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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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"Anerkennung des Königs und seiner Dynastie unter der Bedingung,
daß sie christlich regieren." -- Wir kennen die Lehre Cnrci's und der
Kirche über die Quellen der fürstliche" Autorität und über die höchste Kom¬
petenz in Sachen der Religion. Nur die Kirche kann danach entscheiden, ob
ein König christlich regiert oder nicht. Der König steht also fortan in jeder
seiner Regierungshandlungen unter dem Richterspruch der kirchlichen Autorität.
Findet sie Unchristliches an ihm, so büßt er seine Anerkennung ein. Das
mittelalterliche Lossprechen aller Unterthanen von der Pflicht des Gehorsams
gegen ihn ist die nothwendige Konsequenz davon; ein neues Canossa wäre gar
uicht zu vermeiden.

"Anerkennung des Statuts Karl Albert's, in welchen: jedoch der Artikel
Eins.... die Norm wird..... zur Modifikation des Uebrigen." -- Ein
neuer kaum genug zu würdigender Beweis von dem, was ein Jesuit unter
dem Worte "Anerkennung" verstehen kann! Ich bedaure, daß der Raum mir
verbietet zur Verdeutlichung der maßlosen -- Naivetät dieser Forderung das
ganze Statut hierherzusetzen. Es ließe sich zeigen, daß nach jener Norm
Artikel für Artikel fallen und die ganze Verfassung nach Geist und Worten in
das Gegentheil verkehrt werden müßte. Und das nennt der Jesuitenpater
"Anerkennung"! Der erste Artikel der Verfassung Karl Albert's lautet voll¬
ständig: "Die katholische, apostolische und.römische Religion ist die alleinige
Religion des Staates. Die andern Kutte, welche gegenwärtig existiren, sind
geduldet nach Maßgabe der Gesetze." Die Gesetzgebung Italiens hat dafür
gesorgt, daß die Bekemmng und Ausübung aller Kulte ohne Unterschied
eine gleichmüßig freie ist und daß der Unterschied des Glaubensbekenntnisses
keinerlei Hinderniß für die Gleichberechtigung aller Staatsbürger bietet. Es
hat also jener erste Artikel gar keine praktische Bedeutung mehr, und wenn
man ihn, wie es mehrfach angeregt worden ist, noch nicht abgeschafft hat, so ist
das aus reiner Pietät gegen die Schöpfung Karl Albert's und gerade wegen
seiner thatsächlichem Bedeutungslosigkeit geschehen. Nach Cnrci's Absicht soll er
dagegen nun der Haupt- und Brennpunkt der ganzen Verfassung werden und
zur Modifikation für alle andern dienen.

"Souveränetät des Papstes, welche feine volle Unabhängigkeit sichert, durch¬
aus real, umfassend und vorzugsweise moralisch ist." -- Also die moralische
allein genügt nicht und kaun natürlich nicht genügen, wenn der Papst ein
"wahrhafter" Souverän und dem mit materieller Macht ausgestatteten König
überlegen sein soll. Auch er muß also "reelle" Macht haben, und es ist nicht
abzusehen, wie er diese ohne ein eigenes Landgebiet und Heer oder ohne daß
die Truppen und Beamten des Königs zum Gehorsam auch gegen den Papst
verpflichtet werden, besitzen könnte. Wenn also Cnrei anch für den Augenblick


„Anerkennung des Königs und seiner Dynastie unter der Bedingung,
daß sie christlich regieren." — Wir kennen die Lehre Cnrci's und der
Kirche über die Quellen der fürstliche» Autorität und über die höchste Kom¬
petenz in Sachen der Religion. Nur die Kirche kann danach entscheiden, ob
ein König christlich regiert oder nicht. Der König steht also fortan in jeder
seiner Regierungshandlungen unter dem Richterspruch der kirchlichen Autorität.
Findet sie Unchristliches an ihm, so büßt er seine Anerkennung ein. Das
mittelalterliche Lossprechen aller Unterthanen von der Pflicht des Gehorsams
gegen ihn ist die nothwendige Konsequenz davon; ein neues Canossa wäre gar
uicht zu vermeiden.

„Anerkennung des Statuts Karl Albert's, in welchen: jedoch der Artikel
Eins.... die Norm wird..... zur Modifikation des Uebrigen." — Ein
neuer kaum genug zu würdigender Beweis von dem, was ein Jesuit unter
dem Worte „Anerkennung" verstehen kann! Ich bedaure, daß der Raum mir
verbietet zur Verdeutlichung der maßlosen — Naivetät dieser Forderung das
ganze Statut hierherzusetzen. Es ließe sich zeigen, daß nach jener Norm
Artikel für Artikel fallen und die ganze Verfassung nach Geist und Worten in
das Gegentheil verkehrt werden müßte. Und das nennt der Jesuitenpater
„Anerkennung"! Der erste Artikel der Verfassung Karl Albert's lautet voll¬
ständig: „Die katholische, apostolische und.römische Religion ist die alleinige
Religion des Staates. Die andern Kutte, welche gegenwärtig existiren, sind
geduldet nach Maßgabe der Gesetze." Die Gesetzgebung Italiens hat dafür
gesorgt, daß die Bekemmng und Ausübung aller Kulte ohne Unterschied
eine gleichmüßig freie ist und daß der Unterschied des Glaubensbekenntnisses
keinerlei Hinderniß für die Gleichberechtigung aller Staatsbürger bietet. Es
hat also jener erste Artikel gar keine praktische Bedeutung mehr, und wenn
man ihn, wie es mehrfach angeregt worden ist, noch nicht abgeschafft hat, so ist
das aus reiner Pietät gegen die Schöpfung Karl Albert's und gerade wegen
seiner thatsächlichem Bedeutungslosigkeit geschehen. Nach Cnrci's Absicht soll er
dagegen nun der Haupt- und Brennpunkt der ganzen Verfassung werden und
zur Modifikation für alle andern dienen.

„Souveränetät des Papstes, welche feine volle Unabhängigkeit sichert, durch¬
aus real, umfassend und vorzugsweise moralisch ist." — Also die moralische
allein genügt nicht und kaun natürlich nicht genügen, wenn der Papst ein
„wahrhafter" Souverän und dem mit materieller Macht ausgestatteten König
überlegen sein soll. Auch er muß also „reelle" Macht haben, und es ist nicht
abzusehen, wie er diese ohne ein eigenes Landgebiet und Heer oder ohne daß
die Truppen und Beamten des Königs zum Gehorsam auch gegen den Papst
verpflichtet werden, besitzen könnte. Wenn also Cnrei anch für den Augenblick


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[0256] „Anerkennung des Königs und seiner Dynastie unter der Bedingung, daß sie christlich regieren." — Wir kennen die Lehre Cnrci's und der Kirche über die Quellen der fürstliche» Autorität und über die höchste Kom¬ petenz in Sachen der Religion. Nur die Kirche kann danach entscheiden, ob ein König christlich regiert oder nicht. Der König steht also fortan in jeder seiner Regierungshandlungen unter dem Richterspruch der kirchlichen Autorität. Findet sie Unchristliches an ihm, so büßt er seine Anerkennung ein. Das mittelalterliche Lossprechen aller Unterthanen von der Pflicht des Gehorsams gegen ihn ist die nothwendige Konsequenz davon; ein neues Canossa wäre gar uicht zu vermeiden. „Anerkennung des Statuts Karl Albert's, in welchen: jedoch der Artikel Eins.... die Norm wird..... zur Modifikation des Uebrigen." — Ein neuer kaum genug zu würdigender Beweis von dem, was ein Jesuit unter dem Worte „Anerkennung" verstehen kann! Ich bedaure, daß der Raum mir verbietet zur Verdeutlichung der maßlosen — Naivetät dieser Forderung das ganze Statut hierherzusetzen. Es ließe sich zeigen, daß nach jener Norm Artikel für Artikel fallen und die ganze Verfassung nach Geist und Worten in das Gegentheil verkehrt werden müßte. Und das nennt der Jesuitenpater „Anerkennung"! Der erste Artikel der Verfassung Karl Albert's lautet voll¬ ständig: „Die katholische, apostolische und.römische Religion ist die alleinige Religion des Staates. Die andern Kutte, welche gegenwärtig existiren, sind geduldet nach Maßgabe der Gesetze." Die Gesetzgebung Italiens hat dafür gesorgt, daß die Bekemmng und Ausübung aller Kulte ohne Unterschied eine gleichmüßig freie ist und daß der Unterschied des Glaubensbekenntnisses keinerlei Hinderniß für die Gleichberechtigung aller Staatsbürger bietet. Es hat also jener erste Artikel gar keine praktische Bedeutung mehr, und wenn man ihn, wie es mehrfach angeregt worden ist, noch nicht abgeschafft hat, so ist das aus reiner Pietät gegen die Schöpfung Karl Albert's und gerade wegen seiner thatsächlichem Bedeutungslosigkeit geschehen. Nach Cnrci's Absicht soll er dagegen nun der Haupt- und Brennpunkt der ganzen Verfassung werden und zur Modifikation für alle andern dienen. „Souveränetät des Papstes, welche feine volle Unabhängigkeit sichert, durch¬ aus real, umfassend und vorzugsweise moralisch ist." — Also die moralische allein genügt nicht und kaun natürlich nicht genügen, wenn der Papst ein „wahrhafter" Souverän und dem mit materieller Macht ausgestatteten König überlegen sein soll. Auch er muß also „reelle" Macht haben, und es ist nicht abzusehen, wie er diese ohne ein eigenes Landgebiet und Heer oder ohne daß die Truppen und Beamten des Königs zum Gehorsam auch gegen den Papst verpflichtet werden, besitzen könnte. Wenn also Cnrei anch für den Augenblick

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/256>, abgerufen am 27.07.2024.