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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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darunter auch der Probst des Klosters zum si. Kreuz, Johannes Schelk, mir
den meisten seiner Conventnalen; nur vier Mitglieder blieben zur Überwachung
des Conventeigenthnms zurück, nämlich P. David Dürheimer, als Prokurator,
unser P. Anastasius und noch zwei andere. Unser Tagebuch schildert nun die
Schicksale des Klosters, der vier zurückgebliebenen Brüder und allerlei sonstige
Ereignisse während der dreizehn ersten Monate der schwedischen Okkupation
bis zur Vertreibung des Klerus aus der Stadt (19. Mai 1633). Es ist in
lateinischer Sprache geschrieben, doch fließen häufig deutsche Worte, mitunter
ganze Sätze ein, namentlich wenn es etwas zu notiren gibt, was den Verfasser
in lebhafte Erregung zu versetzen geeignet ist.*)

Die ersten Einträge erzählen von dem Einzuge der Schweden und den
darauf erfolgten Veränderungen in der Stadt, die eben im Zusammenhange
skizzirt worden sind. Wir beginnen unsre Auszüge mit dem 21. April:

"An diesem Tage erschien Herr Nicomedes Ruitter, Proviantmeister des
tgi. Heeres bei uns und forderte 20000 Pfd. Brod; zugleich wurde auch das ganze
Kloster von demselben genau besichtigt und uns bedeutet, dasselbe sei nnn dem
Könige von Schweden anheim gefallen, überdies stünden wir in großer Lebens¬
gefahr und zwar aus zwei Versehen; erstens, weil der Herr Prälat mit den
Conventnalen geflohen sei und allerlei Kostbarkeiten mitgenommen habe, und
zweitens weil in unserm Kloster Waffen, Pulver und dergl. gefunden worden.
Wir konnten uns jedoch zu seiner Befriedigung verantworten. Nichts desto-
weniger schleppte er 6 Musketen mit Zubehör, sowie eine kleine silberne,
vergoldete Kanne und eine Standuhr mit einem silbernen Kruzifix darauf fort
und verlangte noch 500 Thlr, als Belohnung. Wir gaben ihm einen kleinen
silbernen Becher nebst 50 Thlrn., welches er dankbnrlichst annahm.^) Am
25ten April, einem Sonntage, kam der erlauchte Herr Oberst von Liebenstein
mit seinem Lieutenant, seinen Hauptleuten und Fahnenträgern und ungefähr
30 Soldaten, um bei uns ins Quartier zu gehen. Die Offiziere benahmen
sich recht bescheiden und sind sogleich unsre guten Freunde geworden; die Ge-




*) Dieses Tagebuch befindet sich in einem Folivbcmde des städtischen Archivs z" Augs¬
burg, welcher die Kapitelbeschlusse des Klosterkonventes zum heil. Kreuz von 1618--1678
enthält. Unser Pater Anastasius fängt im Juni 1631 an die Einträge zu besorgen, doch
behandeln dieselben anfänglich, ebenso wie alle vorhergehenden ziemlich ausschließlich interne
Angelegenheiten des Klosters. Allgemeines Interesse gewinnen die Einträge erst von dem
Zeitpunkte an, wo die Schwedengefahr vor der Thüre steht, und von da ein gestalten sie
sich auch erst zu einem wirklichen Tagebuch. Die Zeit von April 1632 bis 19. Mai 1633
nimmt 90 Seiten in Anspruch.
Am Räude der Seite neben diesem Eintrag befindet sich noch folgende Notiz: dieser
Nicomedes ist ein abtrünniger Kapuziner, "vruSelis osrts iiomo se vix Koma". Dazu ist
noch später gekritzelt: der Elende nahm eine Frau, starb aber sehr bald nach dieser gott¬
losen Heirath.

darunter auch der Probst des Klosters zum si. Kreuz, Johannes Schelk, mir
den meisten seiner Conventnalen; nur vier Mitglieder blieben zur Überwachung
des Conventeigenthnms zurück, nämlich P. David Dürheimer, als Prokurator,
unser P. Anastasius und noch zwei andere. Unser Tagebuch schildert nun die
Schicksale des Klosters, der vier zurückgebliebenen Brüder und allerlei sonstige
Ereignisse während der dreizehn ersten Monate der schwedischen Okkupation
bis zur Vertreibung des Klerus aus der Stadt (19. Mai 1633). Es ist in
lateinischer Sprache geschrieben, doch fließen häufig deutsche Worte, mitunter
ganze Sätze ein, namentlich wenn es etwas zu notiren gibt, was den Verfasser
in lebhafte Erregung zu versetzen geeignet ist.*)

Die ersten Einträge erzählen von dem Einzuge der Schweden und den
darauf erfolgten Veränderungen in der Stadt, die eben im Zusammenhange
skizzirt worden sind. Wir beginnen unsre Auszüge mit dem 21. April:

„An diesem Tage erschien Herr Nicomedes Ruitter, Proviantmeister des
tgi. Heeres bei uns und forderte 20000 Pfd. Brod; zugleich wurde auch das ganze
Kloster von demselben genau besichtigt und uns bedeutet, dasselbe sei nnn dem
Könige von Schweden anheim gefallen, überdies stünden wir in großer Lebens¬
gefahr und zwar aus zwei Versehen; erstens, weil der Herr Prälat mit den
Conventnalen geflohen sei und allerlei Kostbarkeiten mitgenommen habe, und
zweitens weil in unserm Kloster Waffen, Pulver und dergl. gefunden worden.
Wir konnten uns jedoch zu seiner Befriedigung verantworten. Nichts desto-
weniger schleppte er 6 Musketen mit Zubehör, sowie eine kleine silberne,
vergoldete Kanne und eine Standuhr mit einem silbernen Kruzifix darauf fort
und verlangte noch 500 Thlr, als Belohnung. Wir gaben ihm einen kleinen
silbernen Becher nebst 50 Thlrn., welches er dankbnrlichst annahm.^) Am
25ten April, einem Sonntage, kam der erlauchte Herr Oberst von Liebenstein
mit seinem Lieutenant, seinen Hauptleuten und Fahnenträgern und ungefähr
30 Soldaten, um bei uns ins Quartier zu gehen. Die Offiziere benahmen
sich recht bescheiden und sind sogleich unsre guten Freunde geworden; die Ge-




*) Dieses Tagebuch befindet sich in einem Folivbcmde des städtischen Archivs z» Augs¬
burg, welcher die Kapitelbeschlusse des Klosterkonventes zum heil. Kreuz von 1618—1678
enthält. Unser Pater Anastasius fängt im Juni 1631 an die Einträge zu besorgen, doch
behandeln dieselben anfänglich, ebenso wie alle vorhergehenden ziemlich ausschließlich interne
Angelegenheiten des Klosters. Allgemeines Interesse gewinnen die Einträge erst von dem
Zeitpunkte an, wo die Schwedengefahr vor der Thüre steht, und von da ein gestalten sie
sich auch erst zu einem wirklichen Tagebuch. Die Zeit von April 1632 bis 19. Mai 1633
nimmt 90 Seiten in Anspruch.
Am Räude der Seite neben diesem Eintrag befindet sich noch folgende Notiz: dieser
Nicomedes ist ein abtrünniger Kapuziner, „vruSelis osrts iiomo se vix Koma". Dazu ist
noch später gekritzelt: der Elende nahm eine Frau, starb aber sehr bald nach dieser gott¬
losen Heirath.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/370>, abgerufen am 27.07.2024.