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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Augsburg besetzt hatten, hatte die gesummte Bürgerschaft -- Protestanten sowohl
wie Katholiken -- wie schon erwähnt wurde, dem König Gustav Adolf den
Treueid leisten müssen. Dasselbe Verlangen war auch an die katholische Geist¬
lichkeit gestellt worden. Die Benediktiner von dem Kloster Se. Ulrich hatten
sich auch im ersten Schrecken dazu verstanden, alle andern jedoch weigerten sich;
schwedischerseits verhielt man sich trotz mancher scharfen Worte 13 Monate
lang nachsichtig. Endlich aber kam es zum Bruch. Am 17. Mai richtete
der Commandant Benedikt Oxenstjerna an den Klerus eine kategorische Auf¬
forderung binnen kurz gestellter Frist der Krone Schweden den Eid zu leisten,
oder im Weigerungsfalle sofort die Stadt zu verlassen. Und da die Geistlichkeit
bis zum letzten Mann mit anerkennenswerther Festigkeit diese Zumuthung
zurückwies, so trat die zweite Alternative ein. Nur die Benediktiner von
Se. Ulrich, die den Eid schon geleistet hatten, durften bleiben. Am 19. Mai
früh um 8 Uhr verließen die 4 Conventualen vom si. Krenz ihr Kloster und zogen
noch an demselben Tage mit ihren übrigen Schicksalsgenossen vom Klerus aus
der Stadt. Es waren im ganzen 162 geistliche Personen, sie zerstreuten sich
nach verschiedenen Richtungen, unser ?. Anastasius kam auf ein paar Jahre
als Pfarrer nach Weilheim. Das Kloster zum si. Kreuz wurde nach dem
Abzüge seiner Insassen mehrere Stunden lang von den Soldaten und allerlei
hinzugelaufenem Gesinde! geplündert und dann von dem Magistrat übernommen.

Damit hört unser Tagebuch auf.*)

Der Verfasser war, wie sich aus den mitgetheilten Auszügen wohl schon
zur Genüge erkennen läßt, ein wackerer, rechtschaffener Mann, aber freilich
von einem sehr beschränkten Horizonte. Ab und zu bringt er wohl auch kurze
Notizen über Ereignisse, die ihm ferner lagen, so meldet er z. B. am 30. April
den Tod Tilly's, am 27. Mai die Einnahme Prags dnrch Wallenstein, am
11. Oktober die Ankunft einer tartarischen Gesandtschaft auf ihrer Reise zu
Gustav Adolf, ferner gegen Ende December des letzteren, sowie Pappenheim's
Fall in der Schlacht von Lützen, am 1. Februar 1633 berichtet er, es seien
Abgesandte der Bauern aus Oberösterreich in der'Stadt, die, wie es heiße, mit
dem Commandanten Benedikt Oxenstjerna in Unterhandlungen stünden "Mesa,!
pAosw,! uMg. sxüus bsllo, xaoöin äsxosoiirins oirmss!" u. s. w., u. s. W.
Allein alle diese Dinge kümmern ihn offenbar nur wenig. Sein Interesse
konzentrirt sich hauptsächlich auf das, was ihn selbst, sein Kloster und überhaupt
die Augsburger Geistlichkeit mehr unmittelbar angeht. Sein Tagebuch besteht



') Am 10. Mai 163S, 6 Wochen nach dem Abzüge der Schweden fangen zwar mit
einer Beschreibung der freudigen Rückkehr der Mönche neue Einträge an, und darauf folgen
weiter die Kapitelbeschlttsse bis zum Jahre 1678, doch befindet sich darin nichts, was für
unsern gegenwärtigen Zweck von Bedeutung wäre.

Augsburg besetzt hatten, hatte die gesummte Bürgerschaft — Protestanten sowohl
wie Katholiken — wie schon erwähnt wurde, dem König Gustav Adolf den
Treueid leisten müssen. Dasselbe Verlangen war auch an die katholische Geist¬
lichkeit gestellt worden. Die Benediktiner von dem Kloster Se. Ulrich hatten
sich auch im ersten Schrecken dazu verstanden, alle andern jedoch weigerten sich;
schwedischerseits verhielt man sich trotz mancher scharfen Worte 13 Monate
lang nachsichtig. Endlich aber kam es zum Bruch. Am 17. Mai richtete
der Commandant Benedikt Oxenstjerna an den Klerus eine kategorische Auf¬
forderung binnen kurz gestellter Frist der Krone Schweden den Eid zu leisten,
oder im Weigerungsfalle sofort die Stadt zu verlassen. Und da die Geistlichkeit
bis zum letzten Mann mit anerkennenswerther Festigkeit diese Zumuthung
zurückwies, so trat die zweite Alternative ein. Nur die Benediktiner von
Se. Ulrich, die den Eid schon geleistet hatten, durften bleiben. Am 19. Mai
früh um 8 Uhr verließen die 4 Conventualen vom si. Krenz ihr Kloster und zogen
noch an demselben Tage mit ihren übrigen Schicksalsgenossen vom Klerus aus
der Stadt. Es waren im ganzen 162 geistliche Personen, sie zerstreuten sich
nach verschiedenen Richtungen, unser ?. Anastasius kam auf ein paar Jahre
als Pfarrer nach Weilheim. Das Kloster zum si. Kreuz wurde nach dem
Abzüge seiner Insassen mehrere Stunden lang von den Soldaten und allerlei
hinzugelaufenem Gesinde! geplündert und dann von dem Magistrat übernommen.

Damit hört unser Tagebuch auf.*)

Der Verfasser war, wie sich aus den mitgetheilten Auszügen wohl schon
zur Genüge erkennen läßt, ein wackerer, rechtschaffener Mann, aber freilich
von einem sehr beschränkten Horizonte. Ab und zu bringt er wohl auch kurze
Notizen über Ereignisse, die ihm ferner lagen, so meldet er z. B. am 30. April
den Tod Tilly's, am 27. Mai die Einnahme Prags dnrch Wallenstein, am
11. Oktober die Ankunft einer tartarischen Gesandtschaft auf ihrer Reise zu
Gustav Adolf, ferner gegen Ende December des letzteren, sowie Pappenheim's
Fall in der Schlacht von Lützen, am 1. Februar 1633 berichtet er, es seien
Abgesandte der Bauern aus Oberösterreich in der'Stadt, die, wie es heiße, mit
dem Commandanten Benedikt Oxenstjerna in Unterhandlungen stünden „Mesa,!
pAosw,! uMg. sxüus bsllo, xaoöin äsxosoiirins oirmss!" u. s. w., u. s. W.
Allein alle diese Dinge kümmern ihn offenbar nur wenig. Sein Interesse
konzentrirt sich hauptsächlich auf das, was ihn selbst, sein Kloster und überhaupt
die Augsburger Geistlichkeit mehr unmittelbar angeht. Sein Tagebuch besteht



') Am 10. Mai 163S, 6 Wochen nach dem Abzüge der Schweden fangen zwar mit
einer Beschreibung der freudigen Rückkehr der Mönche neue Einträge an, und darauf folgen
weiter die Kapitelbeschlttsse bis zum Jahre 1678, doch befindet sich darin nichts, was für
unsern gegenwärtigen Zweck von Bedeutung wäre.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/426>, abgerufen am 29.12.2024.