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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Korruption zum Hinterpförtchen hinausjagen würde, um ihr bequem und breit
das Vorderthor zu öffnen.

Es ist denn auch weder die Flächen-, noch die Gewichts-, noch die Werth¬
steuer, welche den Tabak zu einer unerschöpflichen Quelle für den Staatshaus¬
halt aller großen Reiche eben mit Ausnahme Deutschlands gemacht Haben-
England, Nordamerika und Rußland, Frankreich und Italien und Oesterreich
haben eigen- und großartige Hebewerke erfunden, um die goldenen Schätze ans
Tageslicht zu fördern. Ihre Steuersysteme sollen nunmehr noch nach ihren
Licht- und Schattenseiten beleuchtet werden.

Unter den drei großen Tabaksstenersysteinen des Auslandes ist das eng¬
lische an sich ebenso einfach, wie unbrauchbar für das deutsche Reich. Man
muß Moritz Mohl darin Recht geben, daß kein Mensch daran denken könne,
es für uns zu empfehlen. Es besteht aus dem absoluten Verbote des Tabaks'
bancs im Innern des Landes und einem hohen Zolltarif für die Einfuhr aus¬
ländischen Tabaks; der Steuerfuß beträgt nicht weniger wie 420 Prozent vom
durchschnittlichen Werthe der Waare, 1876 wurden in England 433,571 Ztr.
Tabak eingeführt und mit 153,872,570 Mk. verzollt; übrigens basirt der Zoll
allein auf dem Gewicht ohne jede Rücksicht auf den Werth. Die brutale Ma߬
regel eines völligen Verbots der landwirtschaftlichen Tabakskultur fällt außer¬
halb des Horizonts deutscher Finanzpolitiker; selbst in England ist sie nur er¬
träglich, weil sie dort bereits vor zweihundert Jcchreu, und selbst damals nicht
ohne harten Widerstand durchgeführt wurde und weil allgemein bezweifelt
wird, daß Boden und Klima des Landes sich für den Tabaksbau eignen.
Hand in Hand mit diesem Systeme gehen einerseits riesige Defraudationen,
die Creizenach auf ungefähr 20 Prozent des tonsurirten Tabaks berechnet,
andererseits kolossale Verfälschungen der Waare, von denen man einen unge¬
fähren Begriff bekommt, wenn G. Mayr erzählt, daß er in London Cigarren
zum Preise von 20 Pfennigen unseres Geldes gekauft und noch in diesem
Kraute feingehobeltes Holz eingewickelt gefunden hat. Selbst die insulare Lage,
des Landes und strenge Vorsichtsmaßregeln, wie beispielsweise die Bestimmung
daß keine Tabaksfabrik näher als sieben Meilen an der Küste gelegen sein
darf, können den Schmuggel auch nur einigermaßen im Zaume halten. Beide
Ursachen erklären, weshalb in England Rauchtabake vielfach zu Preisen ver¬
kauft werden, die geringer sind, wie der Einfuhrzoll auf Tabaksblätter, die
doch eben nur unter Verzollung aus dem Auslande bezogen werden dürfen;
entweder Defraudation oder Verfälschung muß dabei im Spiele sein.

Wenn dieses Zollsystem als eine mehr oder minder berechtigte Eigenthüm¬
lichkeit des britischen Reichs zu betrachten ist, welche keine Analogien für an¬
dere Staaten gestattet, so liegt die Sache freilich ganz anders bei dem Monopol,


Korruption zum Hinterpförtchen hinausjagen würde, um ihr bequem und breit
das Vorderthor zu öffnen.

Es ist denn auch weder die Flächen-, noch die Gewichts-, noch die Werth¬
steuer, welche den Tabak zu einer unerschöpflichen Quelle für den Staatshaus¬
halt aller großen Reiche eben mit Ausnahme Deutschlands gemacht Haben-
England, Nordamerika und Rußland, Frankreich und Italien und Oesterreich
haben eigen- und großartige Hebewerke erfunden, um die goldenen Schätze ans
Tageslicht zu fördern. Ihre Steuersysteme sollen nunmehr noch nach ihren
Licht- und Schattenseiten beleuchtet werden.

Unter den drei großen Tabaksstenersysteinen des Auslandes ist das eng¬
lische an sich ebenso einfach, wie unbrauchbar für das deutsche Reich. Man
muß Moritz Mohl darin Recht geben, daß kein Mensch daran denken könne,
es für uns zu empfehlen. Es besteht aus dem absoluten Verbote des Tabaks'
bancs im Innern des Landes und einem hohen Zolltarif für die Einfuhr aus¬
ländischen Tabaks; der Steuerfuß beträgt nicht weniger wie 420 Prozent vom
durchschnittlichen Werthe der Waare, 1876 wurden in England 433,571 Ztr.
Tabak eingeführt und mit 153,872,570 Mk. verzollt; übrigens basirt der Zoll
allein auf dem Gewicht ohne jede Rücksicht auf den Werth. Die brutale Ma߬
regel eines völligen Verbots der landwirtschaftlichen Tabakskultur fällt außer¬
halb des Horizonts deutscher Finanzpolitiker; selbst in England ist sie nur er¬
träglich, weil sie dort bereits vor zweihundert Jcchreu, und selbst damals nicht
ohne harten Widerstand durchgeführt wurde und weil allgemein bezweifelt
wird, daß Boden und Klima des Landes sich für den Tabaksbau eignen.
Hand in Hand mit diesem Systeme gehen einerseits riesige Defraudationen,
die Creizenach auf ungefähr 20 Prozent des tonsurirten Tabaks berechnet,
andererseits kolossale Verfälschungen der Waare, von denen man einen unge¬
fähren Begriff bekommt, wenn G. Mayr erzählt, daß er in London Cigarren
zum Preise von 20 Pfennigen unseres Geldes gekauft und noch in diesem
Kraute feingehobeltes Holz eingewickelt gefunden hat. Selbst die insulare Lage,
des Landes und strenge Vorsichtsmaßregeln, wie beispielsweise die Bestimmung
daß keine Tabaksfabrik näher als sieben Meilen an der Küste gelegen sein
darf, können den Schmuggel auch nur einigermaßen im Zaume halten. Beide
Ursachen erklären, weshalb in England Rauchtabake vielfach zu Preisen ver¬
kauft werden, die geringer sind, wie der Einfuhrzoll auf Tabaksblätter, die
doch eben nur unter Verzollung aus dem Auslande bezogen werden dürfen;
entweder Defraudation oder Verfälschung muß dabei im Spiele sein.

Wenn dieses Zollsystem als eine mehr oder minder berechtigte Eigenthüm¬
lichkeit des britischen Reichs zu betrachten ist, welche keine Analogien für an¬
dere Staaten gestattet, so liegt die Sache freilich ganz anders bei dem Monopol,


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[0296] Korruption zum Hinterpförtchen hinausjagen würde, um ihr bequem und breit das Vorderthor zu öffnen. Es ist denn auch weder die Flächen-, noch die Gewichts-, noch die Werth¬ steuer, welche den Tabak zu einer unerschöpflichen Quelle für den Staatshaus¬ halt aller großen Reiche eben mit Ausnahme Deutschlands gemacht Haben- England, Nordamerika und Rußland, Frankreich und Italien und Oesterreich haben eigen- und großartige Hebewerke erfunden, um die goldenen Schätze ans Tageslicht zu fördern. Ihre Steuersysteme sollen nunmehr noch nach ihren Licht- und Schattenseiten beleuchtet werden. Unter den drei großen Tabaksstenersysteinen des Auslandes ist das eng¬ lische an sich ebenso einfach, wie unbrauchbar für das deutsche Reich. Man muß Moritz Mohl darin Recht geben, daß kein Mensch daran denken könne, es für uns zu empfehlen. Es besteht aus dem absoluten Verbote des Tabaks' bancs im Innern des Landes und einem hohen Zolltarif für die Einfuhr aus¬ ländischen Tabaks; der Steuerfuß beträgt nicht weniger wie 420 Prozent vom durchschnittlichen Werthe der Waare, 1876 wurden in England 433,571 Ztr. Tabak eingeführt und mit 153,872,570 Mk. verzollt; übrigens basirt der Zoll allein auf dem Gewicht ohne jede Rücksicht auf den Werth. Die brutale Ma߬ regel eines völligen Verbots der landwirtschaftlichen Tabakskultur fällt außer¬ halb des Horizonts deutscher Finanzpolitiker; selbst in England ist sie nur er¬ träglich, weil sie dort bereits vor zweihundert Jcchreu, und selbst damals nicht ohne harten Widerstand durchgeführt wurde und weil allgemein bezweifelt wird, daß Boden und Klima des Landes sich für den Tabaksbau eignen. Hand in Hand mit diesem Systeme gehen einerseits riesige Defraudationen, die Creizenach auf ungefähr 20 Prozent des tonsurirten Tabaks berechnet, andererseits kolossale Verfälschungen der Waare, von denen man einen unge¬ fähren Begriff bekommt, wenn G. Mayr erzählt, daß er in London Cigarren zum Preise von 20 Pfennigen unseres Geldes gekauft und noch in diesem Kraute feingehobeltes Holz eingewickelt gefunden hat. Selbst die insulare Lage, des Landes und strenge Vorsichtsmaßregeln, wie beispielsweise die Bestimmung daß keine Tabaksfabrik näher als sieben Meilen an der Küste gelegen sein darf, können den Schmuggel auch nur einigermaßen im Zaume halten. Beide Ursachen erklären, weshalb in England Rauchtabake vielfach zu Preisen ver¬ kauft werden, die geringer sind, wie der Einfuhrzoll auf Tabaksblätter, die doch eben nur unter Verzollung aus dem Auslande bezogen werden dürfen; entweder Defraudation oder Verfälschung muß dabei im Spiele sein. Wenn dieses Zollsystem als eine mehr oder minder berechtigte Eigenthüm¬ lichkeit des britischen Reichs zu betrachten ist, welche keine Analogien für an¬ dere Staaten gestattet, so liegt die Sache freilich ganz anders bei dem Monopol,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/296>, abgerufen am 27.07.2024.