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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Hans Rudolf von Bredow -- beiläufig bemerkt einem guten märkischen
Protestanten -- unter die Augen und derselbe dekretirte sofort dem unvor¬
sichtigen Briefsteller eine Strafe von 2000 si., nebst einer Einquartierung von
ein paar Offizieren und zehn Reitern, bis das Geld bezahlt sei. Hainhofer
weigerte sich zu zahlen und die Einquartierung blieb in seinem Hause. Es
wurden nun mehrere Tage hintereinander in seiner Wohnung und ans
seine Kosten prächtige Gastmähler und Gelage veranstaltet. Einmal erschien
der Herr Oberst von Bredow selbst dabei incognito, amüsirte sich vortrefflich
und conversirte mit seinem unfreiwilligen Wirthe eine halbe Stunde aus
Italienisch. Der Letztere scheint sich übrigens mit seinen ungebetenen Gästen
ziemlich gut vertragen zu haben. Er zeigte und erklärte ihnen seine Kunst¬
kammer; sie nöthigten ihn oben an der Tafel zu sitzen und ernannten ihn zu
ihrem Vater; seine Frau sowie seine beiden Töchter wurden ebenfalls zuge¬
zogen und erhielten die Würde einer Mutter, beziehungsweise von Schwestern.
Hainhofer stellt selbst seinen Gästen, die übrigens, obschon sie an der Erstür¬
mung Magdeburg's theil genommen, seiner Angabe nach meist protestantisch
waren, das Zeugniß aus, sie seien alle, abgesehen von der unangenehmen Ver¬
anlassung, die sie in sein Hans geführt, "wackere, rechtschaffene und fromme
Cavallieri" gewesen. Ohne einen sehr betrüchlichten Aderlaß am Geldbeutel ging
jedoch trotz alledem die Sache nicht ab. Man verglich sich nach längerem Feilschen
am Ende dahin, daß Hainhofer dem Obersten zwei goldene Ketten, jede zu
100 si. Metallwerth verehrte und überdies die übrigen Offiziere mit kleineren
Geschenken bedachte.*) Die ganze Affaire mag ihn immerhin etwa die Hälfte
der ursprünglich geforderten Summe gekostet haben. Da er aber mit einem
gewissen Humor sich in das Unvermeidliche zu fügen wußte, so ließ man es
auch von Seiten des Militärs nicht an Courtoisie fehlen und die Angelegen¬
heit wurde, so verdrießlich sie auch für ihn sein mochte, anscheinend in aller
Freundschaftlichkeit erledigt. Humor und Courtoisie waren freilich bei der¬
artigen Vorfällen nicht die Regel.

Für diesmal jedoch währte der Aufenthalt der katholischen Truppen nicht
lange genug, um im Allgemeinen sehr fühlbar zu werden. Schon Mitte April
war Gustav Adolf mit einem starken Heer bis in die nächste Nähe Augsburgs
vorgedrungen; an einen längeren Widerstand der Stadt war bei der schwachen
Besatzung und dem verwahrlosten Zustande der Befestigungswerke vernünftiger
Weise nicht zu denken, auf baldigen Entsatz konnte man nicht hoffen: daherkam
es rasch zu einem Vertrag. Der König gestattete der Garnison freien Abzug,



*) Hainhofer erzählt diesen Vorfall sehr weitläufig in seinem nicht uninteressanter
Diarium der schwedischen Okkupation, von dem das städtische Archiv zu Augsburg eine alte
Abschrift besitzt.

Hans Rudolf von Bredow — beiläufig bemerkt einem guten märkischen
Protestanten — unter die Augen und derselbe dekretirte sofort dem unvor¬
sichtigen Briefsteller eine Strafe von 2000 si., nebst einer Einquartierung von
ein paar Offizieren und zehn Reitern, bis das Geld bezahlt sei. Hainhofer
weigerte sich zu zahlen und die Einquartierung blieb in seinem Hause. Es
wurden nun mehrere Tage hintereinander in seiner Wohnung und ans
seine Kosten prächtige Gastmähler und Gelage veranstaltet. Einmal erschien
der Herr Oberst von Bredow selbst dabei incognito, amüsirte sich vortrefflich
und conversirte mit seinem unfreiwilligen Wirthe eine halbe Stunde aus
Italienisch. Der Letztere scheint sich übrigens mit seinen ungebetenen Gästen
ziemlich gut vertragen zu haben. Er zeigte und erklärte ihnen seine Kunst¬
kammer; sie nöthigten ihn oben an der Tafel zu sitzen und ernannten ihn zu
ihrem Vater; seine Frau sowie seine beiden Töchter wurden ebenfalls zuge¬
zogen und erhielten die Würde einer Mutter, beziehungsweise von Schwestern.
Hainhofer stellt selbst seinen Gästen, die übrigens, obschon sie an der Erstür¬
mung Magdeburg's theil genommen, seiner Angabe nach meist protestantisch
waren, das Zeugniß aus, sie seien alle, abgesehen von der unangenehmen Ver¬
anlassung, die sie in sein Hans geführt, „wackere, rechtschaffene und fromme
Cavallieri" gewesen. Ohne einen sehr betrüchlichten Aderlaß am Geldbeutel ging
jedoch trotz alledem die Sache nicht ab. Man verglich sich nach längerem Feilschen
am Ende dahin, daß Hainhofer dem Obersten zwei goldene Ketten, jede zu
100 si. Metallwerth verehrte und überdies die übrigen Offiziere mit kleineren
Geschenken bedachte.*) Die ganze Affaire mag ihn immerhin etwa die Hälfte
der ursprünglich geforderten Summe gekostet haben. Da er aber mit einem
gewissen Humor sich in das Unvermeidliche zu fügen wußte, so ließ man es
auch von Seiten des Militärs nicht an Courtoisie fehlen und die Angelegen¬
heit wurde, so verdrießlich sie auch für ihn sein mochte, anscheinend in aller
Freundschaftlichkeit erledigt. Humor und Courtoisie waren freilich bei der¬
artigen Vorfällen nicht die Regel.

Für diesmal jedoch währte der Aufenthalt der katholischen Truppen nicht
lange genug, um im Allgemeinen sehr fühlbar zu werden. Schon Mitte April
war Gustav Adolf mit einem starken Heer bis in die nächste Nähe Augsburgs
vorgedrungen; an einen längeren Widerstand der Stadt war bei der schwachen
Besatzung und dem verwahrlosten Zustande der Befestigungswerke vernünftiger
Weise nicht zu denken, auf baldigen Entsatz konnte man nicht hoffen: daherkam
es rasch zu einem Vertrag. Der König gestattete der Garnison freien Abzug,



*) Hainhofer erzählt diesen Vorfall sehr weitläufig in seinem nicht uninteressanter
Diarium der schwedischen Okkupation, von dem das städtische Archiv zu Augsburg eine alte
Abschrift besitzt.
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[0368] Hans Rudolf von Bredow — beiläufig bemerkt einem guten märkischen Protestanten — unter die Augen und derselbe dekretirte sofort dem unvor¬ sichtigen Briefsteller eine Strafe von 2000 si., nebst einer Einquartierung von ein paar Offizieren und zehn Reitern, bis das Geld bezahlt sei. Hainhofer weigerte sich zu zahlen und die Einquartierung blieb in seinem Hause. Es wurden nun mehrere Tage hintereinander in seiner Wohnung und ans seine Kosten prächtige Gastmähler und Gelage veranstaltet. Einmal erschien der Herr Oberst von Bredow selbst dabei incognito, amüsirte sich vortrefflich und conversirte mit seinem unfreiwilligen Wirthe eine halbe Stunde aus Italienisch. Der Letztere scheint sich übrigens mit seinen ungebetenen Gästen ziemlich gut vertragen zu haben. Er zeigte und erklärte ihnen seine Kunst¬ kammer; sie nöthigten ihn oben an der Tafel zu sitzen und ernannten ihn zu ihrem Vater; seine Frau sowie seine beiden Töchter wurden ebenfalls zuge¬ zogen und erhielten die Würde einer Mutter, beziehungsweise von Schwestern. Hainhofer stellt selbst seinen Gästen, die übrigens, obschon sie an der Erstür¬ mung Magdeburg's theil genommen, seiner Angabe nach meist protestantisch waren, das Zeugniß aus, sie seien alle, abgesehen von der unangenehmen Ver¬ anlassung, die sie in sein Hans geführt, „wackere, rechtschaffene und fromme Cavallieri" gewesen. Ohne einen sehr betrüchlichten Aderlaß am Geldbeutel ging jedoch trotz alledem die Sache nicht ab. Man verglich sich nach längerem Feilschen am Ende dahin, daß Hainhofer dem Obersten zwei goldene Ketten, jede zu 100 si. Metallwerth verehrte und überdies die übrigen Offiziere mit kleineren Geschenken bedachte.*) Die ganze Affaire mag ihn immerhin etwa die Hälfte der ursprünglich geforderten Summe gekostet haben. Da er aber mit einem gewissen Humor sich in das Unvermeidliche zu fügen wußte, so ließ man es auch von Seiten des Militärs nicht an Courtoisie fehlen und die Angelegen¬ heit wurde, so verdrießlich sie auch für ihn sein mochte, anscheinend in aller Freundschaftlichkeit erledigt. Humor und Courtoisie waren freilich bei der¬ artigen Vorfällen nicht die Regel. Für diesmal jedoch währte der Aufenthalt der katholischen Truppen nicht lange genug, um im Allgemeinen sehr fühlbar zu werden. Schon Mitte April war Gustav Adolf mit einem starken Heer bis in die nächste Nähe Augsburgs vorgedrungen; an einen längeren Widerstand der Stadt war bei der schwachen Besatzung und dem verwahrlosten Zustande der Befestigungswerke vernünftiger Weise nicht zu denken, auf baldigen Entsatz konnte man nicht hoffen: daherkam es rasch zu einem Vertrag. Der König gestattete der Garnison freien Abzug, *) Hainhofer erzählt diesen Vorfall sehr weitläufig in seinem nicht uninteressanter Diarium der schwedischen Okkupation, von dem das städtische Archiv zu Augsburg eine alte Abschrift besitzt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/368>, abgerufen am 27.07.2024.