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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Einwendungen enthielt, so geschah es jedenfalls aus persönlichen Rücksichten
gegen Ludwig XV. Wie jedoch Friedrich eine derartige Auffassung des mili¬
tärischen Dienstes beurtheilte und daß ihn solch' Verfahren persönlich tief ver¬
letzte, bedarf wohl keiner weiteren Auseinandersetzung. Chasot erhielt kurzweg
den "schlichten" Abschied.

Zwei Jahre später finden wir Chasot als Bürger der freien Reichsstadt
Lübeck, vor dessen Thoren er sich ein kleines Anwesen kaufte. Im Jahre 1759
wurde er vom Senat zum Stadtkommandanten erwählt, später erhielt er von
Friedrich "V. von Dänemark den Titel eines Generallieutenants und die Grün¬
dung einer Familie vollendete sein Glück. Um die Neugierde des Lesers zu
befriedigen, wie der edle Ritter aus der Normandie dazu kam, gerade in Lübeck
eine neue Heimath zu suchen, wie er so schnell das Vertrauen seiner Mitbürger
erwarb und wie ihm das Glück eine junge schöne Italienerin ins Hans führte,
müssen wir ihn an Herrn von Schlözer verweisen. Gerade dieser Theil des
Buches, wenn er auch keine welthistorischen Ereignisse behandelt, enthält viel
des Interessanten.

Was nun das Verhältniß des Kommandanten von Lübeck zu seinem frü¬
heren Kriegsherrn anbetrifft, so hatte ihm Friedrich auf seine wiederholten Ge¬
suche bereits im Jahre 1755 eine Audienz gewährt, wodurch wenigstens
äußerlich ein gutes Einvernehmen wieder hergestellt worden war. Eine
weitere Annäherung fand seit 1769 statt, wenigstens finden wir sie beide
wieder in Briefwechsel, und als Chasot 1761 einen jungen Chevalier als ersten
Zuwachs seiner Familie erwartete, bot er diesen, allerdings etwas voreilig,
dem Könige als künftigen Rekruten an. Friedrich erhielt den Brief im Haupt¬
quartier zu Meißen und erwiderte darauf unter dem 6. April: "Mein lieber
Chasot, ich nehme den Rekruten sehr gerne an und werde bei dem zu erwar¬
tenden Kinde Pathenstelle vertreten, vorausgesetzt, daß es ein Junge sein wird."
Zwei Monate später traf der Erwartete ein und erhielt die Namen Friedrich
Ulrich. '

Dieser Rekrut, dem nach nicht allzulanger Zeit ein zweiter folgte, war
die Veranlassung, daß Chasot achtzehn Jahre später nach Potsdam reiste, um
die Einstellung beider Sohne in die preußische Armee beim Könige direkt zu
erwirken. Am 7. Dezember traf er dort ein und ward schon am folgenden
Tage zur Tafel befohlen. Nach einer Trennung von fast fünfundzwanzig
Jahren sahen sich die beiden Freunde wieder. Um den König war es einsam
geworden. Chasot war der letzte von der Rheinsberger Tafelrunde. Die Art
und Weise, wie er sich von seinem königlichen Freunde losgesagt hatte, war
für diesen sicher in einem hohen Grade verletzend gewesen. War auch ein
Menschenalter darüber hingegangen, immerhin spricht es für das Herz und


Einwendungen enthielt, so geschah es jedenfalls aus persönlichen Rücksichten
gegen Ludwig XV. Wie jedoch Friedrich eine derartige Auffassung des mili¬
tärischen Dienstes beurtheilte und daß ihn solch' Verfahren persönlich tief ver¬
letzte, bedarf wohl keiner weiteren Auseinandersetzung. Chasot erhielt kurzweg
den „schlichten" Abschied.

Zwei Jahre später finden wir Chasot als Bürger der freien Reichsstadt
Lübeck, vor dessen Thoren er sich ein kleines Anwesen kaufte. Im Jahre 1759
wurde er vom Senat zum Stadtkommandanten erwählt, später erhielt er von
Friedrich "V. von Dänemark den Titel eines Generallieutenants und die Grün¬
dung einer Familie vollendete sein Glück. Um die Neugierde des Lesers zu
befriedigen, wie der edle Ritter aus der Normandie dazu kam, gerade in Lübeck
eine neue Heimath zu suchen, wie er so schnell das Vertrauen seiner Mitbürger
erwarb und wie ihm das Glück eine junge schöne Italienerin ins Hans führte,
müssen wir ihn an Herrn von Schlözer verweisen. Gerade dieser Theil des
Buches, wenn er auch keine welthistorischen Ereignisse behandelt, enthält viel
des Interessanten.

Was nun das Verhältniß des Kommandanten von Lübeck zu seinem frü¬
heren Kriegsherrn anbetrifft, so hatte ihm Friedrich auf seine wiederholten Ge¬
suche bereits im Jahre 1755 eine Audienz gewährt, wodurch wenigstens
äußerlich ein gutes Einvernehmen wieder hergestellt worden war. Eine
weitere Annäherung fand seit 1769 statt, wenigstens finden wir sie beide
wieder in Briefwechsel, und als Chasot 1761 einen jungen Chevalier als ersten
Zuwachs seiner Familie erwartete, bot er diesen, allerdings etwas voreilig,
dem Könige als künftigen Rekruten an. Friedrich erhielt den Brief im Haupt¬
quartier zu Meißen und erwiderte darauf unter dem 6. April: „Mein lieber
Chasot, ich nehme den Rekruten sehr gerne an und werde bei dem zu erwar¬
tenden Kinde Pathenstelle vertreten, vorausgesetzt, daß es ein Junge sein wird."
Zwei Monate später traf der Erwartete ein und erhielt die Namen Friedrich
Ulrich. '

Dieser Rekrut, dem nach nicht allzulanger Zeit ein zweiter folgte, war
die Veranlassung, daß Chasot achtzehn Jahre später nach Potsdam reiste, um
die Einstellung beider Sohne in die preußische Armee beim Könige direkt zu
erwirken. Am 7. Dezember traf er dort ein und ward schon am folgenden
Tage zur Tafel befohlen. Nach einer Trennung von fast fünfundzwanzig
Jahren sahen sich die beiden Freunde wieder. Um den König war es einsam
geworden. Chasot war der letzte von der Rheinsberger Tafelrunde. Die Art
und Weise, wie er sich von seinem königlichen Freunde losgesagt hatte, war
für diesen sicher in einem hohen Grade verletzend gewesen. War auch ein
Menschenalter darüber hingegangen, immerhin spricht es für das Herz und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/282>, abgerufen am 27.07.2024.