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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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ein höherer Prozentsatz der Steuern legen, wie ans die schlechteren. Allein
auch diese Möglichkeit hat nur eine relative Bedeutung; nach dem unabänder¬
lichen Gesetze aller indirekten Steuern muß die Regie, wenn sie einen ordent¬
lichen Gewinn machen will, in erster Linie auf das Kraut der großen Masse
rechnen. Das französische Monopol bezieht über 90 Prozent seiner Gesammt-
einncchmen aus den Cigarren zu 4 Pfennigen unseres Geldes und dem ordi¬
närsten Rauch- und Schnupftabak. Der Aufschlag auf diese ordinären Sorten
beträgt in Frankreich bis zu 858 Prozent der Produktionskosten, während auf
die Gestehungskosten aller Regiefabrikate zusammen, wie erwähnt, nnr 430
Prozent Steuer aufgeschlagen sind. Diesen mehr oder minder glänzenden Vor¬
zügen des Monopols stehen, so weit zunächst unser öffentliches Leben in Be¬
tracht kommt, einige schwere Bedenken gegenüber. Ein ausgedehnter Schmuggel
ist unvermeidlich; vergebens hat man ihn in Frankreich mit der nach unsern
deutschen Begriffen schreienden Ungerechtigkeit zu bekämpfen gesucht, daß mau
in den Grenzzonen den Tabak zu billigeren Preisen abgab; man hat die De-
fraudation damit nur von der Grenze ins Innere des Landes verlegt. Ferner
bedarf das Monopol eines Beamtenheers vou mehreren Tausend Köpfen, das
naturgemäß nur kärglich besoldet werden könnte, in seiner Beschäftigung nichts
weniger wie ideale Anregungen finden und voraussichtlich unaufhaltsam in den
unter unserem Beamtenproletariat schon so stark anschwellenden Strom der
Sozialdemokratie gerissen werden würde; dazu kommt endlich, daß einige
hunderttausend Staatsbürger, alle Tabakspflauzer, Tabakshündler und Tabaks¬
arbeiter mit ihrem ganzen Dasein abhängig werden würden von dem Willen
der jeweiligen Regierung.

Was den Raucher anlangt, so verbürgt ihn das Monopol freilich die
Echtheit der Waare, ob aber auch in demselben Umfange ihre Güte und Preis¬
würdigkeit; lassen die Erfahrungen in den Monopolländeru einigermaßen zweifel¬
haft erscheinen. Unzweifelhaft aber ist, daß es immer nur denselben Tisch mit
denselben wenigen Gerichten deckt; eine rationell verwaltete Regie kann nur
wenige Sorten Tabak fabriziren. Heute mag ja mit den geradezu unzähl¬
baren Spezialitüten und Varietäten namentlich von Cigarren viel Hnmbug
getrieben werden, aber wenn sich das ganze Menu, wie in Frankreich, auf
31 Sorten Cigarren, 2? Sorten Cigarretten, 12 Sorten Schnupftabak, 9 Sorten
Pfeifentabak, 4 Sorten Kautabak und Karotten, endlich noch 11 Sorten Nauch-
und Schnupftabak für die Grenzbezirke, die Armee und die Hospitäler beschränkt,
so wird eine solche Aussicht gerade für die deutschen Raucher nicht eben ver¬
lockend sein.

Soweit stünden sich immer noch Licht- und Schattenseiten des Monopols
gegenüber; die Frage, wie sie sich gegen einander abwügen, ist durchaus dis-


ein höherer Prozentsatz der Steuern legen, wie ans die schlechteren. Allein
auch diese Möglichkeit hat nur eine relative Bedeutung; nach dem unabänder¬
lichen Gesetze aller indirekten Steuern muß die Regie, wenn sie einen ordent¬
lichen Gewinn machen will, in erster Linie auf das Kraut der großen Masse
rechnen. Das französische Monopol bezieht über 90 Prozent seiner Gesammt-
einncchmen aus den Cigarren zu 4 Pfennigen unseres Geldes und dem ordi¬
närsten Rauch- und Schnupftabak. Der Aufschlag auf diese ordinären Sorten
beträgt in Frankreich bis zu 858 Prozent der Produktionskosten, während auf
die Gestehungskosten aller Regiefabrikate zusammen, wie erwähnt, nnr 430
Prozent Steuer aufgeschlagen sind. Diesen mehr oder minder glänzenden Vor¬
zügen des Monopols stehen, so weit zunächst unser öffentliches Leben in Be¬
tracht kommt, einige schwere Bedenken gegenüber. Ein ausgedehnter Schmuggel
ist unvermeidlich; vergebens hat man ihn in Frankreich mit der nach unsern
deutschen Begriffen schreienden Ungerechtigkeit zu bekämpfen gesucht, daß mau
in den Grenzzonen den Tabak zu billigeren Preisen abgab; man hat die De-
fraudation damit nur von der Grenze ins Innere des Landes verlegt. Ferner
bedarf das Monopol eines Beamtenheers vou mehreren Tausend Köpfen, das
naturgemäß nur kärglich besoldet werden könnte, in seiner Beschäftigung nichts
weniger wie ideale Anregungen finden und voraussichtlich unaufhaltsam in den
unter unserem Beamtenproletariat schon so stark anschwellenden Strom der
Sozialdemokratie gerissen werden würde; dazu kommt endlich, daß einige
hunderttausend Staatsbürger, alle Tabakspflauzer, Tabakshündler und Tabaks¬
arbeiter mit ihrem ganzen Dasein abhängig werden würden von dem Willen
der jeweiligen Regierung.

Was den Raucher anlangt, so verbürgt ihn das Monopol freilich die
Echtheit der Waare, ob aber auch in demselben Umfange ihre Güte und Preis¬
würdigkeit; lassen die Erfahrungen in den Monopolländeru einigermaßen zweifel¬
haft erscheinen. Unzweifelhaft aber ist, daß es immer nur denselben Tisch mit
denselben wenigen Gerichten deckt; eine rationell verwaltete Regie kann nur
wenige Sorten Tabak fabriziren. Heute mag ja mit den geradezu unzähl¬
baren Spezialitüten und Varietäten namentlich von Cigarren viel Hnmbug
getrieben werden, aber wenn sich das ganze Menu, wie in Frankreich, auf
31 Sorten Cigarren, 2? Sorten Cigarretten, 12 Sorten Schnupftabak, 9 Sorten
Pfeifentabak, 4 Sorten Kautabak und Karotten, endlich noch 11 Sorten Nauch-
und Schnupftabak für die Grenzbezirke, die Armee und die Hospitäler beschränkt,
so wird eine solche Aussicht gerade für die deutschen Raucher nicht eben ver¬
lockend sein.

Soweit stünden sich immer noch Licht- und Schattenseiten des Monopols
gegenüber; die Frage, wie sie sich gegen einander abwügen, ist durchaus dis-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/299>, abgerufen am 27.07.2024.