er auch haben; aber länger als 80 Stunden hielte
er es uicht aus. So begann er am 5. August in der Frühe seine Cur. Aber
als er nun vor dem Acheron stand, roch ihm das schwefelwasserstoffhaltige
Wasser zu übel; auch schien es ihm zu tief zu sein. Da sagte er zu seinem
Kammerdiener Michaelis, er solle zuerst die Probe macheu. Michaelis ent¬
kleidete sich, ging hinein und rief dein Könige zu, es sei sehr schön. Da faßte
sich der Sieger von Hohenfriedberg, Roßbach und Leuthen ein Herz und setzte
zuerst einen Fuß ius Wasser, zog ihn aber sogleich zurück und rief: "Pfui!"
was sich dann bei jedem Schritte wiederholte, bis er ganz drin war. Was
half es, er mußte den Ekel überwinden, fand sich darein und begab sich nach
der im Bassin befindlichen Bank. Allmählich wurde er im Wasser heimisch
und blieb nicht sitzen, sondern ging öfters um das Geländer im Wasser rund
herum. We"in er allem war, badete er auch ohne Badezeng. Sehr störend


Allee waren mit Gras und Blumen bestreut. Im Quartier angekommen, be¬
zeigte der König sowohl über den Empfang, als auch das Quartier selbst seine
vollkommene Zufriedenheit.

Nach Dr. OchmbS wurde im vorigen Jahrhundert die Cur in Landeck
dergestalt verrichtet, daß man anfänglich des Tages zweimal, früh und Mittag
eine Stunde in die Wanne ging, des folgenden Tages wieder zweimal eine
halbe Stunde in den Brunnen und eine Stunde in die Wanne; hernach gab
man zu, bis man zum höchsten eine Stunde im Brunnen und zwei Stunden
in der Wanne gewesen, und solches, sagt Oehms, thut mau zweimal des Tages,
so lange bis insgesammt 80, 90 bis 100 Stunden nach Beschaffenheit des
Patienten an beiden Orten vollbracht worden. Burghart gibt sogar 0 Stunden
täglich an und im Ganzen bis zu 130 Stunden, er räth sriih 8—11 im Bade,
11—12 im Bett, 12—1 zu Tisch, 2—5 im Bade, 5- l> im Bett zuzubringen
die übrige Zeit (!) zum Spazierengehen oder anderem ehrsamen Zeitvertreib zu
verwenden. Dem König däuchte es, als sollte er ius Fegefeuer geschickt werden,
so schrieb er wenigstens' später an die Kurfürstin Marie Antonie vou Sachsen
und beschränkte die Zahl seiner Badestunden nicht nur auf das Minimum von
80, sondern beschloß auch, um sein Pensum so rasch als möglich abzumachen,
täglich von Anfang an 4 Stunden zu baden, so daß er in 20 Tagen damit
fertig sei. Noch am Nachmittag des 4. ließ er den Leibchirnrg Schlauch zu
sich in sein Zimmer kommen und bestimmte, daß er bei gutem Wetter früh
4 Uhr geweckt sein wolle, damit er Vormittags noch vor dem zweiten Bade
ausreiten könne. Darauf ging er wiederholt aus seinem Zimmer und besah
sich das Bassin; dem Chirurgus erschien dies bedenklich, und er ließ dem König
seine Besorgniß merken, er werde gar nicht ins Bad gehen, weil er es sich
so oft ansehe; aber der König erwiderte, er solle sich nur nicht fürchten, da
er einmal da wäre, würde er auch haben; aber länger als 80 Stunden hielte
er es uicht aus. So begann er am 5. August in der Frühe seine Cur. Aber
als er nun vor dem Acheron stand, roch ihm das schwefelwasserstoffhaltige
Wasser zu übel; auch schien es ihm zu tief zu sein. Da sagte er zu seinem
Kammerdiener Michaelis, er solle zuerst die Probe macheu. Michaelis ent¬
kleidete sich, ging hinein und rief dein Könige zu, es sei sehr schön. Da faßte
sich der Sieger von Hohenfriedberg, Roßbach und Leuthen ein Herz und setzte
zuerst einen Fuß ius Wasser, zog ihn aber sogleich zurück und rief: „Pfui!"
was sich dann bei jedem Schritte wiederholte, bis er ganz drin war. Was
half es, er mußte den Ekel überwinden, fand sich darein und begab sich nach
der im Bassin befindlichen Bank. Allmählich wurde er im Wasser heimisch
und blieb nicht sitzen, sondern ging öfters um das Geländer im Wasser rund
herum. We»in er allem war, badete er auch ohne Badezeng. Sehr störend


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[0450] Allee waren mit Gras und Blumen bestreut. Im Quartier angekommen, be¬ zeigte der König sowohl über den Empfang, als auch das Quartier selbst seine vollkommene Zufriedenheit. Nach Dr. OchmbS wurde im vorigen Jahrhundert die Cur in Landeck dergestalt verrichtet, daß man anfänglich des Tages zweimal, früh und Mittag eine Stunde in die Wanne ging, des folgenden Tages wieder zweimal eine halbe Stunde in den Brunnen und eine Stunde in die Wanne; hernach gab man zu, bis man zum höchsten eine Stunde im Brunnen und zwei Stunden in der Wanne gewesen, und solches, sagt Oehms, thut mau zweimal des Tages, so lange bis insgesammt 80, 90 bis 100 Stunden nach Beschaffenheit des Patienten an beiden Orten vollbracht worden. Burghart gibt sogar 0 Stunden täglich an und im Ganzen bis zu 130 Stunden, er räth sriih 8—11 im Bade, 11—12 im Bett, 12—1 zu Tisch, 2—5 im Bade, 5- l> im Bett zuzubringen die übrige Zeit (!) zum Spazierengehen oder anderem ehrsamen Zeitvertreib zu verwenden. Dem König däuchte es, als sollte er ius Fegefeuer geschickt werden, so schrieb er wenigstens' später an die Kurfürstin Marie Antonie vou Sachsen und beschränkte die Zahl seiner Badestunden nicht nur auf das Minimum von 80, sondern beschloß auch, um sein Pensum so rasch als möglich abzumachen, täglich von Anfang an 4 Stunden zu baden, so daß er in 20 Tagen damit fertig sei. Noch am Nachmittag des 4. ließ er den Leibchirnrg Schlauch zu sich in sein Zimmer kommen und bestimmte, daß er bei gutem Wetter früh 4 Uhr geweckt sein wolle, damit er Vormittags noch vor dem zweiten Bade ausreiten könne. Darauf ging er wiederholt aus seinem Zimmer und besah sich das Bassin; dem Chirurgus erschien dies bedenklich, und er ließ dem König seine Besorgniß merken, er werde gar nicht ins Bad gehen, weil er es sich so oft ansehe; aber der König erwiderte, er solle sich nur nicht fürchten, da er einmal da wäre, würde er auch haben; aber länger als 80 Stunden hielte er es uicht aus. So begann er am 5. August in der Frühe seine Cur. Aber als er nun vor dem Acheron stand, roch ihm das schwefelwasserstoffhaltige Wasser zu übel; auch schien es ihm zu tief zu sein. Da sagte er zu seinem Kammerdiener Michaelis, er solle zuerst die Probe macheu. Michaelis ent¬ kleidete sich, ging hinein und rief dein Könige zu, es sei sehr schön. Da faßte sich der Sieger von Hohenfriedberg, Roßbach und Leuthen ein Herz und setzte zuerst einen Fuß ius Wasser, zog ihn aber sogleich zurück und rief: „Pfui!" was sich dann bei jedem Schritte wiederholte, bis er ganz drin war. Was half es, er mußte den Ekel überwinden, fand sich darein und begab sich nach der im Bassin befindlichen Bank. Allmählich wurde er im Wasser heimisch und blieb nicht sitzen, sondern ging öfters um das Geländer im Wasser rund herum. We»in er allem war, badete er auch ohne Badezeng. Sehr störend

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/450>, abgerufen am 28.07.2024.