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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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versprach die Stadt in ihrer Reichsunmittelbarkeit nicht zu beeinträchtigen, die
Bürger ohne Ausnahme bei ihrem Leben und Eigenthum zu schützen, und
speziell die Katholiken bei ihrer Religion zu belassen. Am 20ten April 1632
zogen die katholischen Truppen ab, und noch an demselben Tage wurde Augs¬
burg von den Schweden besetzt.

Es folgte nun auf die katholische Reformation der letzten Jahre eine in
mancher Beziehung noch rücksichtslosere protestantische Reaktion, wobei sich
allerdings wie vorher die katholischen, so jetzt die Protestantischen Patrizier
widerstrebend und abwehrend verhielten. Die Protestanten erhielten zunächst
alles zurück, was thuen genommen worden, und einiges Weitere dazu; der Rath
ward ausschließlich mit Protestanten besetzt, ebenso alle andern Stadtämter;
sämmtliche katholische Beamten wurden entlassen. Kurz, den Katholiken geschah
jetzt, was den Protestanten vorher geschehen war, nur mit dem Unterschiede,
daß was vorher ein paar Jahre gebraucht hatte, jetzt in ein paar Wochen
ausgeführt wurde. Nur in einem Punkte waren die Katholiken besser daran:
ihr Gottesdienst ward nicht verboten, in ihren Kirchen konnten sie machen,
was sie wollten. Dazu kommen nun noch einige Lasten, die zwar der Gesammt¬
heit auferlegt wurden, aber doch zum Theil wenigstens, die Katholiken besonders
empfindlich drückten. Die Stadt mußte eine Kriegssteuer von 20000 si. mo¬
natlich zahlen, und eine sehr beträchtliche schwedische Besatzung aufnehmen,
welche letztere vorzugsweise den Katholiken, vor allen den Klöstern aufgehalst
wurde. Die gesammte Bürgerschaft ferner ward genöthigt, dem König von
Schweden den Treneid zu leisten, unbeschadet jedoch ihrer Reichsunmittelbarkeit;
und was für alle -- Katholiken sowohl wie Protestanten -- das Unangenehmste
war, es wurde ein schwedischer Statthalter und Stadtkommandant er¬
nannt, der eine war der Graf Joh. Fried, von Hohenlohe, der andere Benedict
Oxenstjerna, ein Sohn des berühmten Kanzlers, auf welche sich bald, zwar
uicht dem Worte nach, aber doch thatsächlich die Summe der Gewalt in der
Stadt konzentrirte.

Wie gestaltete sich nun unter solchen Verhältnissen das Leben des fried¬
lichen Mannes? Es soll hier als Antwort auf diese Frage zunächst eine
Reihe von Auszügen ans dem Tagebuch eines Augsburger Mönches folgen,
der jene Zeiten selbst mit durchlebt und durchlitten hat: daran mag sich nach¬
her noch einiges Weiteres knüpfen, was die Angaben des erwähnten Mönches
theils bestätigt, theils erweitert. Der P. Anastasius Vochetius -- so heißt der
Verfasser des Tagebuchs -- war ein Conventnale des Klosters der regulirten
Chorherrn Se. Angnstini zum si. Kreuz in Augsburg. Als zu Anfang April
1632 die Schweden immer näher heran kamen, und nachdem es klar geworden,
daß Augsburg ihr Ziel sei, verließ ein großer Theil der Geistlichkeit die Stadt,


versprach die Stadt in ihrer Reichsunmittelbarkeit nicht zu beeinträchtigen, die
Bürger ohne Ausnahme bei ihrem Leben und Eigenthum zu schützen, und
speziell die Katholiken bei ihrer Religion zu belassen. Am 20ten April 1632
zogen die katholischen Truppen ab, und noch an demselben Tage wurde Augs¬
burg von den Schweden besetzt.

Es folgte nun auf die katholische Reformation der letzten Jahre eine in
mancher Beziehung noch rücksichtslosere protestantische Reaktion, wobei sich
allerdings wie vorher die katholischen, so jetzt die Protestantischen Patrizier
widerstrebend und abwehrend verhielten. Die Protestanten erhielten zunächst
alles zurück, was thuen genommen worden, und einiges Weitere dazu; der Rath
ward ausschließlich mit Protestanten besetzt, ebenso alle andern Stadtämter;
sämmtliche katholische Beamten wurden entlassen. Kurz, den Katholiken geschah
jetzt, was den Protestanten vorher geschehen war, nur mit dem Unterschiede,
daß was vorher ein paar Jahre gebraucht hatte, jetzt in ein paar Wochen
ausgeführt wurde. Nur in einem Punkte waren die Katholiken besser daran:
ihr Gottesdienst ward nicht verboten, in ihren Kirchen konnten sie machen,
was sie wollten. Dazu kommen nun noch einige Lasten, die zwar der Gesammt¬
heit auferlegt wurden, aber doch zum Theil wenigstens, die Katholiken besonders
empfindlich drückten. Die Stadt mußte eine Kriegssteuer von 20000 si. mo¬
natlich zahlen, und eine sehr beträchtliche schwedische Besatzung aufnehmen,
welche letztere vorzugsweise den Katholiken, vor allen den Klöstern aufgehalst
wurde. Die gesammte Bürgerschaft ferner ward genöthigt, dem König von
Schweden den Treneid zu leisten, unbeschadet jedoch ihrer Reichsunmittelbarkeit;
und was für alle — Katholiken sowohl wie Protestanten — das Unangenehmste
war, es wurde ein schwedischer Statthalter und Stadtkommandant er¬
nannt, der eine war der Graf Joh. Fried, von Hohenlohe, der andere Benedict
Oxenstjerna, ein Sohn des berühmten Kanzlers, auf welche sich bald, zwar
uicht dem Worte nach, aber doch thatsächlich die Summe der Gewalt in der
Stadt konzentrirte.

Wie gestaltete sich nun unter solchen Verhältnissen das Leben des fried¬
lichen Mannes? Es soll hier als Antwort auf diese Frage zunächst eine
Reihe von Auszügen ans dem Tagebuch eines Augsburger Mönches folgen,
der jene Zeiten selbst mit durchlebt und durchlitten hat: daran mag sich nach¬
her noch einiges Weiteres knüpfen, was die Angaben des erwähnten Mönches
theils bestätigt, theils erweitert. Der P. Anastasius Vochetius — so heißt der
Verfasser des Tagebuchs — war ein Conventnale des Klosters der regulirten
Chorherrn Se. Angnstini zum si. Kreuz in Augsburg. Als zu Anfang April
1632 die Schweden immer näher heran kamen, und nachdem es klar geworden,
daß Augsburg ihr Ziel sei, verließ ein großer Theil der Geistlichkeit die Stadt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/369>, abgerufen am 01.09.2024.