Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.kanzleramts nahm freilich für die Regierung tels Recht in Anspruch, die so Bei der dritten Berathung der Gewerbeordnungsnovelle entbrannte noch¬ kanzleramts nahm freilich für die Regierung tels Recht in Anspruch, die so Bei der dritten Berathung der Gewerbeordnungsnovelle entbrannte noch¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0360" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140181"/> <p xml:id="ID_1054" prev="#ID_1053"> kanzleramts nahm freilich für die Regierung tels Recht in Anspruch, die so<lb/> bewilligte Untersuchung auch auf das Monopol und eine annähernd den glei¬<lb/> chen Ertrag versprechende Fabrikatsteuer auszudehnen, von Seiten der National¬<lb/> liberalen sowohl, wie der Fortschrittspartei und des Centrums wurde indeß<lb/> nochmals aufs Nachdrücklichste der schlechtweg ablehnende Standpunkt gegen¬<lb/> über diesen beiden Arten der Nutzbarmachung des Tabaks betont. Will also<lb/> der Bundesrath dennoch die Erhebungen vorzugsweise in der Richtung auf das<lb/> Monopol anstellen, so wird er jedenfalls bei dem Reichstage in dessen gegen¬<lb/> wärtiger Zusammensetzung nicht zum Ziele kommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1055" next="#ID_1056"> Bei der dritten Berathung der Gewerbeordnungsnovelle entbrannte noch¬<lb/> mals der lebhafteste Kampf über die Frage der Sonntagsarbeit. Die Regierungs¬<lb/> vorlage hatte bekanntlich eine Fassung vorgeschlagen, nach welcher die Arbeiter<lb/> von den Gewerbetreibenden an Sonn- und Festtagen zum Arbeiten nicht ver¬<lb/> pflichtet werden dürfen, im Uebrigen aber in der freien Verfügung über ihre<lb/> Arbeitskraft nicht beschränkt werden. Dem gegenüber verlangten die Konser¬<lb/> vativen, die Ultramontanen und die Socialdemokraten ein vollständiges Verbot<lb/> der Sonntagsarbeit. In der zweiten Lesung war nun ein Compromißvorschlag<lb/> der Commission angenommen, nach welchen: die Arbeiter an Sonn- und Fest¬<lb/> tagen nicht allein zum Arbeiten nicht verpflichtet werden können, sondern auch<lb/> in Fabriken und bei Bauten überhaupt nicht beschäftigt werden dürfen. Die<lb/> geringe Majorität, mit welcher dieser Beschluß gefaßt war, gab den Anhängern<lb/> der Regierungsvorlage begründete Zuversicht, in der abermaligen Erörterung<lb/> der Frage durchzudringen. Ein demgemäß eingebrachter Antrag gelangte denn<lb/> auch, freilich nur mit einer Stimme Majorität, schließlich zur Annahme. Wenn kon¬<lb/> servative Blätter die eigenthümliche Erscheinung, daß die Regierung in dieser Frage<lb/> den Standpunkt der liberalen Parteien einnahm und zu den Forderungen der rechten<lb/> Seite des Hauses in Gegensatz trat, dahin erklärt haben, daß die Regierung<lb/> nur deshalb von dem vollständigen Verbot der Sonntagsarbeit abgesehen habe,<lb/> weil sie glaubte, dasselbe im Reichstage nicht durchsetzen zu können , so haben<lb/> die neuerdings vom Bundesrathstische abgegebenen Erklärungen die Grund¬<lb/> losigkeit dieser Behauptung dargethan. Danach ging die Regierung von der<lb/> vernünftigen Anschauung aus, daß die Frage der Sonntagsheiligung nicht<lb/> in der Gewerbeordnung zu regeln sei, daß überhaupt der sittlich religiöse Zweck<lb/> der Sonntagsheiligung nicht durch äußerliche Zwangsmittel erreicht werden<lb/> könne. Der Schutz, welchen der Staat dem Arbeiter hinsichtlich eines regel¬<lb/> mäßigen Ruhetages schuldet, wird durch die jetzt angenommene Bestimmung<lb/> vollauf geleistet; die Aufgabe, dem Arbeiter diesen Ruhetag zugleich zu einem<lb/> Tage innerer Erbauung zu machen, steht nicht dem Staate, sondern anderen<lb/> Factoren zu. — Eine interessante Episode in der Sonntagsdebatte bildeten die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0360]
kanzleramts nahm freilich für die Regierung tels Recht in Anspruch, die so
bewilligte Untersuchung auch auf das Monopol und eine annähernd den glei¬
chen Ertrag versprechende Fabrikatsteuer auszudehnen, von Seiten der National¬
liberalen sowohl, wie der Fortschrittspartei und des Centrums wurde indeß
nochmals aufs Nachdrücklichste der schlechtweg ablehnende Standpunkt gegen¬
über diesen beiden Arten der Nutzbarmachung des Tabaks betont. Will also
der Bundesrath dennoch die Erhebungen vorzugsweise in der Richtung auf das
Monopol anstellen, so wird er jedenfalls bei dem Reichstage in dessen gegen¬
wärtiger Zusammensetzung nicht zum Ziele kommen.
Bei der dritten Berathung der Gewerbeordnungsnovelle entbrannte noch¬
mals der lebhafteste Kampf über die Frage der Sonntagsarbeit. Die Regierungs¬
vorlage hatte bekanntlich eine Fassung vorgeschlagen, nach welcher die Arbeiter
von den Gewerbetreibenden an Sonn- und Festtagen zum Arbeiten nicht ver¬
pflichtet werden dürfen, im Uebrigen aber in der freien Verfügung über ihre
Arbeitskraft nicht beschränkt werden. Dem gegenüber verlangten die Konser¬
vativen, die Ultramontanen und die Socialdemokraten ein vollständiges Verbot
der Sonntagsarbeit. In der zweiten Lesung war nun ein Compromißvorschlag
der Commission angenommen, nach welchen: die Arbeiter an Sonn- und Fest¬
tagen nicht allein zum Arbeiten nicht verpflichtet werden können, sondern auch
in Fabriken und bei Bauten überhaupt nicht beschäftigt werden dürfen. Die
geringe Majorität, mit welcher dieser Beschluß gefaßt war, gab den Anhängern
der Regierungsvorlage begründete Zuversicht, in der abermaligen Erörterung
der Frage durchzudringen. Ein demgemäß eingebrachter Antrag gelangte denn
auch, freilich nur mit einer Stimme Majorität, schließlich zur Annahme. Wenn kon¬
servative Blätter die eigenthümliche Erscheinung, daß die Regierung in dieser Frage
den Standpunkt der liberalen Parteien einnahm und zu den Forderungen der rechten
Seite des Hauses in Gegensatz trat, dahin erklärt haben, daß die Regierung
nur deshalb von dem vollständigen Verbot der Sonntagsarbeit abgesehen habe,
weil sie glaubte, dasselbe im Reichstage nicht durchsetzen zu können , so haben
die neuerdings vom Bundesrathstische abgegebenen Erklärungen die Grund¬
losigkeit dieser Behauptung dargethan. Danach ging die Regierung von der
vernünftigen Anschauung aus, daß die Frage der Sonntagsheiligung nicht
in der Gewerbeordnung zu regeln sei, daß überhaupt der sittlich religiöse Zweck
der Sonntagsheiligung nicht durch äußerliche Zwangsmittel erreicht werden
könne. Der Schutz, welchen der Staat dem Arbeiter hinsichtlich eines regel¬
mäßigen Ruhetages schuldet, wird durch die jetzt angenommene Bestimmung
vollauf geleistet; die Aufgabe, dem Arbeiter diesen Ruhetag zugleich zu einem
Tage innerer Erbauung zu machen, steht nicht dem Staate, sondern anderen
Factoren zu. — Eine interessante Episode in der Sonntagsdebatte bildeten die
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