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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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meinen jedoch betrugen sich unverschämt und übermüthig. Beim Mittagessen,
welches wir in Gemeinschaft mit den Offizieren einnahmen, verlangten zwei Feld¬
prediger unter anderm, daß man ihnen die Erlaubniß gäbe in unsrer Kirche
zu predigen, ich setzte mich tapfer dagegen und der Herr von Liebenstein brachte
sie endlich zum Schweigen, indem er sagte, er sei nicht gekommen um unsre
Kirche mit Beschlag zu belegen, das ginge den Magistrat an, er und die Seinen
konnten das Wort Gottes gerade so gut in dem Hof oder einem größeren
Saale hören. Am 30ten April kam ein schwedischer Predikant mit einem
lutherischen Bürger, um unser Kloster und die Kirche zu besuchen. Er trank
drei große Becher vom Besten und wurde auf diese Weise voll, nicht vom si.
Geiste, sondern vom Trunke, so daß er schwankenden Schrittes von Wand zu
Wand taumelte. Derselbe forderte von nus ein Geschenk aus der Sakristei
und wir gaben ihm, um den Zudringlichen los zu werden, ein kleines gemaltes
Bild.....Einem andern Predikanten jedoch, der einige Tage später die Bib¬
liothek besuchte und ein großes Exempelbuch zum Geschenk verlangte, wurde
dasselbe rund heraus abgeschlagen (rownäv nsMwni sse), denn man hatte
wohl gemerkt, daß er es nicht aus Frömmigkeit oder des Stndirens halber
wolle, sondern um sein Gespött damit zu treiben (2. Mai). -- Am 8. Mai
erschienen zwei Kommissäre und forderten im Namen seiner Exzellenz des Herrn
Gouverneur's (Grafen Joh. Fried, von Hohenlohe) 4000 Thlr., aus folgenden
Gründen: erstens, weil wir nicht getödtet worden seien, und zweitens weil
man unser Kloster uicht niedergebrannt habe. Wir verstanden uns am Ende
dazu 2380 si. zu zahlen.*) Außerdem wurde uns eine Kriegskontributivn von
200 si. sowie ein Servisgeld von 120 si. auferlegt. Den Herren Kommissären
aber schenkten wir ihres guten Willens halber eine kleine silberne vergoldete
Kanne, sowie einen Becher von ungefähr demselben Werth, mit 24 Reichs¬
thalern."

"Am 20. Mai wurden alle Katholiken gegen menschliches und göttliches
Recht gezwungen aus den Häusern der Jesuiten und der Fuggerei, d. h. die
Häuser, welche die Fugger als Wohnungen für arme Bürger haben bauen
lassen, auszuziehen; und an ihre Stelle wurden schwedische Soldaten gelegt,
die alles ruinirt haben, "haben Fenster, Scheiben, Oefen ^c. verschlagen, Kasten
gebrochen, Banks, Stück, Wänd zerrissen und verbrennt" (dieser Eintrag ist
erst im September eingeschrieben). -- Am 1. Juni brachte uns Herr Notar
Weihenmayer einen Originalbrief von seiner Majestät dem Könige Gustav
Adolf, mit dem bestimmten Befehl, daß, weil vor ein paar Jahren der Propst



*) Um diese Summe zusammen zu bringen mußte ein großer Theil des Silbergeschirres
verkauft werden; ein ausführliches Verzeichnis; steht unter dem 16. Juni.

meinen jedoch betrugen sich unverschämt und übermüthig. Beim Mittagessen,
welches wir in Gemeinschaft mit den Offizieren einnahmen, verlangten zwei Feld¬
prediger unter anderm, daß man ihnen die Erlaubniß gäbe in unsrer Kirche
zu predigen, ich setzte mich tapfer dagegen und der Herr von Liebenstein brachte
sie endlich zum Schweigen, indem er sagte, er sei nicht gekommen um unsre
Kirche mit Beschlag zu belegen, das ginge den Magistrat an, er und die Seinen
konnten das Wort Gottes gerade so gut in dem Hof oder einem größeren
Saale hören. Am 30ten April kam ein schwedischer Predikant mit einem
lutherischen Bürger, um unser Kloster und die Kirche zu besuchen. Er trank
drei große Becher vom Besten und wurde auf diese Weise voll, nicht vom si.
Geiste, sondern vom Trunke, so daß er schwankenden Schrittes von Wand zu
Wand taumelte. Derselbe forderte von nus ein Geschenk aus der Sakristei
und wir gaben ihm, um den Zudringlichen los zu werden, ein kleines gemaltes
Bild.....Einem andern Predikanten jedoch, der einige Tage später die Bib¬
liothek besuchte und ein großes Exempelbuch zum Geschenk verlangte, wurde
dasselbe rund heraus abgeschlagen (rownäv nsMwni sse), denn man hatte
wohl gemerkt, daß er es nicht aus Frömmigkeit oder des Stndirens halber
wolle, sondern um sein Gespött damit zu treiben (2. Mai). — Am 8. Mai
erschienen zwei Kommissäre und forderten im Namen seiner Exzellenz des Herrn
Gouverneur's (Grafen Joh. Fried, von Hohenlohe) 4000 Thlr., aus folgenden
Gründen: erstens, weil wir nicht getödtet worden seien, und zweitens weil
man unser Kloster uicht niedergebrannt habe. Wir verstanden uns am Ende
dazu 2380 si. zu zahlen.*) Außerdem wurde uns eine Kriegskontributivn von
200 si. sowie ein Servisgeld von 120 si. auferlegt. Den Herren Kommissären
aber schenkten wir ihres guten Willens halber eine kleine silberne vergoldete
Kanne, sowie einen Becher von ungefähr demselben Werth, mit 24 Reichs¬
thalern."

„Am 20. Mai wurden alle Katholiken gegen menschliches und göttliches
Recht gezwungen aus den Häusern der Jesuiten und der Fuggerei, d. h. die
Häuser, welche die Fugger als Wohnungen für arme Bürger haben bauen
lassen, auszuziehen; und an ihre Stelle wurden schwedische Soldaten gelegt,
die alles ruinirt haben, „haben Fenster, Scheiben, Oefen ^c. verschlagen, Kasten
gebrochen, Banks, Stück, Wänd zerrissen und verbrennt" (dieser Eintrag ist
erst im September eingeschrieben). — Am 1. Juni brachte uns Herr Notar
Weihenmayer einen Originalbrief von seiner Majestät dem Könige Gustav
Adolf, mit dem bestimmten Befehl, daß, weil vor ein paar Jahren der Propst



*) Um diese Summe zusammen zu bringen mußte ein großer Theil des Silbergeschirres
verkauft werden; ein ausführliches Verzeichnis; steht unter dem 16. Juni.
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[0371] meinen jedoch betrugen sich unverschämt und übermüthig. Beim Mittagessen, welches wir in Gemeinschaft mit den Offizieren einnahmen, verlangten zwei Feld¬ prediger unter anderm, daß man ihnen die Erlaubniß gäbe in unsrer Kirche zu predigen, ich setzte mich tapfer dagegen und der Herr von Liebenstein brachte sie endlich zum Schweigen, indem er sagte, er sei nicht gekommen um unsre Kirche mit Beschlag zu belegen, das ginge den Magistrat an, er und die Seinen konnten das Wort Gottes gerade so gut in dem Hof oder einem größeren Saale hören. Am 30ten April kam ein schwedischer Predikant mit einem lutherischen Bürger, um unser Kloster und die Kirche zu besuchen. Er trank drei große Becher vom Besten und wurde auf diese Weise voll, nicht vom si. Geiste, sondern vom Trunke, so daß er schwankenden Schrittes von Wand zu Wand taumelte. Derselbe forderte von nus ein Geschenk aus der Sakristei und wir gaben ihm, um den Zudringlichen los zu werden, ein kleines gemaltes Bild.....Einem andern Predikanten jedoch, der einige Tage später die Bib¬ liothek besuchte und ein großes Exempelbuch zum Geschenk verlangte, wurde dasselbe rund heraus abgeschlagen (rownäv nsMwni sse), denn man hatte wohl gemerkt, daß er es nicht aus Frömmigkeit oder des Stndirens halber wolle, sondern um sein Gespött damit zu treiben (2. Mai). — Am 8. Mai erschienen zwei Kommissäre und forderten im Namen seiner Exzellenz des Herrn Gouverneur's (Grafen Joh. Fried, von Hohenlohe) 4000 Thlr., aus folgenden Gründen: erstens, weil wir nicht getödtet worden seien, und zweitens weil man unser Kloster uicht niedergebrannt habe. Wir verstanden uns am Ende dazu 2380 si. zu zahlen.*) Außerdem wurde uns eine Kriegskontributivn von 200 si. sowie ein Servisgeld von 120 si. auferlegt. Den Herren Kommissären aber schenkten wir ihres guten Willens halber eine kleine silberne vergoldete Kanne, sowie einen Becher von ungefähr demselben Werth, mit 24 Reichs¬ thalern." „Am 20. Mai wurden alle Katholiken gegen menschliches und göttliches Recht gezwungen aus den Häusern der Jesuiten und der Fuggerei, d. h. die Häuser, welche die Fugger als Wohnungen für arme Bürger haben bauen lassen, auszuziehen; und an ihre Stelle wurden schwedische Soldaten gelegt, die alles ruinirt haben, „haben Fenster, Scheiben, Oefen ^c. verschlagen, Kasten gebrochen, Banks, Stück, Wänd zerrissen und verbrennt" (dieser Eintrag ist erst im September eingeschrieben). — Am 1. Juni brachte uns Herr Notar Weihenmayer einen Originalbrief von seiner Majestät dem Könige Gustav Adolf, mit dem bestimmten Befehl, daß, weil vor ein paar Jahren der Propst *) Um diese Summe zusammen zu bringen mußte ein großer Theil des Silbergeschirres verkauft werden; ein ausführliches Verzeichnis; steht unter dem 16. Juni.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/371>, abgerufen am 27.07.2024.