Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Kaspar Hanser's nebst einer dramaturgischen (!) Einleitung." Danach war
Kaspar Häuser der Sohn des Großherzogs Karl von Baden, der damals
regierende Großherzog aber durch ein Verbrechen seiner Mutter, der im Jahre
1820 verstorbenen Reichsgräfin Hochberg auf den Thron gelangt. Offenbar
im Zusammenhange mit dieser, wie wir sehen werden, von dem Verfasser ohne
jeden Grund in die Welt geschleuderten Behauptung, stand eine anonyme Zu¬
schrift an das Gericht in Ansbach, welche den Poststempel Würzburg 15.
Januar 1834 trug und dahin lautete: "Kaspar Hauser ist ein badischer Prinz;
hierüber wird der badische Minister von Hacke in Bamberg und der badische
Gesandte in Wien Tettenborn Auskunft geben." Die beiden Herren konnten
diese zuversichtlich provozirte Auskunft aber in keiner Weise geben und gaben
sie daher auch uicht. Dagegen stellte die badische Regierung dem Verleumder
Garnier mit allen damals in Deutschland landesüblichen polizeilichen Mitteln
nach. Sie ließ sich den Menschen ausliefern und machte ihm den Prozeß. Sie
erlangte von ihm das von ihm eigenhändig niedergeschriebene ausführliche
Geständniß, daß der ganze Inhalt seiner Schrift lediglich auf Grund umlaufender
Gerüchte von ihm zusammenphantasirt worden sei, um sich an der badischen
Regierung wegen vermeintlicher Zurücksetzung zu rächen.*) Dann ließ man
ihn laufen. Man konnte den Werth, d. h. die Aufrichtigkeit dieses Geständ¬
nisses anzweifeln, obwohl es nicht geschehen ist. Um so unverdächtiger
wird man das Urtheil eines gewissen F. K. Broch über Garnier halten, da
Broch 1859 in Zürich eine Schrift über Kaspar Hauser herausgab, und zu
den eifrigsten Vertretern der Zähringer Abkunft seines Helden gehört. Da
heißt es (S. 58): "Garnier befand sich in der Sache selbst ganz außer Stande,
wirkliche Aufschlüsse zu geben. Er wußte im Wesentlichen offenbar nichts,
als das vage Gerücht, das er durch Hypothesen zu unterstützen suchte, von
denen übrigens einige ganz unglaubwürdig und unhaltbar erscheinen. Die
Schrift entbehrt daher an sich aller und je der Bedeutung." Dieser gewisse
Herr F. K. Broch ist nun aber niemand anderes, als Herr G. F. Kolb in
eigener Person.

Schon Garnier hatte angedeutet, daß ein ehmallger badischer Major
Namens Hennenhofer, eine bedenkliche Persönlichkeit, die 1812, neunzehn
Jahre alt, von Mannheim nach Karlsruhe gekommen, und unter den Gro߬
herzogen Karl und Ludwig vom Handlungslehrling bis zum Günstling der
Herrscher und bis zum Major durch manche verfängliche Dienste emporge-



') Mittelstadt, Kaspar Hauser und sein badisches Prinzenthum. Heidelberg,
Wassermann. S. 9. Note. Mittelstadt hat die Karlsruher Akten selbst eingesehen. Er ist
Staatsanwalt in Hamburg und daher -- was nur gegen die Herren Kolb und Genossen be¬
merkt sein mag -- in der Sache völlig unparteiisch von der badischen Regierung unabhängig.

Kaspar Hanser's nebst einer dramaturgischen (!) Einleitung." Danach war
Kaspar Häuser der Sohn des Großherzogs Karl von Baden, der damals
regierende Großherzog aber durch ein Verbrechen seiner Mutter, der im Jahre
1820 verstorbenen Reichsgräfin Hochberg auf den Thron gelangt. Offenbar
im Zusammenhange mit dieser, wie wir sehen werden, von dem Verfasser ohne
jeden Grund in die Welt geschleuderten Behauptung, stand eine anonyme Zu¬
schrift an das Gericht in Ansbach, welche den Poststempel Würzburg 15.
Januar 1834 trug und dahin lautete: „Kaspar Hauser ist ein badischer Prinz;
hierüber wird der badische Minister von Hacke in Bamberg und der badische
Gesandte in Wien Tettenborn Auskunft geben." Die beiden Herren konnten
diese zuversichtlich provozirte Auskunft aber in keiner Weise geben und gaben
sie daher auch uicht. Dagegen stellte die badische Regierung dem Verleumder
Garnier mit allen damals in Deutschland landesüblichen polizeilichen Mitteln
nach. Sie ließ sich den Menschen ausliefern und machte ihm den Prozeß. Sie
erlangte von ihm das von ihm eigenhändig niedergeschriebene ausführliche
Geständniß, daß der ganze Inhalt seiner Schrift lediglich auf Grund umlaufender
Gerüchte von ihm zusammenphantasirt worden sei, um sich an der badischen
Regierung wegen vermeintlicher Zurücksetzung zu rächen.*) Dann ließ man
ihn laufen. Man konnte den Werth, d. h. die Aufrichtigkeit dieses Geständ¬
nisses anzweifeln, obwohl es nicht geschehen ist. Um so unverdächtiger
wird man das Urtheil eines gewissen F. K. Broch über Garnier halten, da
Broch 1859 in Zürich eine Schrift über Kaspar Hauser herausgab, und zu
den eifrigsten Vertretern der Zähringer Abkunft seines Helden gehört. Da
heißt es (S. 58): „Garnier befand sich in der Sache selbst ganz außer Stande,
wirkliche Aufschlüsse zu geben. Er wußte im Wesentlichen offenbar nichts,
als das vage Gerücht, das er durch Hypothesen zu unterstützen suchte, von
denen übrigens einige ganz unglaubwürdig und unhaltbar erscheinen. Die
Schrift entbehrt daher an sich aller und je der Bedeutung." Dieser gewisse
Herr F. K. Broch ist nun aber niemand anderes, als Herr G. F. Kolb in
eigener Person.

Schon Garnier hatte angedeutet, daß ein ehmallger badischer Major
Namens Hennenhofer, eine bedenkliche Persönlichkeit, die 1812, neunzehn
Jahre alt, von Mannheim nach Karlsruhe gekommen, und unter den Gro߬
herzogen Karl und Ludwig vom Handlungslehrling bis zum Günstling der
Herrscher und bis zum Major durch manche verfängliche Dienste emporge-



') Mittelstadt, Kaspar Hauser und sein badisches Prinzenthum. Heidelberg,
Wassermann. S. 9. Note. Mittelstadt hat die Karlsruher Akten selbst eingesehen. Er ist
Staatsanwalt in Hamburg und daher — was nur gegen die Herren Kolb und Genossen be¬
merkt sein mag — in der Sache völlig unparteiisch von der badischen Regierung unabhängig.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0388" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140209"/>
          <p xml:id="ID_1134" prev="#ID_1133"> Kaspar Hanser's nebst einer dramaturgischen (!) Einleitung." Danach war<lb/>
Kaspar Häuser der Sohn des Großherzogs Karl von Baden, der damals<lb/>
regierende Großherzog aber durch ein Verbrechen seiner Mutter, der im Jahre<lb/>
1820 verstorbenen Reichsgräfin Hochberg auf den Thron gelangt. Offenbar<lb/>
im Zusammenhange mit dieser, wie wir sehen werden, von dem Verfasser ohne<lb/>
jeden Grund in die Welt geschleuderten Behauptung, stand eine anonyme Zu¬<lb/>
schrift an das Gericht in Ansbach, welche den Poststempel Würzburg 15.<lb/>
Januar 1834 trug und dahin lautete: &#x201E;Kaspar Hauser ist ein badischer Prinz;<lb/>
hierüber wird der badische Minister von Hacke in Bamberg und der badische<lb/>
Gesandte in Wien Tettenborn Auskunft geben." Die beiden Herren konnten<lb/>
diese zuversichtlich provozirte Auskunft aber in keiner Weise geben und gaben<lb/>
sie daher auch uicht. Dagegen stellte die badische Regierung dem Verleumder<lb/>
Garnier mit allen damals in Deutschland landesüblichen polizeilichen Mitteln<lb/>
nach. Sie ließ sich den Menschen ausliefern und machte ihm den Prozeß. Sie<lb/>
erlangte von ihm das von ihm eigenhändig niedergeschriebene ausführliche<lb/>
Geständniß, daß der ganze Inhalt seiner Schrift lediglich auf Grund umlaufender<lb/>
Gerüchte von ihm zusammenphantasirt worden sei, um sich an der badischen<lb/>
Regierung wegen vermeintlicher Zurücksetzung zu rächen.*) Dann ließ man<lb/>
ihn laufen. Man konnte den Werth, d. h. die Aufrichtigkeit dieses Geständ¬<lb/>
nisses anzweifeln, obwohl es nicht geschehen ist. Um so unverdächtiger<lb/>
wird man das Urtheil eines gewissen F. K. Broch über Garnier halten, da<lb/>
Broch 1859 in Zürich eine Schrift über Kaspar Hauser herausgab, und zu<lb/>
den eifrigsten Vertretern der Zähringer Abkunft seines Helden gehört. Da<lb/>
heißt es (S. 58): &#x201E;Garnier befand sich in der Sache selbst ganz außer Stande,<lb/>
wirkliche Aufschlüsse zu geben. Er wußte im Wesentlichen offenbar nichts,<lb/>
als das vage Gerücht, das er durch Hypothesen zu unterstützen suchte, von<lb/>
denen übrigens einige ganz unglaubwürdig und unhaltbar erscheinen. Die<lb/>
Schrift entbehrt daher an sich aller und je der Bedeutung." Dieser gewisse<lb/>
Herr F. K. Broch ist nun aber niemand anderes, als Herr G. F. Kolb in<lb/>
eigener Person.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1135" next="#ID_1136"> Schon Garnier hatte angedeutet, daß ein ehmallger badischer Major<lb/>
Namens Hennenhofer, eine bedenkliche Persönlichkeit, die 1812, neunzehn<lb/>
Jahre alt, von Mannheim nach Karlsruhe gekommen, und unter den Gro߬<lb/>
herzogen Karl und Ludwig vom Handlungslehrling bis zum Günstling der<lb/>
Herrscher und bis zum Major durch manche verfängliche Dienste emporge-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_110" place="foot"> ') Mittelstadt, Kaspar Hauser und sein badisches Prinzenthum. Heidelberg,<lb/>
Wassermann. S. 9. Note. Mittelstadt hat die Karlsruher Akten selbst eingesehen. Er ist<lb/>
Staatsanwalt in Hamburg und daher &#x2014; was nur gegen die Herren Kolb und Genossen be¬<lb/>
merkt sein mag &#x2014; in der Sache völlig unparteiisch von der badischen Regierung unabhängig.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0388] Kaspar Hanser's nebst einer dramaturgischen (!) Einleitung." Danach war Kaspar Häuser der Sohn des Großherzogs Karl von Baden, der damals regierende Großherzog aber durch ein Verbrechen seiner Mutter, der im Jahre 1820 verstorbenen Reichsgräfin Hochberg auf den Thron gelangt. Offenbar im Zusammenhange mit dieser, wie wir sehen werden, von dem Verfasser ohne jeden Grund in die Welt geschleuderten Behauptung, stand eine anonyme Zu¬ schrift an das Gericht in Ansbach, welche den Poststempel Würzburg 15. Januar 1834 trug und dahin lautete: „Kaspar Hauser ist ein badischer Prinz; hierüber wird der badische Minister von Hacke in Bamberg und der badische Gesandte in Wien Tettenborn Auskunft geben." Die beiden Herren konnten diese zuversichtlich provozirte Auskunft aber in keiner Weise geben und gaben sie daher auch uicht. Dagegen stellte die badische Regierung dem Verleumder Garnier mit allen damals in Deutschland landesüblichen polizeilichen Mitteln nach. Sie ließ sich den Menschen ausliefern und machte ihm den Prozeß. Sie erlangte von ihm das von ihm eigenhändig niedergeschriebene ausführliche Geständniß, daß der ganze Inhalt seiner Schrift lediglich auf Grund umlaufender Gerüchte von ihm zusammenphantasirt worden sei, um sich an der badischen Regierung wegen vermeintlicher Zurücksetzung zu rächen.*) Dann ließ man ihn laufen. Man konnte den Werth, d. h. die Aufrichtigkeit dieses Geständ¬ nisses anzweifeln, obwohl es nicht geschehen ist. Um so unverdächtiger wird man das Urtheil eines gewissen F. K. Broch über Garnier halten, da Broch 1859 in Zürich eine Schrift über Kaspar Hauser herausgab, und zu den eifrigsten Vertretern der Zähringer Abkunft seines Helden gehört. Da heißt es (S. 58): „Garnier befand sich in der Sache selbst ganz außer Stande, wirkliche Aufschlüsse zu geben. Er wußte im Wesentlichen offenbar nichts, als das vage Gerücht, das er durch Hypothesen zu unterstützen suchte, von denen übrigens einige ganz unglaubwürdig und unhaltbar erscheinen. Die Schrift entbehrt daher an sich aller und je der Bedeutung." Dieser gewisse Herr F. K. Broch ist nun aber niemand anderes, als Herr G. F. Kolb in eigener Person. Schon Garnier hatte angedeutet, daß ein ehmallger badischer Major Namens Hennenhofer, eine bedenkliche Persönlichkeit, die 1812, neunzehn Jahre alt, von Mannheim nach Karlsruhe gekommen, und unter den Gro߬ herzogen Karl und Ludwig vom Handlungslehrling bis zum Günstling der Herrscher und bis zum Major durch manche verfängliche Dienste emporge- ') Mittelstadt, Kaspar Hauser und sein badisches Prinzenthum. Heidelberg, Wassermann. S. 9. Note. Mittelstadt hat die Karlsruher Akten selbst eingesehen. Er ist Staatsanwalt in Hamburg und daher — was nur gegen die Herren Kolb und Genossen be¬ merkt sein mag — in der Sache völlig unparteiisch von der badischen Regierung unabhängig.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/388
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/388>, abgerufen am 29.12.2024.