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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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entfernten. Um die Wuth des Volkes zu besänftigen, thaten wir's, und brachten
dieselben hinüber in unsern Convent.' Während dessen wandelte die Fran des
lutherischen Kirchendieners mit ihrer Tochter ungenirt im obern Chor herum
und besichtigte alles, ohne sich an die Clausur zu kehren! Wir haben aber
nicht gewagt dagegen zu mucksen!"

"Am 16. Juli wurde Friedberg von den Schweden erobert, die Bürger
größtentheils niedergemetzelt, am folgenden Tag die Stadt in Brand gesteckt.
Dabei wurden Weiber und Jungfrauen entehrt und was das Barbarischste war,
Frauen wurden gezwungen ihre Ehemänner zu halten, damit dieselben besser
abgeschlachtet werden konnten. Die Augsburger Lutheraner sahen die Tragödie
von den Dächern ihrer Häuser mit Freude und Beifallsgeschrei an.*) Die
Feuersbrunst dauerte noch mehrere Tage und die Schweden brachten große
Beute nach Augsburg. Noch am 18. liefen Soldaten und evangelische Bürger
hinaus nach Friedberg auf Raub und schleppten, was noch übrig war, in die
Stadt zurück. Während dieser und der folgenden Tage war es für Geistliche
äußerst gefährlich ihre Häuser zu verlassen. Es hieß alle Katholiken, Kleriker
und Laien sollten umgebracht werden. Drei Priester wurden erst mit Worten,
dann mit Schlägen übel traktirt und Diebe, Schufte, Verräther titulirt. Kein
Katholik darf mit einem andern Katholiken wagen öffentlich ein Wort zu
sprechen, ohne sofort wegen verrätherischer Machinationen angeklagt zu werden.
Zwei Religiösen wurden von den Soldaten auswärts gefangen und gebunden
unter dein Hohngeschrei der lutherischen Weiber und Bürger in die Stadt ge¬
bracht und ins Gefängniß geworfen. Am 20. Juli kam ein Kaufmann,
Akatholik, mit befehlshaberischer Miene in das Kapuzinerkloster und gab vor,
er sei ein Kommissär des Statthalters und beauftragt alles zu durchsuchen.
Er molestirte die vortrefflichen Patres in unleidlicher Weise, schalt sie Ver-
räther und gab ihnen eine Menge anderer schimpflicher und obszöner Namen,
warf die Heiligenbilder herunter, durchstach sie und entehrte sie mit Wort und
Werk. Mittlerweile kam eine Wache, die man vom Magistrat erbeten hatte,
herbei, um den Menschen gefangen zu nehmen. Dieser jedoch roch den Braten
und machte sich schlauer Weise davon. Unter andern Obszönitäten hat er mich
vor den Augen sämmtlicher Herren Patres Kapuziner in dem Speisesaal, um



In der Nacht vom 12. auf den 13. Juli war Friedberg den katholischen Truppen
unter dem Obersten Kratz durch Verrätherei der Bürger in die Hände gespielt und die
dortige schwedische Besatzung bis auf 5 Mann, denen es gelang zu entkommen, niederge¬
hauen worden; die Wuth der Schweden und die Freude der Protestanten ist daher begreif¬
lich, zumal da man die unter den Umständen nicht ganz ungerechtfertigte Furcht hatte, es
möchte auch zwischen den Augsburger Katholiken und dem Feinde ein EinVerständniß
herrschen. (Vieles mag in der Aufregung der Zeit auch übertrieben worden sein. D, Red.)

entfernten. Um die Wuth des Volkes zu besänftigen, thaten wir's, und brachten
dieselben hinüber in unsern Convent.' Während dessen wandelte die Fran des
lutherischen Kirchendieners mit ihrer Tochter ungenirt im obern Chor herum
und besichtigte alles, ohne sich an die Clausur zu kehren! Wir haben aber
nicht gewagt dagegen zu mucksen!"

„Am 16. Juli wurde Friedberg von den Schweden erobert, die Bürger
größtentheils niedergemetzelt, am folgenden Tag die Stadt in Brand gesteckt.
Dabei wurden Weiber und Jungfrauen entehrt und was das Barbarischste war,
Frauen wurden gezwungen ihre Ehemänner zu halten, damit dieselben besser
abgeschlachtet werden konnten. Die Augsburger Lutheraner sahen die Tragödie
von den Dächern ihrer Häuser mit Freude und Beifallsgeschrei an.*) Die
Feuersbrunst dauerte noch mehrere Tage und die Schweden brachten große
Beute nach Augsburg. Noch am 18. liefen Soldaten und evangelische Bürger
hinaus nach Friedberg auf Raub und schleppten, was noch übrig war, in die
Stadt zurück. Während dieser und der folgenden Tage war es für Geistliche
äußerst gefährlich ihre Häuser zu verlassen. Es hieß alle Katholiken, Kleriker
und Laien sollten umgebracht werden. Drei Priester wurden erst mit Worten,
dann mit Schlägen übel traktirt und Diebe, Schufte, Verräther titulirt. Kein
Katholik darf mit einem andern Katholiken wagen öffentlich ein Wort zu
sprechen, ohne sofort wegen verrätherischer Machinationen angeklagt zu werden.
Zwei Religiösen wurden von den Soldaten auswärts gefangen und gebunden
unter dein Hohngeschrei der lutherischen Weiber und Bürger in die Stadt ge¬
bracht und ins Gefängniß geworfen. Am 20. Juli kam ein Kaufmann,
Akatholik, mit befehlshaberischer Miene in das Kapuzinerkloster und gab vor,
er sei ein Kommissär des Statthalters und beauftragt alles zu durchsuchen.
Er molestirte die vortrefflichen Patres in unleidlicher Weise, schalt sie Ver-
räther und gab ihnen eine Menge anderer schimpflicher und obszöner Namen,
warf die Heiligenbilder herunter, durchstach sie und entehrte sie mit Wort und
Werk. Mittlerweile kam eine Wache, die man vom Magistrat erbeten hatte,
herbei, um den Menschen gefangen zu nehmen. Dieser jedoch roch den Braten
und machte sich schlauer Weise davon. Unter andern Obszönitäten hat er mich
vor den Augen sämmtlicher Herren Patres Kapuziner in dem Speisesaal, um



In der Nacht vom 12. auf den 13. Juli war Friedberg den katholischen Truppen
unter dem Obersten Kratz durch Verrätherei der Bürger in die Hände gespielt und die
dortige schwedische Besatzung bis auf 5 Mann, denen es gelang zu entkommen, niederge¬
hauen worden; die Wuth der Schweden und die Freude der Protestanten ist daher begreif¬
lich, zumal da man die unter den Umständen nicht ganz ungerechtfertigte Furcht hatte, es
möchte auch zwischen den Augsburger Katholiken und dem Feinde ein EinVerständniß
herrschen. (Vieles mag in der Aufregung der Zeit auch übertrieben worden sein. D, Red.)
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[0374] entfernten. Um die Wuth des Volkes zu besänftigen, thaten wir's, und brachten dieselben hinüber in unsern Convent.' Während dessen wandelte die Fran des lutherischen Kirchendieners mit ihrer Tochter ungenirt im obern Chor herum und besichtigte alles, ohne sich an die Clausur zu kehren! Wir haben aber nicht gewagt dagegen zu mucksen!" „Am 16. Juli wurde Friedberg von den Schweden erobert, die Bürger größtentheils niedergemetzelt, am folgenden Tag die Stadt in Brand gesteckt. Dabei wurden Weiber und Jungfrauen entehrt und was das Barbarischste war, Frauen wurden gezwungen ihre Ehemänner zu halten, damit dieselben besser abgeschlachtet werden konnten. Die Augsburger Lutheraner sahen die Tragödie von den Dächern ihrer Häuser mit Freude und Beifallsgeschrei an.*) Die Feuersbrunst dauerte noch mehrere Tage und die Schweden brachten große Beute nach Augsburg. Noch am 18. liefen Soldaten und evangelische Bürger hinaus nach Friedberg auf Raub und schleppten, was noch übrig war, in die Stadt zurück. Während dieser und der folgenden Tage war es für Geistliche äußerst gefährlich ihre Häuser zu verlassen. Es hieß alle Katholiken, Kleriker und Laien sollten umgebracht werden. Drei Priester wurden erst mit Worten, dann mit Schlägen übel traktirt und Diebe, Schufte, Verräther titulirt. Kein Katholik darf mit einem andern Katholiken wagen öffentlich ein Wort zu sprechen, ohne sofort wegen verrätherischer Machinationen angeklagt zu werden. Zwei Religiösen wurden von den Soldaten auswärts gefangen und gebunden unter dein Hohngeschrei der lutherischen Weiber und Bürger in die Stadt ge¬ bracht und ins Gefängniß geworfen. Am 20. Juli kam ein Kaufmann, Akatholik, mit befehlshaberischer Miene in das Kapuzinerkloster und gab vor, er sei ein Kommissär des Statthalters und beauftragt alles zu durchsuchen. Er molestirte die vortrefflichen Patres in unleidlicher Weise, schalt sie Ver- räther und gab ihnen eine Menge anderer schimpflicher und obszöner Namen, warf die Heiligenbilder herunter, durchstach sie und entehrte sie mit Wort und Werk. Mittlerweile kam eine Wache, die man vom Magistrat erbeten hatte, herbei, um den Menschen gefangen zu nehmen. Dieser jedoch roch den Braten und machte sich schlauer Weise davon. Unter andern Obszönitäten hat er mich vor den Augen sämmtlicher Herren Patres Kapuziner in dem Speisesaal, um In der Nacht vom 12. auf den 13. Juli war Friedberg den katholischen Truppen unter dem Obersten Kratz durch Verrätherei der Bürger in die Hände gespielt und die dortige schwedische Besatzung bis auf 5 Mann, denen es gelang zu entkommen, niederge¬ hauen worden; die Wuth der Schweden und die Freude der Protestanten ist daher begreif¬ lich, zumal da man die unter den Umständen nicht ganz ungerechtfertigte Furcht hatte, es möchte auch zwischen den Augsburger Katholiken und dem Feinde ein EinVerständniß herrschen. (Vieles mag in der Aufregung der Zeit auch übertrieben worden sein. D, Red.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/374>, abgerufen am 27.07.2024.