Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.altväterliches Käppchen ein, welches sie gar nicht kleidet; sie bemüht sich, eine Sozialistische KhroniK. Noch immer ist es eine wenig erquickliche Arbeit, die Spuren der sozial^ In den beiden letzten Monaten hat die staatssozialistische Agitation, deren altväterliches Käppchen ein, welches sie gar nicht kleidet; sie bemüht sich, eine Sozialistische KhroniK. Noch immer ist es eine wenig erquickliche Arbeit, die Spuren der sozial^ In den beiden letzten Monaten hat die staatssozialistische Agitation, deren <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0030" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139851"/> <p xml:id="ID_97" prev="#ID_96"> altväterliches Käppchen ein, welches sie gar nicht kleidet; sie bemüht sich, eine<lb/> verständige, erfahrene Miene anzunehmen, unter der ihre jugendliche Unbedachtsam-<lb/> keit gar zu leicht hervorleuchtet, und es wäre ein ewiges Spektakel, wenn diese junge<lb/> Frömmigkeitslehrerin noch wieder zu einer muntern Modeschönheit würde!"</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Sozialistische KhroniK.</head><lb/> <p xml:id="ID_98"> Noch immer ist es eine wenig erquickliche Arbeit, die Spuren der sozial^<lb/> demokratischen Bewegung in den Geleisen der Tagesgeschichte zu verfolgen.<lb/> Sie triefen von Leidenschaft, Thorheit, Unverstand und kreuzen sich in immer<lb/> hoffnungsloserer Verwirrung. Weiter und weiter von den Pfaden moderner<lb/> Bildung und Kultur tobt die wilde Jagd, aber fast in gleichem Grade schwillt<lb/> der Todtentanz an, den sie im Strudel einer gewissenlosen Demagogie nach<lb/> sich schleppt. Fast ist schon die Hälfte verflossen von jenem Triennium, das<lb/> uns am 10. Januar 1877 zur Besserung, Buße, Rene gegeben wurde, aber<lb/> leider ist noch kein Zweifel daran gestattet, daß die drohende Springflut immer<lb/> höher an den Wällen emporleckt, welche eine tausendjährige Kultur gegen das<lb/> moderne Barbarenthum schützen. Und welches Recht haben wir schließlich, die<lb/> Armen im Geiste zu tadeln, daß sie sich mit rückhaltlosen Fanatismus in<lb/> einen breit wallenden Strom werfen, welcher sie zu noch nie entdeckten Küsten<lb/> irdischer Glückseligkeit zu tragen verspricht, wenn wir einen Theil der berufenen<lb/> Wächter unserer nationalen Güter, Geistliche und selbst Gelehrte, ihre mit den<lb/> bunten Farben der Eitelkeit und Großmannssucht bewimpelten Schifflein den-<lb/> selben Wellen anvertrauen sehen? , Solch Schauspiel kann nur Deutschland<lb/> einer spottenden und staunenden Welt geben; dem Volke der Denker und<lb/> Dichter ist das trostlose Schicksal beschieden, bis zur Hefe den Taumelkelch<lb/> der großen Thorheit des neunzehnten Jahrhunderts zu leeren.</p><lb/> <p xml:id="ID_99" next="#ID_100"> In den beiden letzten Monaten hat die staatssozialistische Agitation, deren<lb/> Anhänger an dieser Stelle bereits geschildert sind, ihr Unwesen fortgesetzt.<lb/> Wohlgemerkt, um einen Irrthum auszuschließen, den geflissentlich zu nähren<lb/> die Wortführer dieser neuesten Demagogie sich die größte Mühe geben, gar<lb/> Niemand denkt daran, ihnen auch nur einen Strohhalm in den Weg zu legen,<lb/> wenn sie wissenschaftliche Probleme wissenschaftlich diskutiren wollen; diese<lb/> Absicht könnte nur durchaus mit Freuden begrüßt werden, denn nichts ist<lb/> nothwendiger und Wünschenswerther, als daß allseitig vollkommene Klarheit<lb/> über die Grundveste unserer wirthschaftlichen Ordnung herrscht; vertrüge sie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0030]
altväterliches Käppchen ein, welches sie gar nicht kleidet; sie bemüht sich, eine
verständige, erfahrene Miene anzunehmen, unter der ihre jugendliche Unbedachtsam-
keit gar zu leicht hervorleuchtet, und es wäre ein ewiges Spektakel, wenn diese junge
Frömmigkeitslehrerin noch wieder zu einer muntern Modeschönheit würde!"
Sozialistische KhroniK.
Noch immer ist es eine wenig erquickliche Arbeit, die Spuren der sozial^
demokratischen Bewegung in den Geleisen der Tagesgeschichte zu verfolgen.
Sie triefen von Leidenschaft, Thorheit, Unverstand und kreuzen sich in immer
hoffnungsloserer Verwirrung. Weiter und weiter von den Pfaden moderner
Bildung und Kultur tobt die wilde Jagd, aber fast in gleichem Grade schwillt
der Todtentanz an, den sie im Strudel einer gewissenlosen Demagogie nach
sich schleppt. Fast ist schon die Hälfte verflossen von jenem Triennium, das
uns am 10. Januar 1877 zur Besserung, Buße, Rene gegeben wurde, aber
leider ist noch kein Zweifel daran gestattet, daß die drohende Springflut immer
höher an den Wällen emporleckt, welche eine tausendjährige Kultur gegen das
moderne Barbarenthum schützen. Und welches Recht haben wir schließlich, die
Armen im Geiste zu tadeln, daß sie sich mit rückhaltlosen Fanatismus in
einen breit wallenden Strom werfen, welcher sie zu noch nie entdeckten Küsten
irdischer Glückseligkeit zu tragen verspricht, wenn wir einen Theil der berufenen
Wächter unserer nationalen Güter, Geistliche und selbst Gelehrte, ihre mit den
bunten Farben der Eitelkeit und Großmannssucht bewimpelten Schifflein den-
selben Wellen anvertrauen sehen? , Solch Schauspiel kann nur Deutschland
einer spottenden und staunenden Welt geben; dem Volke der Denker und
Dichter ist das trostlose Schicksal beschieden, bis zur Hefe den Taumelkelch
der großen Thorheit des neunzehnten Jahrhunderts zu leeren.
In den beiden letzten Monaten hat die staatssozialistische Agitation, deren
Anhänger an dieser Stelle bereits geschildert sind, ihr Unwesen fortgesetzt.
Wohlgemerkt, um einen Irrthum auszuschließen, den geflissentlich zu nähren
die Wortführer dieser neuesten Demagogie sich die größte Mühe geben, gar
Niemand denkt daran, ihnen auch nur einen Strohhalm in den Weg zu legen,
wenn sie wissenschaftliche Probleme wissenschaftlich diskutiren wollen; diese
Absicht könnte nur durchaus mit Freuden begrüßt werden, denn nichts ist
nothwendiger und Wünschenswerther, als daß allseitig vollkommene Klarheit
über die Grundveste unserer wirthschaftlichen Ordnung herrscht; vertrüge sie
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