Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ließ zunächst das Gemach aufbrechen, stellte inner- und außerhalb des Klosters
an alle Thüren und Zugänge Wachen und begab sich dann -- es war um
Mitternacht -- mit 8 Musketieren in das Zimmer des P. Prokurator, welches
sonst die Wohnung des Herrn Prälaten ist. Nachdem dort alles durchsucht
worden, drang die Schaar in die nächste Schlafkammer, in welcher ich lag.
Ich richte mich auf, keineswegs erschrocken, und sage: "Was soll das, Herr
Hauptmann? Ich schlafe hier und es geziemt sich nicht, Schlafende zu mole-
stiren, viel weniger zu todten." "Schlafe Du," antwortete er, "das Geschäft,
welches ich vorhabe, geht Dich nichts an!" Darauf ging er hinüber in das
Oratorium, drang in die Bibliothek, das Dormitorium, den Kreuzgang und
den Speisesaal, immer hinter sich die Musketiere "mit brönnenden Lunthen".
Als sich nirgends etwas Verdächtiges fand und der Wein allmählich verdaut
war, wurde er ruhiger, schickte die Musketiere weg und begab sich zur Ruhe."

"13. September. Die 10V Musketiere, die bei uns einquartiert siud, siud
uns, wie es scheint, auf Anstiften der "katholischen Bürger, denen wir so viele
Wohlthaten erwiesen, ins Kloster geschafft worden. Aber jetzt ist die Stunde
jener da, und die Herrschaft der Finsterniß, "Gott wird sich auch seiner armen
bedrängten Katholischen einst wiederumb erbarmen!" Am 16. September ge-
riethen zwei von unseren Soldaten in Streit und forderten sich zum Duelle
heraus; ein dritter kam dazu und mischte sich in ihren Streit. Darauf ver¬
söhnten sich die beiden ersten und einer von ihnen rannte jenem dritten in
unserm Friedhofe das Schwert mitten durchs Herz , so daß derselbe auf der
Stelle zusammensank und mit den Worten: "Du hast mich schelmisch gestochen"
u. s. w. den Geist aufgab. Nach diesem Todtschlag gab es einen fürchterlichen
Tumult im Kloster, die Soldaten rannten, sich gegenseitig beschuldigend, hin
und her, ihre Weiber suchten sie zu beruhigen, geriethen aber darüber am
Ende selbst in Streit, schimpften sich, hieben mit den Fäusten auf einander,
rauften sich gegenseitig die Haare aus und schrieen nach Messern und andern
Mordwaffen. Die Soldaten, rasch versöhnt, standen dabei und sahen mit ver¬
gnügten Lachen dem Gelobe ihrer Weiber und Dirnen zu. Guter Gott! solche
Gäste müssen die Gott und seinem heiligen Dienste geweihten Orte aufnehmen.
Und wir bezahlen doch dem Herrn Ochsenstiern den Monat 80 Thaler für
Militärservis und dazu noch 200 si. Kriegskontribution "und ist danach weder
Fried noch Ruhe im Kloster!""

Am 29. September hat unser Diarist außer ein paar Seiten voll Wider¬
wärtigkeiten ausnahmsweise auch einmal etwas Gutes zu berichten. "Heute,"
sagt er, "gab ich einen schwedischen Soldaten Namens Konrad Friedrich und
die Anna Maria Weingartnerin zur Ehe zusammen. Die Fran war Wittwe
und Ketzerin und ist von mir zum katholischen Glauben bekehrt worden. Bei


ließ zunächst das Gemach aufbrechen, stellte inner- und außerhalb des Klosters
an alle Thüren und Zugänge Wachen und begab sich dann — es war um
Mitternacht — mit 8 Musketieren in das Zimmer des P. Prokurator, welches
sonst die Wohnung des Herrn Prälaten ist. Nachdem dort alles durchsucht
worden, drang die Schaar in die nächste Schlafkammer, in welcher ich lag.
Ich richte mich auf, keineswegs erschrocken, und sage: „Was soll das, Herr
Hauptmann? Ich schlafe hier und es geziemt sich nicht, Schlafende zu mole-
stiren, viel weniger zu todten." „Schlafe Du," antwortete er, „das Geschäft,
welches ich vorhabe, geht Dich nichts an!" Darauf ging er hinüber in das
Oratorium, drang in die Bibliothek, das Dormitorium, den Kreuzgang und
den Speisesaal, immer hinter sich die Musketiere „mit brönnenden Lunthen".
Als sich nirgends etwas Verdächtiges fand und der Wein allmählich verdaut
war, wurde er ruhiger, schickte die Musketiere weg und begab sich zur Ruhe."

„13. September. Die 10V Musketiere, die bei uns einquartiert siud, siud
uns, wie es scheint, auf Anstiften der »katholischen Bürger, denen wir so viele
Wohlthaten erwiesen, ins Kloster geschafft worden. Aber jetzt ist die Stunde
jener da, und die Herrschaft der Finsterniß, „Gott wird sich auch seiner armen
bedrängten Katholischen einst wiederumb erbarmen!" Am 16. September ge-
riethen zwei von unseren Soldaten in Streit und forderten sich zum Duelle
heraus; ein dritter kam dazu und mischte sich in ihren Streit. Darauf ver¬
söhnten sich die beiden ersten und einer von ihnen rannte jenem dritten in
unserm Friedhofe das Schwert mitten durchs Herz , so daß derselbe auf der
Stelle zusammensank und mit den Worten: „Du hast mich schelmisch gestochen"
u. s. w. den Geist aufgab. Nach diesem Todtschlag gab es einen fürchterlichen
Tumult im Kloster, die Soldaten rannten, sich gegenseitig beschuldigend, hin
und her, ihre Weiber suchten sie zu beruhigen, geriethen aber darüber am
Ende selbst in Streit, schimpften sich, hieben mit den Fäusten auf einander,
rauften sich gegenseitig die Haare aus und schrieen nach Messern und andern
Mordwaffen. Die Soldaten, rasch versöhnt, standen dabei und sahen mit ver¬
gnügten Lachen dem Gelobe ihrer Weiber und Dirnen zu. Guter Gott! solche
Gäste müssen die Gott und seinem heiligen Dienste geweihten Orte aufnehmen.
Und wir bezahlen doch dem Herrn Ochsenstiern den Monat 80 Thaler für
Militärservis und dazu noch 200 si. Kriegskontribution „und ist danach weder
Fried noch Ruhe im Kloster!""

Am 29. September hat unser Diarist außer ein paar Seiten voll Wider¬
wärtigkeiten ausnahmsweise auch einmal etwas Gutes zu berichten. „Heute,"
sagt er, „gab ich einen schwedischen Soldaten Namens Konrad Friedrich und
die Anna Maria Weingartnerin zur Ehe zusammen. Die Fran war Wittwe
und Ketzerin und ist von mir zum katholischen Glauben bekehrt worden. Bei


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140197"/>
          <p xml:id="ID_1099" prev="#ID_1098"> ließ zunächst das Gemach aufbrechen, stellte inner- und außerhalb des Klosters<lb/>
an alle Thüren und Zugänge Wachen und begab sich dann &#x2014; es war um<lb/>
Mitternacht &#x2014; mit 8 Musketieren in das Zimmer des P. Prokurator, welches<lb/>
sonst die Wohnung des Herrn Prälaten ist. Nachdem dort alles durchsucht<lb/>
worden, drang die Schaar in die nächste Schlafkammer, in welcher ich lag.<lb/>
Ich richte mich auf, keineswegs erschrocken, und sage: &#x201E;Was soll das, Herr<lb/>
Hauptmann? Ich schlafe hier und es geziemt sich nicht, Schlafende zu mole-<lb/>
stiren, viel weniger zu todten." &#x201E;Schlafe Du," antwortete er, &#x201E;das Geschäft,<lb/>
welches ich vorhabe, geht Dich nichts an!" Darauf ging er hinüber in das<lb/>
Oratorium, drang in die Bibliothek, das Dormitorium, den Kreuzgang und<lb/>
den Speisesaal, immer hinter sich die Musketiere &#x201E;mit brönnenden Lunthen".<lb/>
Als sich nirgends etwas Verdächtiges fand und der Wein allmählich verdaut<lb/>
war, wurde er ruhiger, schickte die Musketiere weg und begab sich zur Ruhe."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1100"> &#x201E;13. September. Die 10V Musketiere, die bei uns einquartiert siud, siud<lb/>
uns, wie es scheint, auf Anstiften der »katholischen Bürger, denen wir so viele<lb/>
Wohlthaten erwiesen, ins Kloster geschafft worden. Aber jetzt ist die Stunde<lb/>
jener da, und die Herrschaft der Finsterniß, &#x201E;Gott wird sich auch seiner armen<lb/>
bedrängten Katholischen einst wiederumb erbarmen!" Am 16. September ge-<lb/>
riethen zwei von unseren Soldaten in Streit und forderten sich zum Duelle<lb/>
heraus; ein dritter kam dazu und mischte sich in ihren Streit. Darauf ver¬<lb/>
söhnten sich die beiden ersten und einer von ihnen rannte jenem dritten in<lb/>
unserm Friedhofe das Schwert mitten durchs Herz , so daß derselbe auf der<lb/>
Stelle zusammensank und mit den Worten: &#x201E;Du hast mich schelmisch gestochen"<lb/>
u. s. w. den Geist aufgab. Nach diesem Todtschlag gab es einen fürchterlichen<lb/>
Tumult im Kloster, die Soldaten rannten, sich gegenseitig beschuldigend, hin<lb/>
und her, ihre Weiber suchten sie zu beruhigen, geriethen aber darüber am<lb/>
Ende selbst in Streit, schimpften sich, hieben mit den Fäusten auf einander,<lb/>
rauften sich gegenseitig die Haare aus und schrieen nach Messern und andern<lb/>
Mordwaffen. Die Soldaten, rasch versöhnt, standen dabei und sahen mit ver¬<lb/>
gnügten Lachen dem Gelobe ihrer Weiber und Dirnen zu. Guter Gott! solche<lb/>
Gäste müssen die Gott und seinem heiligen Dienste geweihten Orte aufnehmen.<lb/>
Und wir bezahlen doch dem Herrn Ochsenstiern den Monat 80 Thaler für<lb/>
Militärservis und dazu noch 200 si. Kriegskontribution &#x201E;und ist danach weder<lb/>
Fried noch Ruhe im Kloster!""</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1101" next="#ID_1102"> Am 29. September hat unser Diarist außer ein paar Seiten voll Wider¬<lb/>
wärtigkeiten ausnahmsweise auch einmal etwas Gutes zu berichten. &#x201E;Heute,"<lb/>
sagt er, &#x201E;gab ich einen schwedischen Soldaten Namens Konrad Friedrich und<lb/>
die Anna Maria Weingartnerin zur Ehe zusammen. Die Fran war Wittwe<lb/>
und Ketzerin und ist von mir zum katholischen Glauben bekehrt worden. Bei</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0376] ließ zunächst das Gemach aufbrechen, stellte inner- und außerhalb des Klosters an alle Thüren und Zugänge Wachen und begab sich dann — es war um Mitternacht — mit 8 Musketieren in das Zimmer des P. Prokurator, welches sonst die Wohnung des Herrn Prälaten ist. Nachdem dort alles durchsucht worden, drang die Schaar in die nächste Schlafkammer, in welcher ich lag. Ich richte mich auf, keineswegs erschrocken, und sage: „Was soll das, Herr Hauptmann? Ich schlafe hier und es geziemt sich nicht, Schlafende zu mole- stiren, viel weniger zu todten." „Schlafe Du," antwortete er, „das Geschäft, welches ich vorhabe, geht Dich nichts an!" Darauf ging er hinüber in das Oratorium, drang in die Bibliothek, das Dormitorium, den Kreuzgang und den Speisesaal, immer hinter sich die Musketiere „mit brönnenden Lunthen". Als sich nirgends etwas Verdächtiges fand und der Wein allmählich verdaut war, wurde er ruhiger, schickte die Musketiere weg und begab sich zur Ruhe." „13. September. Die 10V Musketiere, die bei uns einquartiert siud, siud uns, wie es scheint, auf Anstiften der »katholischen Bürger, denen wir so viele Wohlthaten erwiesen, ins Kloster geschafft worden. Aber jetzt ist die Stunde jener da, und die Herrschaft der Finsterniß, „Gott wird sich auch seiner armen bedrängten Katholischen einst wiederumb erbarmen!" Am 16. September ge- riethen zwei von unseren Soldaten in Streit und forderten sich zum Duelle heraus; ein dritter kam dazu und mischte sich in ihren Streit. Darauf ver¬ söhnten sich die beiden ersten und einer von ihnen rannte jenem dritten in unserm Friedhofe das Schwert mitten durchs Herz , so daß derselbe auf der Stelle zusammensank und mit den Worten: „Du hast mich schelmisch gestochen" u. s. w. den Geist aufgab. Nach diesem Todtschlag gab es einen fürchterlichen Tumult im Kloster, die Soldaten rannten, sich gegenseitig beschuldigend, hin und her, ihre Weiber suchten sie zu beruhigen, geriethen aber darüber am Ende selbst in Streit, schimpften sich, hieben mit den Fäusten auf einander, rauften sich gegenseitig die Haare aus und schrieen nach Messern und andern Mordwaffen. Die Soldaten, rasch versöhnt, standen dabei und sahen mit ver¬ gnügten Lachen dem Gelobe ihrer Weiber und Dirnen zu. Guter Gott! solche Gäste müssen die Gott und seinem heiligen Dienste geweihten Orte aufnehmen. Und wir bezahlen doch dem Herrn Ochsenstiern den Monat 80 Thaler für Militärservis und dazu noch 200 si. Kriegskontribution „und ist danach weder Fried noch Ruhe im Kloster!"" Am 29. September hat unser Diarist außer ein paar Seiten voll Wider¬ wärtigkeiten ausnahmsweise auch einmal etwas Gutes zu berichten. „Heute," sagt er, „gab ich einen schwedischen Soldaten Namens Konrad Friedrich und die Anna Maria Weingartnerin zur Ehe zusammen. Die Fran war Wittwe und Ketzerin und ist von mir zum katholischen Glauben bekehrt worden. Bei

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/376
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/376>, abgerufen am 27.07.2024.