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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Musterung vorbei war, d. h. er steckte den Sold der fehlenden Mannschaften
in seinen Sack und sorgte nur dafür, daß bei der Musterung durch Einschub
so und so vieler Strohmänner, oder wie man sie damals nannte, Paßifalanten
(Passevolanten), die richtige Zahl vorhanden war. Es war dies übrigens ein
sehr gewöhnlicher Kunstgriff, gegen den die Stadt, die ja auch dadurch betrogen
wurde, öfters anzukämpfen versuchte. Den Offizieren konnte man freilich nicht
beikommen, wohl aber denjenigen, welche sich als Passevolanten benutzen ließen.
Man setzte sie, wenn die Sache überhaupt ans Licht kam, zur Strafe auf
einen hölzernen Esel, den man sür derartige Zwecke auf dem Fischmarkte neben
dein Soldatengalgen aufgestellt hatte; und dort mußten sie eine gewisse Zeit
lang zum Gaudium der Zuschauer, in voller Rüstung sitzend, ausharren. So
mußten im Anfang des Jahres 1635 z. B. einmal 10 solcher Uebelthäter, dar¬
unter ein Weibsbild, der Reihe nach das hölzerne Thier besteigen.

Am 31. Januar zog das Liebenstein'sche Regiment ab, und der Pater
Anastasius notirte am 8. Februar mit begreiflicher Entrüstung, daß der Herr
Oberst "ein herrliches Positiv mit schwarzem Holz eingefaßt, mit 3 Registern",
welches er von ihnen entliehen ohne ihr Wissen und gegen ihren Willen mit
sich genommen habe; es ist kein Wunder, fügt er bei, er ist ein Soldat; "die
Soldaten machen's nit änderst, wer stärker ist, der nimbt dem andern das
seinig; und besonders den Mönchen."

Durch den Abzug des Liebenstein'schen Regiments wurde jedoch die Ein¬
quartierungslast für unser Kloster nicht leichter.

Am 1. Februar kamen schon wieder neue Gäste. "Die Jesuiten erhielten
für ihr Kolleg, obwohl es erst ein paar Wochen vorher gänzlich ausgeplündert
worden, 150 Mann, ebenso viel das Kloster Se. Ulrich; uns wurden 100 ein¬
gelegt; Se. Stephan bekam 150, Se. Georg 50 und noch dazu die 5 Reiter,
die sie schon vorher hatten u. s. w."

Wir brechen hier ab mit unsern Auszügen, es geht noch mehrere Monate
immer in derselben Tonart weiter, nur wird das Betragen der Soldaten mehr
und mehr das ausschließliche Thema des Jcunmerns, während die Klagen über
die Thaten der protestantischen Bürger und der protestantischen Stadtregierung
allmählig fast ganz verschwinden. "Es heißt nur immer: Dapfer Geld her!
Die Mönch brauchen kein Geld", schreibt einmal der Pater Anastasius in ge¬
rechtem Zorn. Die am 1. Februar einquartierten Truppen benahmen sich noch
anmaßender und unbändiger als die früheren; die Geschenke flössen eben immer
spärlicher. Dann wieder neue Einquartierung, neue Erpressungen; fast kein
Tag verging ohne neue Widerwärtigkeiten und Drangsale.

Wir besitzen noch eine Reihe von Briefen, die der Verfasser unseres Tage¬
buches und der Pater Prokurator David Dürheimer gerade während dieser


Musterung vorbei war, d. h. er steckte den Sold der fehlenden Mannschaften
in seinen Sack und sorgte nur dafür, daß bei der Musterung durch Einschub
so und so vieler Strohmänner, oder wie man sie damals nannte, Paßifalanten
(Passevolanten), die richtige Zahl vorhanden war. Es war dies übrigens ein
sehr gewöhnlicher Kunstgriff, gegen den die Stadt, die ja auch dadurch betrogen
wurde, öfters anzukämpfen versuchte. Den Offizieren konnte man freilich nicht
beikommen, wohl aber denjenigen, welche sich als Passevolanten benutzen ließen.
Man setzte sie, wenn die Sache überhaupt ans Licht kam, zur Strafe auf
einen hölzernen Esel, den man sür derartige Zwecke auf dem Fischmarkte neben
dein Soldatengalgen aufgestellt hatte; und dort mußten sie eine gewisse Zeit
lang zum Gaudium der Zuschauer, in voller Rüstung sitzend, ausharren. So
mußten im Anfang des Jahres 1635 z. B. einmal 10 solcher Uebelthäter, dar¬
unter ein Weibsbild, der Reihe nach das hölzerne Thier besteigen.

Am 31. Januar zog das Liebenstein'sche Regiment ab, und der Pater
Anastasius notirte am 8. Februar mit begreiflicher Entrüstung, daß der Herr
Oberst „ein herrliches Positiv mit schwarzem Holz eingefaßt, mit 3 Registern",
welches er von ihnen entliehen ohne ihr Wissen und gegen ihren Willen mit
sich genommen habe; es ist kein Wunder, fügt er bei, er ist ein Soldat; „die
Soldaten machen's nit änderst, wer stärker ist, der nimbt dem andern das
seinig; und besonders den Mönchen."

Durch den Abzug des Liebenstein'schen Regiments wurde jedoch die Ein¬
quartierungslast für unser Kloster nicht leichter.

Am 1. Februar kamen schon wieder neue Gäste. „Die Jesuiten erhielten
für ihr Kolleg, obwohl es erst ein paar Wochen vorher gänzlich ausgeplündert
worden, 150 Mann, ebenso viel das Kloster Se. Ulrich; uns wurden 100 ein¬
gelegt; Se. Stephan bekam 150, Se. Georg 50 und noch dazu die 5 Reiter,
die sie schon vorher hatten u. s. w."

Wir brechen hier ab mit unsern Auszügen, es geht noch mehrere Monate
immer in derselben Tonart weiter, nur wird das Betragen der Soldaten mehr
und mehr das ausschließliche Thema des Jcunmerns, während die Klagen über
die Thaten der protestantischen Bürger und der protestantischen Stadtregierung
allmählig fast ganz verschwinden. „Es heißt nur immer: Dapfer Geld her!
Die Mönch brauchen kein Geld", schreibt einmal der Pater Anastasius in ge¬
rechtem Zorn. Die am 1. Februar einquartierten Truppen benahmen sich noch
anmaßender und unbändiger als die früheren; die Geschenke flössen eben immer
spärlicher. Dann wieder neue Einquartierung, neue Erpressungen; fast kein
Tag verging ohne neue Widerwärtigkeiten und Drangsale.

Wir besitzen noch eine Reihe von Briefen, die der Verfasser unseres Tage¬
buches und der Pater Prokurator David Dürheimer gerade während dieser


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[0424] Musterung vorbei war, d. h. er steckte den Sold der fehlenden Mannschaften in seinen Sack und sorgte nur dafür, daß bei der Musterung durch Einschub so und so vieler Strohmänner, oder wie man sie damals nannte, Paßifalanten (Passevolanten), die richtige Zahl vorhanden war. Es war dies übrigens ein sehr gewöhnlicher Kunstgriff, gegen den die Stadt, die ja auch dadurch betrogen wurde, öfters anzukämpfen versuchte. Den Offizieren konnte man freilich nicht beikommen, wohl aber denjenigen, welche sich als Passevolanten benutzen ließen. Man setzte sie, wenn die Sache überhaupt ans Licht kam, zur Strafe auf einen hölzernen Esel, den man sür derartige Zwecke auf dem Fischmarkte neben dein Soldatengalgen aufgestellt hatte; und dort mußten sie eine gewisse Zeit lang zum Gaudium der Zuschauer, in voller Rüstung sitzend, ausharren. So mußten im Anfang des Jahres 1635 z. B. einmal 10 solcher Uebelthäter, dar¬ unter ein Weibsbild, der Reihe nach das hölzerne Thier besteigen. Am 31. Januar zog das Liebenstein'sche Regiment ab, und der Pater Anastasius notirte am 8. Februar mit begreiflicher Entrüstung, daß der Herr Oberst „ein herrliches Positiv mit schwarzem Holz eingefaßt, mit 3 Registern", welches er von ihnen entliehen ohne ihr Wissen und gegen ihren Willen mit sich genommen habe; es ist kein Wunder, fügt er bei, er ist ein Soldat; „die Soldaten machen's nit änderst, wer stärker ist, der nimbt dem andern das seinig; und besonders den Mönchen." Durch den Abzug des Liebenstein'schen Regiments wurde jedoch die Ein¬ quartierungslast für unser Kloster nicht leichter. Am 1. Februar kamen schon wieder neue Gäste. „Die Jesuiten erhielten für ihr Kolleg, obwohl es erst ein paar Wochen vorher gänzlich ausgeplündert worden, 150 Mann, ebenso viel das Kloster Se. Ulrich; uns wurden 100 ein¬ gelegt; Se. Stephan bekam 150, Se. Georg 50 und noch dazu die 5 Reiter, die sie schon vorher hatten u. s. w." Wir brechen hier ab mit unsern Auszügen, es geht noch mehrere Monate immer in derselben Tonart weiter, nur wird das Betragen der Soldaten mehr und mehr das ausschließliche Thema des Jcunmerns, während die Klagen über die Thaten der protestantischen Bürger und der protestantischen Stadtregierung allmählig fast ganz verschwinden. „Es heißt nur immer: Dapfer Geld her! Die Mönch brauchen kein Geld", schreibt einmal der Pater Anastasius in ge¬ rechtem Zorn. Die am 1. Februar einquartierten Truppen benahmen sich noch anmaßender und unbändiger als die früheren; die Geschenke flössen eben immer spärlicher. Dann wieder neue Einquartierung, neue Erpressungen; fast kein Tag verging ohne neue Widerwärtigkeiten und Drangsale. Wir besitzen noch eine Reihe von Briefen, die der Verfasser unseres Tage¬ buches und der Pater Prokurator David Dürheimer gerade während dieser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/424>, abgerufen am 01.09.2024.