Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.biet der Erscheinungen eine, übrigens als ihr immanent zu betrachtende, Zweck¬ Auch die Arbeit Biese's hat keinen günstigen Eindruck auf uns hervor¬ Zu einem ganz andern durchaus erfreulichen Urtheil dagegen veranlaßt Die Resultate, zu denen Spitta gekommen ist, hat er selbst in drei Sätzen biet der Erscheinungen eine, übrigens als ihr immanent zu betrachtende, Zweck¬ Auch die Arbeit Biese's hat keinen günstigen Eindruck auf uns hervor¬ Zu einem ganz andern durchaus erfreulichen Urtheil dagegen veranlaßt Die Resultate, zu denen Spitta gekommen ist, hat er selbst in drei Sätzen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0399" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140220"/> <p xml:id="ID_1165" prev="#ID_1164"> biet der Erscheinungen eine, übrigens als ihr immanent zu betrachtende, Zweck¬<lb/> mäßigkeit walten. Wir sehen davou ab, daß diese Argumentation mancher<lb/> näheren Bestimmung bedarf, um stichhaltig zu werden, aber, was sollen wir<lb/> dazu sagen, wenn wir gelegentlich in einer Anmerkung hören, daß die Be¬<lb/> hauptung, unsere Erkenntniß sei an die teleologischen Kategorien gebun¬<lb/> den, nur für den Menschen in seiner gegenwärtigen Beschaffenheit gelte,<lb/> daß sie sich aber nicht ans die ursprüngliche Anlage der Menschen beziehe, sondern<lb/> vielmehr, so wie die Anschauung von Raum und Zeit, mühsam a, posteriori<lb/> erworben und nur in Folge von Vererbung für die folgenden Generationen<lb/> ein s. priori geworden sei. Damit verliert die ganze Argumentation des Ver¬<lb/> fassers ihre Beweiskraft. Uns aber wird es gestattet sein, auf weitere wissen¬<lb/> schaftliche Auseinandersetzungen mit einem Schriftsteller zu verzichten, der mit<lb/> solcher Naivetät auf Sandgrund baut. Die Schrift ist Charles Darwin gewidmet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1166"> Auch die Arbeit Biese's hat keinen günstigen Eindruck auf uns hervor¬<lb/> gebracht. Je mehr sie fortschreitet, desto weniger befriedigt sie. Zwar ist die<lb/> Erkenntnißlehre des Aristoteles sorgsam und eingehend dargestellt, und daß in<lb/> Betreff des vos? Trot^t-co? die Auffassung des Verfassers sehr zweifelhaft er¬<lb/> scheinen muß, wird bei der Schwierigkeit des Gegenstandes gern verziehen<lb/> werden. Dagegen ist die Darstellung der Erkenntnißlehre Kant's sehr flüchtig<lb/> gearbeitet, und die mit derselben verflochtene Entwicklung der eignen abweichenden<lb/> Ansicht zeigt ein so unbestimmtes und verschwommenes Bild, schillert so sehr<lb/> bald in's Materialistische, bald in's spiritualistische, daß Referent wenigstens<lb/> über dieselbe im Unklaren geblieben ist. Sollte etwa die Abhandlung ursprüng¬<lb/> lich als Gymnasialprogramm gedient haben, das als solches nur eine bestimmte<lb/> Seitenzahl bewilligen kann, und dann ohne weitere ausgleichende und feilende<lb/> Umarbeitung die Buchform empfangen haben? Die Ungleichartigkeit der einzelnen<lb/> Theile legt diese Vermuthung nahe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1167"> Zu einem ganz andern durchaus erfreulichen Urtheil dagegen veranlaßt<lb/> uns die Lektüre der Schrift Spitta's. Sie fesselt vom Anfang bis zum<lb/> Schluß in gleichem Maße und ist eine reiche Quelle der Belehrung und<lb/> des Genusses. Der Verfasser beherrscht den schwierigen Stoff vollkommen<lb/> und bearbeitet ihn in leichter fließender Darstellung. Der Standpunkt, von<lb/> dem aus er die einschlagenden Fragen zu beantworten sucht, ist die Psychologie<lb/> Herbart's. Klarheit, Besonnenheit, Nüchternheit sind besondre Vorzüge des<lb/> Buches, die wir um so höher schätzen müssen, als ihr Fehler bei den hier<lb/> nothwendigen Untersuchungen ebenso häufig als verhängnißvoll ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1168" next="#ID_1169"> Die Resultate, zu denen Spitta gekommen ist, hat er selbst in drei Sätzen<lb/> präzisirt, die wir, um ein Bild vom Inhalt der Schrift zu geben, mittheilen:<lb/> „Erstens: Alle Traumerscheinnngen unterliegen denselben Gesetzen, als wie die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0399]
biet der Erscheinungen eine, übrigens als ihr immanent zu betrachtende, Zweck¬
mäßigkeit walten. Wir sehen davou ab, daß diese Argumentation mancher
näheren Bestimmung bedarf, um stichhaltig zu werden, aber, was sollen wir
dazu sagen, wenn wir gelegentlich in einer Anmerkung hören, daß die Be¬
hauptung, unsere Erkenntniß sei an die teleologischen Kategorien gebun¬
den, nur für den Menschen in seiner gegenwärtigen Beschaffenheit gelte,
daß sie sich aber nicht ans die ursprüngliche Anlage der Menschen beziehe, sondern
vielmehr, so wie die Anschauung von Raum und Zeit, mühsam a, posteriori
erworben und nur in Folge von Vererbung für die folgenden Generationen
ein s. priori geworden sei. Damit verliert die ganze Argumentation des Ver¬
fassers ihre Beweiskraft. Uns aber wird es gestattet sein, auf weitere wissen¬
schaftliche Auseinandersetzungen mit einem Schriftsteller zu verzichten, der mit
solcher Naivetät auf Sandgrund baut. Die Schrift ist Charles Darwin gewidmet.
Auch die Arbeit Biese's hat keinen günstigen Eindruck auf uns hervor¬
gebracht. Je mehr sie fortschreitet, desto weniger befriedigt sie. Zwar ist die
Erkenntnißlehre des Aristoteles sorgsam und eingehend dargestellt, und daß in
Betreff des vos? Trot^t-co? die Auffassung des Verfassers sehr zweifelhaft er¬
scheinen muß, wird bei der Schwierigkeit des Gegenstandes gern verziehen
werden. Dagegen ist die Darstellung der Erkenntnißlehre Kant's sehr flüchtig
gearbeitet, und die mit derselben verflochtene Entwicklung der eignen abweichenden
Ansicht zeigt ein so unbestimmtes und verschwommenes Bild, schillert so sehr
bald in's Materialistische, bald in's spiritualistische, daß Referent wenigstens
über dieselbe im Unklaren geblieben ist. Sollte etwa die Abhandlung ursprüng¬
lich als Gymnasialprogramm gedient haben, das als solches nur eine bestimmte
Seitenzahl bewilligen kann, und dann ohne weitere ausgleichende und feilende
Umarbeitung die Buchform empfangen haben? Die Ungleichartigkeit der einzelnen
Theile legt diese Vermuthung nahe.
Zu einem ganz andern durchaus erfreulichen Urtheil dagegen veranlaßt
uns die Lektüre der Schrift Spitta's. Sie fesselt vom Anfang bis zum
Schluß in gleichem Maße und ist eine reiche Quelle der Belehrung und
des Genusses. Der Verfasser beherrscht den schwierigen Stoff vollkommen
und bearbeitet ihn in leichter fließender Darstellung. Der Standpunkt, von
dem aus er die einschlagenden Fragen zu beantworten sucht, ist die Psychologie
Herbart's. Klarheit, Besonnenheit, Nüchternheit sind besondre Vorzüge des
Buches, die wir um so höher schätzen müssen, als ihr Fehler bei den hier
nothwendigen Untersuchungen ebenso häufig als verhängnißvoll ist.
Die Resultate, zu denen Spitta gekommen ist, hat er selbst in drei Sätzen
präzisirt, die wir, um ein Bild vom Inhalt der Schrift zu geben, mittheilen:
„Erstens: Alle Traumerscheinnngen unterliegen denselben Gesetzen, als wie die
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