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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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"Am 6. Januar", heißt es in unserm Tagebuche, "wurde der Dompropst,
Herr Christophorus von Aw, ein vortrefflicher Mann, der in diesen schweren
Zeiten im Interesse der Augsburger katholischen Kirche keine Gefahr gescheut
hat, zu einem Gastmahle bei den Herren Obersten der schwedischen Armee ein¬
geladen und ihm dabei bedeutet, er müsse entweder sofort die schuldige Kon¬
tribution bezahlen oder sein Haus und alles, was er habe, werde den Soldaten
zur Beute gegeben. Und als er die Erlegung der Summe für eine Unmög¬
lichkeit erklärte, wurden ihm alsbald unter Anführung des Herrn Sekretärs
des Obersten von Liebenstein 24 Musketiere ins Haus geschickt. Unter anderen
rief auch ein gewisser Oberst, dessen Namen ich aus Schonung verschweige
(offenbar ist der Oberst v. Liebenstein gemeint, der, so lange noch Geschenke
zu fischen waren, sich als Freund und Beschützer der Geistlichkeit und besonders
des Klosters zum heil. Kreuz gerirt hatte) aus dem Fenster den unten stehen¬
den Musketieren folgende Worte zu: "ein Schelm, der heut Bier sausst, wier
haben einen guten Pfaffen bey uns, heut wird nur Wein gesoffen!" und dabei
klopfte er dem Herrn Dompropst, dem obersten Vorgesetzten der Augsburger
Kathedralkirche, leichtfertig und spöttisch mit der Hand auf die Achsel. Dem
Herrn Dompropst wurde auch von dem Herrn Ochsenstiern gesagt: "Wenn Ihr
kein Geld für das Militärservis und die Kriegskontribution habt, so holt doch
Euer Silber und Euere sonstigen Schätze, die Ihr habt wegschleppen lassen,
wieder zurück und verkauft's." -- Den Vätern der Gesellschaft Jesu wurde am
17. Januar erklärt, sie müßten auf der Stelle 500 Thlr. zahlen, oder es würde
ihnen ein ganzes Regiment in das Kollegium gelegt. 50 Soldaten wurden
ihnen auch alsbald zugeschickt. 3 Kühe, die ihnen noch übrig geblieben, wollten
sie bei uns verbergen, was wir jedoch nicht gestatteten, um nicht uns und sie
selbst in noch größere Gefahr zu bringen. -- An demselben Tage wurden
auch noch in dem Prediger-Se. Stephans- und Se. Ulrichskloster gewaltthätige
Erpressungen vorgenommen." 13. Januar. Das Jesuitenkollegium wird jetzt
schon seit einigen Tagen auf Befehl des Kommandanten und unter dem Beifall
der akatholischen Bürgerschaft ausgeraubt und geplündert, weil es den guten
Vätern unmöglich war ihre Kontribution und die Servisgelder zu bezahlen.
Das Werthvolle wird ihnen weggeschleppt; und alles andere auseinander ge¬
rissen, zerbrochen, zerstreut und ruinirt. Die katholische Bürgerschaft und --
oh Wunder! sogar einige Akatholische schicken ihnen aus Mitleid Bier, Brod
Fleisch und was sonst zur Leibesnahrung und Nothdurft gehört. Auch wir
tragen unser Schärflein bei."

15. Januar. "Ein paar Tage später wurde eine Musterung des Augsburger
Militärs abgehalten, und weil der Herr Oberst von Liebenstein sein Regiment
nicht complet hatte, so endlich er von uns fast alle unsere Diener, bis die


„Am 6. Januar", heißt es in unserm Tagebuche, „wurde der Dompropst,
Herr Christophorus von Aw, ein vortrefflicher Mann, der in diesen schweren
Zeiten im Interesse der Augsburger katholischen Kirche keine Gefahr gescheut
hat, zu einem Gastmahle bei den Herren Obersten der schwedischen Armee ein¬
geladen und ihm dabei bedeutet, er müsse entweder sofort die schuldige Kon¬
tribution bezahlen oder sein Haus und alles, was er habe, werde den Soldaten
zur Beute gegeben. Und als er die Erlegung der Summe für eine Unmög¬
lichkeit erklärte, wurden ihm alsbald unter Anführung des Herrn Sekretärs
des Obersten von Liebenstein 24 Musketiere ins Haus geschickt. Unter anderen
rief auch ein gewisser Oberst, dessen Namen ich aus Schonung verschweige
(offenbar ist der Oberst v. Liebenstein gemeint, der, so lange noch Geschenke
zu fischen waren, sich als Freund und Beschützer der Geistlichkeit und besonders
des Klosters zum heil. Kreuz gerirt hatte) aus dem Fenster den unten stehen¬
den Musketieren folgende Worte zu: „ein Schelm, der heut Bier sausst, wier
haben einen guten Pfaffen bey uns, heut wird nur Wein gesoffen!" und dabei
klopfte er dem Herrn Dompropst, dem obersten Vorgesetzten der Augsburger
Kathedralkirche, leichtfertig und spöttisch mit der Hand auf die Achsel. Dem
Herrn Dompropst wurde auch von dem Herrn Ochsenstiern gesagt: „Wenn Ihr
kein Geld für das Militärservis und die Kriegskontribution habt, so holt doch
Euer Silber und Euere sonstigen Schätze, die Ihr habt wegschleppen lassen,
wieder zurück und verkauft's." — Den Vätern der Gesellschaft Jesu wurde am
17. Januar erklärt, sie müßten auf der Stelle 500 Thlr. zahlen, oder es würde
ihnen ein ganzes Regiment in das Kollegium gelegt. 50 Soldaten wurden
ihnen auch alsbald zugeschickt. 3 Kühe, die ihnen noch übrig geblieben, wollten
sie bei uns verbergen, was wir jedoch nicht gestatteten, um nicht uns und sie
selbst in noch größere Gefahr zu bringen. — An demselben Tage wurden
auch noch in dem Prediger-Se. Stephans- und Se. Ulrichskloster gewaltthätige
Erpressungen vorgenommen." 13. Januar. Das Jesuitenkollegium wird jetzt
schon seit einigen Tagen auf Befehl des Kommandanten und unter dem Beifall
der akatholischen Bürgerschaft ausgeraubt und geplündert, weil es den guten
Vätern unmöglich war ihre Kontribution und die Servisgelder zu bezahlen.
Das Werthvolle wird ihnen weggeschleppt; und alles andere auseinander ge¬
rissen, zerbrochen, zerstreut und ruinirt. Die katholische Bürgerschaft und —
oh Wunder! sogar einige Akatholische schicken ihnen aus Mitleid Bier, Brod
Fleisch und was sonst zur Leibesnahrung und Nothdurft gehört. Auch wir
tragen unser Schärflein bei."

15. Januar. „Ein paar Tage später wurde eine Musterung des Augsburger
Militärs abgehalten, und weil der Herr Oberst von Liebenstein sein Regiment
nicht complet hatte, so endlich er von uns fast alle unsere Diener, bis die


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[0423] „Am 6. Januar", heißt es in unserm Tagebuche, „wurde der Dompropst, Herr Christophorus von Aw, ein vortrefflicher Mann, der in diesen schweren Zeiten im Interesse der Augsburger katholischen Kirche keine Gefahr gescheut hat, zu einem Gastmahle bei den Herren Obersten der schwedischen Armee ein¬ geladen und ihm dabei bedeutet, er müsse entweder sofort die schuldige Kon¬ tribution bezahlen oder sein Haus und alles, was er habe, werde den Soldaten zur Beute gegeben. Und als er die Erlegung der Summe für eine Unmög¬ lichkeit erklärte, wurden ihm alsbald unter Anführung des Herrn Sekretärs des Obersten von Liebenstein 24 Musketiere ins Haus geschickt. Unter anderen rief auch ein gewisser Oberst, dessen Namen ich aus Schonung verschweige (offenbar ist der Oberst v. Liebenstein gemeint, der, so lange noch Geschenke zu fischen waren, sich als Freund und Beschützer der Geistlichkeit und besonders des Klosters zum heil. Kreuz gerirt hatte) aus dem Fenster den unten stehen¬ den Musketieren folgende Worte zu: „ein Schelm, der heut Bier sausst, wier haben einen guten Pfaffen bey uns, heut wird nur Wein gesoffen!" und dabei klopfte er dem Herrn Dompropst, dem obersten Vorgesetzten der Augsburger Kathedralkirche, leichtfertig und spöttisch mit der Hand auf die Achsel. Dem Herrn Dompropst wurde auch von dem Herrn Ochsenstiern gesagt: „Wenn Ihr kein Geld für das Militärservis und die Kriegskontribution habt, so holt doch Euer Silber und Euere sonstigen Schätze, die Ihr habt wegschleppen lassen, wieder zurück und verkauft's." — Den Vätern der Gesellschaft Jesu wurde am 17. Januar erklärt, sie müßten auf der Stelle 500 Thlr. zahlen, oder es würde ihnen ein ganzes Regiment in das Kollegium gelegt. 50 Soldaten wurden ihnen auch alsbald zugeschickt. 3 Kühe, die ihnen noch übrig geblieben, wollten sie bei uns verbergen, was wir jedoch nicht gestatteten, um nicht uns und sie selbst in noch größere Gefahr zu bringen. — An demselben Tage wurden auch noch in dem Prediger-Se. Stephans- und Se. Ulrichskloster gewaltthätige Erpressungen vorgenommen." 13. Januar. Das Jesuitenkollegium wird jetzt schon seit einigen Tagen auf Befehl des Kommandanten und unter dem Beifall der akatholischen Bürgerschaft ausgeraubt und geplündert, weil es den guten Vätern unmöglich war ihre Kontribution und die Servisgelder zu bezahlen. Das Werthvolle wird ihnen weggeschleppt; und alles andere auseinander ge¬ rissen, zerbrochen, zerstreut und ruinirt. Die katholische Bürgerschaft und — oh Wunder! sogar einige Akatholische schicken ihnen aus Mitleid Bier, Brod Fleisch und was sonst zur Leibesnahrung und Nothdurft gehört. Auch wir tragen unser Schärflein bei." 15. Januar. „Ein paar Tage später wurde eine Musterung des Augsburger Militärs abgehalten, und weil der Herr Oberst von Liebenstein sein Regiment nicht complet hatte, so endlich er von uns fast alle unsere Diener, bis die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/423>, abgerufen am 01.09.2024.