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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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seine Verachtung vor Ort und Personen auszudrücken, an die Wand ge....!
"pfui, dich lutherische Andacht!""

"20. August. Zwei Söhne des Stadtbaumeisters Holl ließen neben der
Kirche der Herren Patres Kapuziner zwei Bomben springen und riefen dabei:
"Hui, ich will die Teufel erschrökhen!" Ein schwedischer Soldat jagte auf
öffentlichem Markt einer Magd eine Kugel durch den Leib, und ein dabei
stehender Lutheraner sagte gratulirend zu ihm: "es schabt nit, sie ist doch
papistisch." Der Oberst Forbes hielt den Pater Philippus, Concionator der
Kapuziner, auf öffentlicher Straße in der Nähe von Se. Ulrich an, schimpfte
ihn in höchst obszöner Weise und sagte wenn er ihm noch einmal unter die
Hände käme, so werde er ihn abschlachten. Auch vor den beiden katholischen
Stadtpflegern, obgleich sie wahre Väter des Vaterlandes waren, hat niemand
mehr Respekt; sie werden in einem fort vexirt. Herr Bernhard Rehlinger wird
mit Herodes verglichen, und seine Tochter -- eine Jungfrau! -- mit der tanzenden
Herodias. Am selben Tage wurde durch ein Rathsdekret verkündet, daß nie¬
mand verpflichtet sei den Soldaten mehr als die bloße Wohnung zu geben.
Diese aber erpressen, was sie wollen, mit offener Gewalt. Mit unseren Soldaten
-- es sind jetzt 100 Musketiere, ungerechnet ihre Weiber, Dirnen und Kinder --
haben wir uns so verglichen, daß wir den Offizieren den Tisch im Konvente
nach unsrer gewöhnlichen Weise liefern; dein Fourier zahlen wir die Woche
einen Gulden, die übrigen Soldaten sollen nichts außer Stroh, Holz und
Wohnung erhalten- Sie sind aber damit nicht zufrieden. Besonders frech be¬
nimmt sich ein Fähndrich, der Unverschämte verlangt Morgens 2 Maß Wein
und Abends nach der Mahlzeit ebenso viel und mehr; lädt noch dazu Gäste
ein, und wir müssen alles hergeben, obwohl wir eine Kriegskontribution von
200 si. und ein Servisgeld von 120 si. zahlen- "Also muß man haußen,
wenn man die Klöster will an den Bettelstab bringen." "Ach Gott komm' den
Katholischen zu Hilf.""

"31. August. Um diese Zeit gerieth der Herr Hauptmann Weiler, weil
ein heizbares Gemach verschlossen war, in solche Wuth, daß er unfehlbar mit
einer Axt einen Diener schwer verwundet haben würde, wenn derselbe sich
nicht durch schleunige Flucht gerettet hätte. Mir und allen Unsrigen drohte er
mit dem Tod, falls er irgend einen Unrath entdecken sollte. Im Trunke war
ihm nämlich der Verdacht gekommen, daß in dem verschlossenen Gemach eine
Verrätherei verborgen sei. Mitten in der Nacht lief er überall herum wie ein
Löwe, ich folgte ihm und suchte ihn mit milden Worten zu beruhigen; er
wurde dadurch aber nur um so wilder, und rief indem er die Axt gegen mich
aufhob: "Hebe Dich weg, Meßpfaff, oberes geht Dir schlecht!" Ich ging weg
und legte mich in mein Bett. Jener aber citirte 16 Musketiere herbei und


seine Verachtung vor Ort und Personen auszudrücken, an die Wand ge....!
„pfui, dich lutherische Andacht!""

„20. August. Zwei Söhne des Stadtbaumeisters Holl ließen neben der
Kirche der Herren Patres Kapuziner zwei Bomben springen und riefen dabei:
„Hui, ich will die Teufel erschrökhen!" Ein schwedischer Soldat jagte auf
öffentlichem Markt einer Magd eine Kugel durch den Leib, und ein dabei
stehender Lutheraner sagte gratulirend zu ihm: „es schabt nit, sie ist doch
papistisch." Der Oberst Forbes hielt den Pater Philippus, Concionator der
Kapuziner, auf öffentlicher Straße in der Nähe von Se. Ulrich an, schimpfte
ihn in höchst obszöner Weise und sagte wenn er ihm noch einmal unter die
Hände käme, so werde er ihn abschlachten. Auch vor den beiden katholischen
Stadtpflegern, obgleich sie wahre Väter des Vaterlandes waren, hat niemand
mehr Respekt; sie werden in einem fort vexirt. Herr Bernhard Rehlinger wird
mit Herodes verglichen, und seine Tochter — eine Jungfrau! — mit der tanzenden
Herodias. Am selben Tage wurde durch ein Rathsdekret verkündet, daß nie¬
mand verpflichtet sei den Soldaten mehr als die bloße Wohnung zu geben.
Diese aber erpressen, was sie wollen, mit offener Gewalt. Mit unseren Soldaten
— es sind jetzt 100 Musketiere, ungerechnet ihre Weiber, Dirnen und Kinder —
haben wir uns so verglichen, daß wir den Offizieren den Tisch im Konvente
nach unsrer gewöhnlichen Weise liefern; dein Fourier zahlen wir die Woche
einen Gulden, die übrigen Soldaten sollen nichts außer Stroh, Holz und
Wohnung erhalten- Sie sind aber damit nicht zufrieden. Besonders frech be¬
nimmt sich ein Fähndrich, der Unverschämte verlangt Morgens 2 Maß Wein
und Abends nach der Mahlzeit ebenso viel und mehr; lädt noch dazu Gäste
ein, und wir müssen alles hergeben, obwohl wir eine Kriegskontribution von
200 si. und ein Servisgeld von 120 si. zahlen- „Also muß man haußen,
wenn man die Klöster will an den Bettelstab bringen." „Ach Gott komm' den
Katholischen zu Hilf.""

„31. August. Um diese Zeit gerieth der Herr Hauptmann Weiler, weil
ein heizbares Gemach verschlossen war, in solche Wuth, daß er unfehlbar mit
einer Axt einen Diener schwer verwundet haben würde, wenn derselbe sich
nicht durch schleunige Flucht gerettet hätte. Mir und allen Unsrigen drohte er
mit dem Tod, falls er irgend einen Unrath entdecken sollte. Im Trunke war
ihm nämlich der Verdacht gekommen, daß in dem verschlossenen Gemach eine
Verrätherei verborgen sei. Mitten in der Nacht lief er überall herum wie ein
Löwe, ich folgte ihm und suchte ihn mit milden Worten zu beruhigen; er
wurde dadurch aber nur um so wilder, und rief indem er die Axt gegen mich
aufhob: „Hebe Dich weg, Meßpfaff, oberes geht Dir schlecht!" Ich ging weg
und legte mich in mein Bett. Jener aber citirte 16 Musketiere herbei und


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[0375] seine Verachtung vor Ort und Personen auszudrücken, an die Wand ge....! „pfui, dich lutherische Andacht!"" „20. August. Zwei Söhne des Stadtbaumeisters Holl ließen neben der Kirche der Herren Patres Kapuziner zwei Bomben springen und riefen dabei: „Hui, ich will die Teufel erschrökhen!" Ein schwedischer Soldat jagte auf öffentlichem Markt einer Magd eine Kugel durch den Leib, und ein dabei stehender Lutheraner sagte gratulirend zu ihm: „es schabt nit, sie ist doch papistisch." Der Oberst Forbes hielt den Pater Philippus, Concionator der Kapuziner, auf öffentlicher Straße in der Nähe von Se. Ulrich an, schimpfte ihn in höchst obszöner Weise und sagte wenn er ihm noch einmal unter die Hände käme, so werde er ihn abschlachten. Auch vor den beiden katholischen Stadtpflegern, obgleich sie wahre Väter des Vaterlandes waren, hat niemand mehr Respekt; sie werden in einem fort vexirt. Herr Bernhard Rehlinger wird mit Herodes verglichen, und seine Tochter — eine Jungfrau! — mit der tanzenden Herodias. Am selben Tage wurde durch ein Rathsdekret verkündet, daß nie¬ mand verpflichtet sei den Soldaten mehr als die bloße Wohnung zu geben. Diese aber erpressen, was sie wollen, mit offener Gewalt. Mit unseren Soldaten — es sind jetzt 100 Musketiere, ungerechnet ihre Weiber, Dirnen und Kinder — haben wir uns so verglichen, daß wir den Offizieren den Tisch im Konvente nach unsrer gewöhnlichen Weise liefern; dein Fourier zahlen wir die Woche einen Gulden, die übrigen Soldaten sollen nichts außer Stroh, Holz und Wohnung erhalten- Sie sind aber damit nicht zufrieden. Besonders frech be¬ nimmt sich ein Fähndrich, der Unverschämte verlangt Morgens 2 Maß Wein und Abends nach der Mahlzeit ebenso viel und mehr; lädt noch dazu Gäste ein, und wir müssen alles hergeben, obwohl wir eine Kriegskontribution von 200 si. und ein Servisgeld von 120 si. zahlen- „Also muß man haußen, wenn man die Klöster will an den Bettelstab bringen." „Ach Gott komm' den Katholischen zu Hilf."" „31. August. Um diese Zeit gerieth der Herr Hauptmann Weiler, weil ein heizbares Gemach verschlossen war, in solche Wuth, daß er unfehlbar mit einer Axt einen Diener schwer verwundet haben würde, wenn derselbe sich nicht durch schleunige Flucht gerettet hätte. Mir und allen Unsrigen drohte er mit dem Tod, falls er irgend einen Unrath entdecken sollte. Im Trunke war ihm nämlich der Verdacht gekommen, daß in dem verschlossenen Gemach eine Verrätherei verborgen sei. Mitten in der Nacht lief er überall herum wie ein Löwe, ich folgte ihm und suchte ihn mit milden Worten zu beruhigen; er wurde dadurch aber nur um so wilder, und rief indem er die Axt gegen mich aufhob: „Hebe Dich weg, Meßpfaff, oberes geht Dir schlecht!" Ich ging weg und legte mich in mein Bett. Jener aber citirte 16 Musketiere herbei und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/375>, abgerufen am 27.07.2024.