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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Handel; das deutsche Reich steht heute in beiden Beziehungen an der Spitze
der großen europäischen Kulturstaaten. Drüben ist die Herrschaft des Mono¬
pols nur zeitweise dnrch die große Revolution unterbrochen worden; 1791
aufgehoben, wurde es schon 1810 durch Napoleon wieder eingeführt für einen
begrenzten Zeitraum, der dann ununterbrochen durch Gesetze verlängert worden
ist, zuletzt 1872 bis zum 1. Januar 1883.

Eins kann man einem deutschen Monopole von vornherein nicht abstreiten,
falls man anders die doch wohl selbstverständliche Voraussetzung macht, daß
es gegebenen Falls rationell eingeführt würde: einen hohen Reinertrag. Wenn
Moritz Mohl denselben freilich auf jährlich 553 Mill. Mk. oder doch mindestens so
hoch berechnet, daß der ganze außerordentliche und ordentliche Aufwand für
Heer und Flotte damit gedeckt werden könnte, so hat Camphausen im Reichs¬
tage diese Illusionen schon auf ein recht bescheidenes Maß zurückgeführt. Be¬
sonnenere Anhänger der Regie beziffern ihren Ertrag vorläufig auf etwa 100
Mill. Mark. Das wäre immerhin schon etwas oder selbst viel, allein auch
diese unbestrittene Lichtseite des Monopols ist nicht ohne gewisse Nebelflecke.
Das Monopol bedarf, wie gleichfalls Camphausen schon hervorhob, einer kost¬
spieligen und laugen Lehrzeit, ehe es glatt funktionirt; wir konnten uns gut
und gern auf ein Jahrzehnt vertrösten, ehe wir seine finanziellen Vortheile
genössen. Die Vertheuerung der Waare würde zu einer starken Verminderung
des Konsums führen, was sich zwar erfahrungsgemäß auszugleichen pflegt und
bei einem so leidenschaftlichen Nauchervolke, wie wir sind, gewiß ausgleichen
würde, aber doch nur allmählich und nach längerer Zeit. Auch würde die
Einführung des Monopols das Reich zunächst nur mit neuen Schulden be¬
lasten; um die vorhandenen Bestände an Tabak baar einzulösen, Reichstabak¬
fabriken zu bauen, der privaten Industrie eine wie karg immer bemessene Ent¬
schädigung zu gewähren ^c. würde die Aufnahme einer Reichstabaksanleihe
nothwendig sein, welche selbst Anhänger der Regie auf weit über 100 Mill.
Mark beziffern. Aber allerdings bietet das Monopol noch andere finanzielle
und stenerpolitische Vortheile. Es kann einen hohen Steuerfuß ertragen, --
in Frankreich beträgt er 430 Prozent der Produktionskosten -- ohne in ent¬
sprechendem Maße die Bevölkerung zu drücken; der bisher im Preise des
Tabaks vergütete, nach allen kompetenten Schätzungen überaus hohe Unter¬
nehmergewinn der Fabrikanten und Händler wäre eben ein erheblicher Theil
der Steuer. Ferner läßt sich dieser Steuerfnß ohne Weiteres je nach den
Bedürfnissen des Reichshanshalts höher oder niedriger schrauben, ein großer
Vorzug gewiß, der aber doch erst nach Sicherung verfassungsmäßiger Bürg¬
schaften schwer in die Wagschale fallen würde. Endlich gestattet das Monopol,
die Steuerfähigkeit der Raucher zu treffen; auf die besseren Tabake läßt sich


Handel; das deutsche Reich steht heute in beiden Beziehungen an der Spitze
der großen europäischen Kulturstaaten. Drüben ist die Herrschaft des Mono¬
pols nur zeitweise dnrch die große Revolution unterbrochen worden; 1791
aufgehoben, wurde es schon 1810 durch Napoleon wieder eingeführt für einen
begrenzten Zeitraum, der dann ununterbrochen durch Gesetze verlängert worden
ist, zuletzt 1872 bis zum 1. Januar 1883.

Eins kann man einem deutschen Monopole von vornherein nicht abstreiten,
falls man anders die doch wohl selbstverständliche Voraussetzung macht, daß
es gegebenen Falls rationell eingeführt würde: einen hohen Reinertrag. Wenn
Moritz Mohl denselben freilich auf jährlich 553 Mill. Mk. oder doch mindestens so
hoch berechnet, daß der ganze außerordentliche und ordentliche Aufwand für
Heer und Flotte damit gedeckt werden könnte, so hat Camphausen im Reichs¬
tage diese Illusionen schon auf ein recht bescheidenes Maß zurückgeführt. Be¬
sonnenere Anhänger der Regie beziffern ihren Ertrag vorläufig auf etwa 100
Mill. Mark. Das wäre immerhin schon etwas oder selbst viel, allein auch
diese unbestrittene Lichtseite des Monopols ist nicht ohne gewisse Nebelflecke.
Das Monopol bedarf, wie gleichfalls Camphausen schon hervorhob, einer kost¬
spieligen und laugen Lehrzeit, ehe es glatt funktionirt; wir konnten uns gut
und gern auf ein Jahrzehnt vertrösten, ehe wir seine finanziellen Vortheile
genössen. Die Vertheuerung der Waare würde zu einer starken Verminderung
des Konsums führen, was sich zwar erfahrungsgemäß auszugleichen pflegt und
bei einem so leidenschaftlichen Nauchervolke, wie wir sind, gewiß ausgleichen
würde, aber doch nur allmählich und nach längerer Zeit. Auch würde die
Einführung des Monopols das Reich zunächst nur mit neuen Schulden be¬
lasten; um die vorhandenen Bestände an Tabak baar einzulösen, Reichstabak¬
fabriken zu bauen, der privaten Industrie eine wie karg immer bemessene Ent¬
schädigung zu gewähren ^c. würde die Aufnahme einer Reichstabaksanleihe
nothwendig sein, welche selbst Anhänger der Regie auf weit über 100 Mill.
Mark beziffern. Aber allerdings bietet das Monopol noch andere finanzielle
und stenerpolitische Vortheile. Es kann einen hohen Steuerfuß ertragen, —
in Frankreich beträgt er 430 Prozent der Produktionskosten — ohne in ent¬
sprechendem Maße die Bevölkerung zu drücken; der bisher im Preise des
Tabaks vergütete, nach allen kompetenten Schätzungen überaus hohe Unter¬
nehmergewinn der Fabrikanten und Händler wäre eben ein erheblicher Theil
der Steuer. Ferner läßt sich dieser Steuerfnß ohne Weiteres je nach den
Bedürfnissen des Reichshanshalts höher oder niedriger schrauben, ein großer
Vorzug gewiß, der aber doch erst nach Sicherung verfassungsmäßiger Bürg¬
schaften schwer in die Wagschale fallen würde. Endlich gestattet das Monopol,
die Steuerfähigkeit der Raucher zu treffen; auf die besseren Tabake läßt sich


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[0298] Handel; das deutsche Reich steht heute in beiden Beziehungen an der Spitze der großen europäischen Kulturstaaten. Drüben ist die Herrschaft des Mono¬ pols nur zeitweise dnrch die große Revolution unterbrochen worden; 1791 aufgehoben, wurde es schon 1810 durch Napoleon wieder eingeführt für einen begrenzten Zeitraum, der dann ununterbrochen durch Gesetze verlängert worden ist, zuletzt 1872 bis zum 1. Januar 1883. Eins kann man einem deutschen Monopole von vornherein nicht abstreiten, falls man anders die doch wohl selbstverständliche Voraussetzung macht, daß es gegebenen Falls rationell eingeführt würde: einen hohen Reinertrag. Wenn Moritz Mohl denselben freilich auf jährlich 553 Mill. Mk. oder doch mindestens so hoch berechnet, daß der ganze außerordentliche und ordentliche Aufwand für Heer und Flotte damit gedeckt werden könnte, so hat Camphausen im Reichs¬ tage diese Illusionen schon auf ein recht bescheidenes Maß zurückgeführt. Be¬ sonnenere Anhänger der Regie beziffern ihren Ertrag vorläufig auf etwa 100 Mill. Mark. Das wäre immerhin schon etwas oder selbst viel, allein auch diese unbestrittene Lichtseite des Monopols ist nicht ohne gewisse Nebelflecke. Das Monopol bedarf, wie gleichfalls Camphausen schon hervorhob, einer kost¬ spieligen und laugen Lehrzeit, ehe es glatt funktionirt; wir konnten uns gut und gern auf ein Jahrzehnt vertrösten, ehe wir seine finanziellen Vortheile genössen. Die Vertheuerung der Waare würde zu einer starken Verminderung des Konsums führen, was sich zwar erfahrungsgemäß auszugleichen pflegt und bei einem so leidenschaftlichen Nauchervolke, wie wir sind, gewiß ausgleichen würde, aber doch nur allmählich und nach längerer Zeit. Auch würde die Einführung des Monopols das Reich zunächst nur mit neuen Schulden be¬ lasten; um die vorhandenen Bestände an Tabak baar einzulösen, Reichstabak¬ fabriken zu bauen, der privaten Industrie eine wie karg immer bemessene Ent¬ schädigung zu gewähren ^c. würde die Aufnahme einer Reichstabaksanleihe nothwendig sein, welche selbst Anhänger der Regie auf weit über 100 Mill. Mark beziffern. Aber allerdings bietet das Monopol noch andere finanzielle und stenerpolitische Vortheile. Es kann einen hohen Steuerfuß ertragen, — in Frankreich beträgt er 430 Prozent der Produktionskosten — ohne in ent¬ sprechendem Maße die Bevölkerung zu drücken; der bisher im Preise des Tabaks vergütete, nach allen kompetenten Schätzungen überaus hohe Unter¬ nehmergewinn der Fabrikanten und Händler wäre eben ein erheblicher Theil der Steuer. Ferner läßt sich dieser Steuerfnß ohne Weiteres je nach den Bedürfnissen des Reichshanshalts höher oder niedriger schrauben, ein großer Vorzug gewiß, der aber doch erst nach Sicherung verfassungsmäßiger Bürg¬ schaften schwer in die Wagschale fallen würde. Endlich gestattet das Monopol, die Steuerfähigkeit der Raucher zu treffen; auf die besseren Tabake läßt sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/298>, abgerufen am 01.09.2024.