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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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die protestantische Kirche hatte abbrechen lassen -- was aber mit der Ein¬
willigung seiner Majestät des Kaisers geschehen war -- loir nun sofort und
vollständig unsere Kirche den Evangelischen abzutreten hätten, und zwar für
so lange als wir ihnen ans unsere Kosten eine neue gebaut haben würden.
Und wir hatten doch schon mit dem Rathe ein Uebereinkommen getroffen, wo¬
nach den Protestanten der untere Theil unserer Kirche überlassen werden sollte
und uns der obere Theil geblieben wäre!"

"Am 17. Juni wurde unsere Waffenkammer besichtigt und alles daraus
weggeschaft. Am 19. schickte der Herr Statthalter den Stadtbaumeister Holl*)
mit 4 oder 5 Maurern und 20 Musketieren zu uns. Dieselben brachen um
ZI Uhr Vormittags plötzlich in's Kloster ein, und erklärten, sie hätten Befehl
alle Winkel zu durchsuchen, weil es zu Ohren des Herrn Statthalters gekommen
sei, daß wir unter der Kirche Schießpulver verborgen hätten, um am folgenden
Tage (einem Sonntag) die Kirche mit sämmtlichen Lutheranern in die Luft zu
sprengen. Sie durchstöberten denn auch alle Winkel, den Weinkeller, den Bier¬
keller, sie erbrachen das Conventnal-Gefängniß und rissen den mit Holz be¬
deckten Boden auf; selbst die Grabstätten blieben nicht verschont, ja ste öffneten
sogar das Grab, in welchem unser, vor einigen Jahren an der Pest verstorbener
Conventnale P. Augustin Krazer lag. Aber Gott sei Dank, weil wir nichts
Böses gethan, so konnten sie auch nichts entdecken. Dennoch aber werden wir
in der ganzen Stadt anf's Schändlichste und Verleumderischste heruntergemacht, als
wenn wir an fünf oder sechs Plätzen Pulver vergraben hätten. Wir beklagten
uns nachher beim Gouverneur selbst, der uns unter andern sagte, er habe
nothwendiger Weise die Untersuchung anordnen müssen um nicht beim Könige
verklagt zu werden und es sei ihm lieb, daß sich nichts bei uns gefunden habe,
übrigens sei unser Ankläger ein Bürger, und zwar ein akatholischer gewesen."

"Anfangs Juli kamen 4 Rathsherrn und zeigten uns an, "daß sie auf
ihrer Herrn Befehl uns 4 Leutuämbt, 4 Fendrich, mit ungefährlich 20 Pferden
sammt den Stallburschen und ihren Dienern sollen einquartieren." Der Herr
Oberst von Liebenstein wollte anfänglich nicht Platz machen, doch verglich man
sich endlich dahin, daß er außerhalb des Klosters sein Quartier nehmen, aber
den Monat 48 Thlr. und 12° Schafs Hafer erhalten solle. Wir behielten
jedoch den Herrn Hauptmann Weiler nebst 5 anderen Offizieren, 12 Pferden
und 5 Knechten. Für die Pferde müssen wir wöchentlich 2 Schafs Hafer
und 6 Metzen geben, die Knechte haben ihren Tisch mit unserer Dienerschaft,
die Offizieren speisen bei dem Herrn Obersten. -- 5. Juli. Unsere beiden Dörfer



*) Der berühmte Erbauer des Rathhauses, Elias Hott, der unter der katholischen Re¬
formation seines Amtes entlassen und jetzt wieder angestellt worden war.

die protestantische Kirche hatte abbrechen lassen — was aber mit der Ein¬
willigung seiner Majestät des Kaisers geschehen war — loir nun sofort und
vollständig unsere Kirche den Evangelischen abzutreten hätten, und zwar für
so lange als wir ihnen ans unsere Kosten eine neue gebaut haben würden.
Und wir hatten doch schon mit dem Rathe ein Uebereinkommen getroffen, wo¬
nach den Protestanten der untere Theil unserer Kirche überlassen werden sollte
und uns der obere Theil geblieben wäre!"

„Am 17. Juni wurde unsere Waffenkammer besichtigt und alles daraus
weggeschaft. Am 19. schickte der Herr Statthalter den Stadtbaumeister Holl*)
mit 4 oder 5 Maurern und 20 Musketieren zu uns. Dieselben brachen um
ZI Uhr Vormittags plötzlich in's Kloster ein, und erklärten, sie hätten Befehl
alle Winkel zu durchsuchen, weil es zu Ohren des Herrn Statthalters gekommen
sei, daß wir unter der Kirche Schießpulver verborgen hätten, um am folgenden
Tage (einem Sonntag) die Kirche mit sämmtlichen Lutheranern in die Luft zu
sprengen. Sie durchstöberten denn auch alle Winkel, den Weinkeller, den Bier¬
keller, sie erbrachen das Conventnal-Gefängniß und rissen den mit Holz be¬
deckten Boden auf; selbst die Grabstätten blieben nicht verschont, ja ste öffneten
sogar das Grab, in welchem unser, vor einigen Jahren an der Pest verstorbener
Conventnale P. Augustin Krazer lag. Aber Gott sei Dank, weil wir nichts
Böses gethan, so konnten sie auch nichts entdecken. Dennoch aber werden wir
in der ganzen Stadt anf's Schändlichste und Verleumderischste heruntergemacht, als
wenn wir an fünf oder sechs Plätzen Pulver vergraben hätten. Wir beklagten
uns nachher beim Gouverneur selbst, der uns unter andern sagte, er habe
nothwendiger Weise die Untersuchung anordnen müssen um nicht beim Könige
verklagt zu werden und es sei ihm lieb, daß sich nichts bei uns gefunden habe,
übrigens sei unser Ankläger ein Bürger, und zwar ein akatholischer gewesen."

„Anfangs Juli kamen 4 Rathsherrn und zeigten uns an, „daß sie auf
ihrer Herrn Befehl uns 4 Leutuämbt, 4 Fendrich, mit ungefährlich 20 Pferden
sammt den Stallburschen und ihren Dienern sollen einquartieren." Der Herr
Oberst von Liebenstein wollte anfänglich nicht Platz machen, doch verglich man
sich endlich dahin, daß er außerhalb des Klosters sein Quartier nehmen, aber
den Monat 48 Thlr. und 12° Schafs Hafer erhalten solle. Wir behielten
jedoch den Herrn Hauptmann Weiler nebst 5 anderen Offizieren, 12 Pferden
und 5 Knechten. Für die Pferde müssen wir wöchentlich 2 Schafs Hafer
und 6 Metzen geben, die Knechte haben ihren Tisch mit unserer Dienerschaft,
die Offizieren speisen bei dem Herrn Obersten. — 5. Juli. Unsere beiden Dörfer



*) Der berühmte Erbauer des Rathhauses, Elias Hott, der unter der katholischen Re¬
formation seines Amtes entlassen und jetzt wieder angestellt worden war.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/372>, abgerufen am 01.09.2024.