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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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er, die bei der Fortdauer des gegenwärtigen Zwiespaltes zu Grunde gehen
wird, denn sie ist unvergänglich. Aber Italien, "im Innern entnervt und
geschwächt, von seinen natürlichen Allianzen getrennt, genöthigt bei den Feinden
des Katholizismus eine Stütze zu suchen, läuft große Gesahr -- und für mich
ist es Gewißheit -- abermals zerstückelt zu werden, und schlimmer als vordem
von den Deutschen beherrscht zu werden. Italien wird Deutschland helfen
Frankreich zu erdrücken, um dann selbst von Deutschland erdrückt zu werden (!).
Dagegen würde ein christliches Italien, mit dem Papst und einem christlichen
König an der Spitze, weit entfernt eine Verlegenheit für Frankreich zu sein,
ein gewichtiger Beistand für dasselbe werden und würde sich, wie dereinst, an
der Spitze des zivilisirten Europa befinden. So würden diese beiden Nationen
der Kern der lateinischen Rasse werden, und, wenn sie die kleineren Zweige
derselben an sich knüpfen, einen Körper von über 100 Millionen bilden, der
Zwar nicht übermäßig, aber genügend ist, um dem teutonischen und slavischen
Anprall die Stiru zu bieten, der zur Vernichtung des lateinischen und katho¬
lischen Enropa sich vorbereitet." (?) Nachdem er dnrch dieses Schreckgespenst
jeden möglichen Widerspruch gedämpft glaubt, erhebt der Pater einen Triumph-
gesang, der statt eines Beweises vollends Alle zur Beistimmung bringen soll:
"Ein derartiger Plan ist so vernünftig, so grandios und vor allem so nützlich,
la so nothwendig zur Erhaltung und zum Gedeihen Italiens, daß er unter
uns mit vollem Herzen angenommen werden würde, nicht nur von den auf¬
richtigen Katholiken, sondern anch von allen denen -- und es sind ihrer so
viele! -- welche zwar gegen die Religion indifferent sind, aber sie nicht bis
zu dein Punkte hassen, um das Wohl ihres Vaterlandes zurückzuweisen, blos
weil sie es mit dem Wohl der Kirche verbunden und ihm gewissermaßen von
dieser dargeboten sehen." Wir fürchten, edler Pater, das italienische Volk wird
weder auf Eure Drohung, noch auf Eure Verheißung hören. Es wird
sich statt von Eurem Orakel lieber vou der Geschichte der Vergangenheit wie
der Gegenwart rathen lassen. Die erstere wird ihm sagen, daß ein mächtiger
Papst immer unheilvoll für das Vaterland gewesen ist, indem er durch Herrsch¬
sucht im Innern dessen Freiheit gehemmt, durch Anmaßung nach außen es in
Kriege mit andern Nationen gestürzt hat. Die neuere und neueste Geschichte
lehrt es dagegen, daß Deutschland nie und nimmer an eine Bedrohung Ita¬
liens denkt und daß im Gegentheil das Heil beider Nationen, wie es die deut¬
lichste Erfahrung zeigt, in ihrer Freundschaft und Eintracht liegt. Nur eine
einzige Sache könnte und müßte das gute EinVerständniß stören, und diese
wäre das Mitwirken Italiens zu einer neuen Stärkung der Pnpstmacht, die
Deutschland bedrohen würde, also gerade das, was Ihr anstrebt. Doch prüfen
wir noch einmal Pater Curei's Fundamentalfvrderungen Punkt für Punkt:


er, die bei der Fortdauer des gegenwärtigen Zwiespaltes zu Grunde gehen
wird, denn sie ist unvergänglich. Aber Italien, „im Innern entnervt und
geschwächt, von seinen natürlichen Allianzen getrennt, genöthigt bei den Feinden
des Katholizismus eine Stütze zu suchen, läuft große Gesahr — und für mich
ist es Gewißheit — abermals zerstückelt zu werden, und schlimmer als vordem
von den Deutschen beherrscht zu werden. Italien wird Deutschland helfen
Frankreich zu erdrücken, um dann selbst von Deutschland erdrückt zu werden (!).
Dagegen würde ein christliches Italien, mit dem Papst und einem christlichen
König an der Spitze, weit entfernt eine Verlegenheit für Frankreich zu sein,
ein gewichtiger Beistand für dasselbe werden und würde sich, wie dereinst, an
der Spitze des zivilisirten Europa befinden. So würden diese beiden Nationen
der Kern der lateinischen Rasse werden, und, wenn sie die kleineren Zweige
derselben an sich knüpfen, einen Körper von über 100 Millionen bilden, der
Zwar nicht übermäßig, aber genügend ist, um dem teutonischen und slavischen
Anprall die Stiru zu bieten, der zur Vernichtung des lateinischen und katho¬
lischen Enropa sich vorbereitet." (?) Nachdem er dnrch dieses Schreckgespenst
jeden möglichen Widerspruch gedämpft glaubt, erhebt der Pater einen Triumph-
gesang, der statt eines Beweises vollends Alle zur Beistimmung bringen soll:
»Ein derartiger Plan ist so vernünftig, so grandios und vor allem so nützlich,
la so nothwendig zur Erhaltung und zum Gedeihen Italiens, daß er unter
uns mit vollem Herzen angenommen werden würde, nicht nur von den auf¬
richtigen Katholiken, sondern anch von allen denen — und es sind ihrer so
viele! — welche zwar gegen die Religion indifferent sind, aber sie nicht bis
zu dein Punkte hassen, um das Wohl ihres Vaterlandes zurückzuweisen, blos
weil sie es mit dem Wohl der Kirche verbunden und ihm gewissermaßen von
dieser dargeboten sehen." Wir fürchten, edler Pater, das italienische Volk wird
weder auf Eure Drohung, noch auf Eure Verheißung hören. Es wird
sich statt von Eurem Orakel lieber vou der Geschichte der Vergangenheit wie
der Gegenwart rathen lassen. Die erstere wird ihm sagen, daß ein mächtiger
Papst immer unheilvoll für das Vaterland gewesen ist, indem er durch Herrsch¬
sucht im Innern dessen Freiheit gehemmt, durch Anmaßung nach außen es in
Kriege mit andern Nationen gestürzt hat. Die neuere und neueste Geschichte
lehrt es dagegen, daß Deutschland nie und nimmer an eine Bedrohung Ita¬
liens denkt und daß im Gegentheil das Heil beider Nationen, wie es die deut¬
lichste Erfahrung zeigt, in ihrer Freundschaft und Eintracht liegt. Nur eine
einzige Sache könnte und müßte das gute EinVerständniß stören, und diese
wäre das Mitwirken Italiens zu einer neuen Stärkung der Pnpstmacht, die
Deutschland bedrohen würde, also gerade das, was Ihr anstrebt. Doch prüfen
wir noch einmal Pater Curei's Fundamentalfvrderungen Punkt für Punkt:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/255>, abgerufen am 27.07.2024.