Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Kleinbesitze ins Proletariat hinabgestoßen werden sollen oder nicht, ganz
abgesehen noch von dem gleich verhängnißvollen Rückschlag auf die kleine In¬
dustrie der Tabaksfabrikation. Demnach ist es nicht zu verwundern, daß der
Vorschlag der Regierung in allen Parteien auf gleichmäßigen Widerstand stieß;
rationell läßt sich die Gewichtssteuer kaum anders wie als Uebergangsmaßregel
vertheidigen und auch dann nur durch den macchiavellistischen Gesichtspunkt,
daß sie mit unzähligen, kleinen Existenzen tÄvrÜH rasa gemacht hat, wenn es
sich um die Entschädigungsfrage bei Durchführung des Monopols handelt.

Wenn die Flächensteuer verwerflich ist, weil sie weder Beschaffenheit noch
Menge der Ernte berücksichtigt, und die Gewichtssteuer nur einseitig die Menge
ins Auge faßt, so ergiebt sich mit logischem Zwange eine beide Momente er¬
fassende Abgabe als die idealste und gerechteste Tabakssteuer. Und diesen
Ruhm kann man der Werthsteuer nicht absprechen; nur sie trifft die Steuer¬
fähigkeit des Konsumenten und sie hat den Vortheil, daß man den Prozentsatz
der Werthabgaben je nach den Bedürfnissen der Reichskasse etwas höher oder
niedriger normiren kann. Sie hat bis zum Sezessivnskriege in den Vereinigten
Staaten bestände" und wie Schleiden bezeugt, der damals als hanseatischer
Ministerresident in Washington lebte, vortrefflich funktionirt. Auch Georg Hirth
gehört seit langen Jahren zu ihren beredten Vorkämpfern. Ferner hat die
sächsische Regierung schon vor fünf Jahren in den damaligen offiziellen Be¬
rathungen über die Tabakssteuerreform ihre Einführung angeregt; Geheimer
Rath Wahl schlug eine Werthverzollung wenigstens des ausländischen Tabaks
um hundert Prozent vor und verhieß davon eine Einnahme von rund 50
Mill. Mark. Genuß ist die Tabakswerthsteuer ein Ziel aufs Innigste zu
wünschen; es kaun sozialdemokratische Anwandlungen erregen und ist mindestens
ein arges Attentat auf die ^stitia äistrirmtivs., wenn der Dienstmann und
Tagelöhner von ihrem elenden Knaster dreimal so viel Steuer entrichten müssen,
wie der Banquier und Gutsbesitzer, die dreimal weniger, aber zehnmal besser
und theurer rauchen. Allein es geht der Tabakswerthsteuer, wie allen idealen
Steuern; sie ist entweder äußerst schwer oder gar uicht durchzuführen. Jenes
sagen alle, dieses die meisten Autoritäten. Sie gestattet keine wirksame Kon-
trole und öffnet groben Unterschleifen Thür und Thor, weil sich der Werth
der Waare meist uicht äußerlich erkennen läßt. Alle ehrlichen Fabrikanten und
Händler müßten vor gewissenlosen Konkurrenten die Segel streifen. Bisher ist
nur ein Schutzmittel dagegen entdeckt: nämlich die Produzenten und Impor¬
teure an Eidesstatt die Uebereinstimmung der Faktura-Werthdeklarationen mit
den wirklichen Verkaufs-- resp. Einkaufspreisen bescheinige" zu lassen. Allein
es leuchtet ein, daß dies Mittel trotz exemplarischer Strafandrohungen die


dem Kleinbesitze ins Proletariat hinabgestoßen werden sollen oder nicht, ganz
abgesehen noch von dem gleich verhängnißvollen Rückschlag auf die kleine In¬
dustrie der Tabaksfabrikation. Demnach ist es nicht zu verwundern, daß der
Vorschlag der Regierung in allen Parteien auf gleichmäßigen Widerstand stieß;
rationell läßt sich die Gewichtssteuer kaum anders wie als Uebergangsmaßregel
vertheidigen und auch dann nur durch den macchiavellistischen Gesichtspunkt,
daß sie mit unzähligen, kleinen Existenzen tÄvrÜH rasa gemacht hat, wenn es
sich um die Entschädigungsfrage bei Durchführung des Monopols handelt.

Wenn die Flächensteuer verwerflich ist, weil sie weder Beschaffenheit noch
Menge der Ernte berücksichtigt, und die Gewichtssteuer nur einseitig die Menge
ins Auge faßt, so ergiebt sich mit logischem Zwange eine beide Momente er¬
fassende Abgabe als die idealste und gerechteste Tabakssteuer. Und diesen
Ruhm kann man der Werthsteuer nicht absprechen; nur sie trifft die Steuer¬
fähigkeit des Konsumenten und sie hat den Vortheil, daß man den Prozentsatz
der Werthabgaben je nach den Bedürfnissen der Reichskasse etwas höher oder
niedriger normiren kann. Sie hat bis zum Sezessivnskriege in den Vereinigten
Staaten bestände» und wie Schleiden bezeugt, der damals als hanseatischer
Ministerresident in Washington lebte, vortrefflich funktionirt. Auch Georg Hirth
gehört seit langen Jahren zu ihren beredten Vorkämpfern. Ferner hat die
sächsische Regierung schon vor fünf Jahren in den damaligen offiziellen Be¬
rathungen über die Tabakssteuerreform ihre Einführung angeregt; Geheimer
Rath Wahl schlug eine Werthverzollung wenigstens des ausländischen Tabaks
um hundert Prozent vor und verhieß davon eine Einnahme von rund 50
Mill. Mark. Genuß ist die Tabakswerthsteuer ein Ziel aufs Innigste zu
wünschen; es kaun sozialdemokratische Anwandlungen erregen und ist mindestens
ein arges Attentat auf die ^stitia äistrirmtivs., wenn der Dienstmann und
Tagelöhner von ihrem elenden Knaster dreimal so viel Steuer entrichten müssen,
wie der Banquier und Gutsbesitzer, die dreimal weniger, aber zehnmal besser
und theurer rauchen. Allein es geht der Tabakswerthsteuer, wie allen idealen
Steuern; sie ist entweder äußerst schwer oder gar uicht durchzuführen. Jenes
sagen alle, dieses die meisten Autoritäten. Sie gestattet keine wirksame Kon-
trole und öffnet groben Unterschleifen Thür und Thor, weil sich der Werth
der Waare meist uicht äußerlich erkennen läßt. Alle ehrlichen Fabrikanten und
Händler müßten vor gewissenlosen Konkurrenten die Segel streifen. Bisher ist
nur ein Schutzmittel dagegen entdeckt: nämlich die Produzenten und Impor¬
teure an Eidesstatt die Uebereinstimmung der Faktura-Werthdeklarationen mit
den wirklichen Verkaufs-- resp. Einkaufspreisen bescheinige» zu lassen. Allein
es leuchtet ein, daß dies Mittel trotz exemplarischer Strafandrohungen die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0295" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140116"/>
          <p xml:id="ID_881" prev="#ID_880"> dem Kleinbesitze ins Proletariat hinabgestoßen werden sollen oder nicht, ganz<lb/>
abgesehen noch von dem gleich verhängnißvollen Rückschlag auf die kleine In¬<lb/>
dustrie der Tabaksfabrikation. Demnach ist es nicht zu verwundern, daß der<lb/>
Vorschlag der Regierung in allen Parteien auf gleichmäßigen Widerstand stieß;<lb/>
rationell läßt sich die Gewichtssteuer kaum anders wie als Uebergangsmaßregel<lb/>
vertheidigen und auch dann nur durch den macchiavellistischen Gesichtspunkt,<lb/>
daß sie mit unzähligen, kleinen Existenzen tÄvrÜH rasa gemacht hat, wenn es<lb/>
sich um die Entschädigungsfrage bei Durchführung des Monopols handelt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_882" next="#ID_883"> Wenn die Flächensteuer verwerflich ist, weil sie weder Beschaffenheit noch<lb/>
Menge der Ernte berücksichtigt, und die Gewichtssteuer nur einseitig die Menge<lb/>
ins Auge faßt, so ergiebt sich mit logischem Zwange eine beide Momente er¬<lb/>
fassende Abgabe als die idealste und gerechteste Tabakssteuer. Und diesen<lb/>
Ruhm kann man der Werthsteuer nicht absprechen; nur sie trifft die Steuer¬<lb/>
fähigkeit des Konsumenten und sie hat den Vortheil, daß man den Prozentsatz<lb/>
der Werthabgaben je nach den Bedürfnissen der Reichskasse etwas höher oder<lb/>
niedriger normiren kann. Sie hat bis zum Sezessivnskriege in den Vereinigten<lb/>
Staaten bestände» und wie Schleiden bezeugt, der damals als hanseatischer<lb/>
Ministerresident in Washington lebte, vortrefflich funktionirt. Auch Georg Hirth<lb/>
gehört seit langen Jahren zu ihren beredten Vorkämpfern. Ferner hat die<lb/>
sächsische Regierung schon vor fünf Jahren in den damaligen offiziellen Be¬<lb/>
rathungen über die Tabakssteuerreform ihre Einführung angeregt; Geheimer<lb/>
Rath Wahl schlug eine Werthverzollung wenigstens des ausländischen Tabaks<lb/>
um hundert Prozent vor und verhieß davon eine Einnahme von rund 50<lb/>
Mill. Mark. Genuß ist die Tabakswerthsteuer ein Ziel aufs Innigste zu<lb/>
wünschen; es kaun sozialdemokratische Anwandlungen erregen und ist mindestens<lb/>
ein arges Attentat auf die ^stitia äistrirmtivs., wenn der Dienstmann und<lb/>
Tagelöhner von ihrem elenden Knaster dreimal so viel Steuer entrichten müssen,<lb/>
wie der Banquier und Gutsbesitzer, die dreimal weniger, aber zehnmal besser<lb/>
und theurer rauchen. Allein es geht der Tabakswerthsteuer, wie allen idealen<lb/>
Steuern; sie ist entweder äußerst schwer oder gar uicht durchzuführen. Jenes<lb/>
sagen alle, dieses die meisten Autoritäten. Sie gestattet keine wirksame Kon-<lb/>
trole und öffnet groben Unterschleifen Thür und Thor, weil sich der Werth<lb/>
der Waare meist uicht äußerlich erkennen läßt. Alle ehrlichen Fabrikanten und<lb/>
Händler müßten vor gewissenlosen Konkurrenten die Segel streifen. Bisher ist<lb/>
nur ein Schutzmittel dagegen entdeckt: nämlich die Produzenten und Impor¬<lb/>
teure an Eidesstatt die Uebereinstimmung der Faktura-Werthdeklarationen mit<lb/>
den wirklichen Verkaufs-- resp. Einkaufspreisen bescheinige» zu lassen. Allein<lb/>
es leuchtet ein, daß dies Mittel trotz exemplarischer Strafandrohungen die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0295] dem Kleinbesitze ins Proletariat hinabgestoßen werden sollen oder nicht, ganz abgesehen noch von dem gleich verhängnißvollen Rückschlag auf die kleine In¬ dustrie der Tabaksfabrikation. Demnach ist es nicht zu verwundern, daß der Vorschlag der Regierung in allen Parteien auf gleichmäßigen Widerstand stieß; rationell läßt sich die Gewichtssteuer kaum anders wie als Uebergangsmaßregel vertheidigen und auch dann nur durch den macchiavellistischen Gesichtspunkt, daß sie mit unzähligen, kleinen Existenzen tÄvrÜH rasa gemacht hat, wenn es sich um die Entschädigungsfrage bei Durchführung des Monopols handelt. Wenn die Flächensteuer verwerflich ist, weil sie weder Beschaffenheit noch Menge der Ernte berücksichtigt, und die Gewichtssteuer nur einseitig die Menge ins Auge faßt, so ergiebt sich mit logischem Zwange eine beide Momente er¬ fassende Abgabe als die idealste und gerechteste Tabakssteuer. Und diesen Ruhm kann man der Werthsteuer nicht absprechen; nur sie trifft die Steuer¬ fähigkeit des Konsumenten und sie hat den Vortheil, daß man den Prozentsatz der Werthabgaben je nach den Bedürfnissen der Reichskasse etwas höher oder niedriger normiren kann. Sie hat bis zum Sezessivnskriege in den Vereinigten Staaten bestände» und wie Schleiden bezeugt, der damals als hanseatischer Ministerresident in Washington lebte, vortrefflich funktionirt. Auch Georg Hirth gehört seit langen Jahren zu ihren beredten Vorkämpfern. Ferner hat die sächsische Regierung schon vor fünf Jahren in den damaligen offiziellen Be¬ rathungen über die Tabakssteuerreform ihre Einführung angeregt; Geheimer Rath Wahl schlug eine Werthverzollung wenigstens des ausländischen Tabaks um hundert Prozent vor und verhieß davon eine Einnahme von rund 50 Mill. Mark. Genuß ist die Tabakswerthsteuer ein Ziel aufs Innigste zu wünschen; es kaun sozialdemokratische Anwandlungen erregen und ist mindestens ein arges Attentat auf die ^stitia äistrirmtivs., wenn der Dienstmann und Tagelöhner von ihrem elenden Knaster dreimal so viel Steuer entrichten müssen, wie der Banquier und Gutsbesitzer, die dreimal weniger, aber zehnmal besser und theurer rauchen. Allein es geht der Tabakswerthsteuer, wie allen idealen Steuern; sie ist entweder äußerst schwer oder gar uicht durchzuführen. Jenes sagen alle, dieses die meisten Autoritäten. Sie gestattet keine wirksame Kon- trole und öffnet groben Unterschleifen Thür und Thor, weil sich der Werth der Waare meist uicht äußerlich erkennen läßt. Alle ehrlichen Fabrikanten und Händler müßten vor gewissenlosen Konkurrenten die Segel streifen. Bisher ist nur ein Schutzmittel dagegen entdeckt: nämlich die Produzenten und Impor¬ teure an Eidesstatt die Uebereinstimmung der Faktura-Werthdeklarationen mit den wirklichen Verkaufs-- resp. Einkaufspreisen bescheinige» zu lassen. Allein es leuchtet ein, daß dies Mittel trotz exemplarischer Strafandrohungen die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/295
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/295>, abgerufen am 01.09.2024.