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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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das gesammte Ministerium!, die beiden Kammern und den ganzen an der Wahl
der Abgeordneten betheiligten Theil des Volkes. Mit Gewalt kann man diese
Millionen offenbar nicht "zur Thür hinausschicken" (mWclaro spassa); die
Kirche muß also zunächst einen Pakt schließen, durch den sie die Möglichkeit
gewinnt, ihre alterprobten geistliche" Waffen anzuwenden. "Mit einem Pakt
irgend welcher Art" -- er wiederholt es beständig -- "zum Besten der geist¬
lichen Angelegenheiten Italiens und der allgemeinen Interessen der katholischen
Welt, würde man durchaus keine Rechte als von Irgendjemand oder bei
Irgendjemand erworben anerkennen; und noch viel weniger würde man die
Werke legitimiren, durch welche jene Rechte usurpirt wurden." Man würde
nur, weil man machtlos ist, das Unrecht hinnehmen, wie es Hiob in seinem
Elend that, als die räuberischen Sabäer und Chaldäer ihm die Heerden raubten,
und wie man es im Privatleben als ungerecht Beraubter thun muß, ohne
deshalb auf sein Recht im Geringsten zu verzichten. So lange man der Ge¬
walt nicht ausweichen kann, muß man mit ihr gehen, "bei Strafe alle öffent¬
lichen und zum großen Theil auch die Privatinteressen über den Haufen ge¬
worfen zu sehen, anzufangen vom christlichen Glauben und der guten Sitte."
Und diese Gefahr droht nicht blos von den oben erwähnten Menschen, sondern
von dem ganzen System der Demokratie und des Konstitutionalismus, die also
gleicherweise bekämpft werden müssen.

Was die konstitutionelle Verfassung zu erwaren hat, wenn die Curci'schen
Pläne zur Ausführung kommen, werden die liberalen Parteien des Landes
aus seinem Buche mit großer Erbauung erkennen. Ist nach der Meinung des
Paters schon die Herleitung der Staatsgewalten von menschlicher Einsetzung
ein absurder Gedanke, so ist es noch viel verkehrter, wenn ein Volk beansprucht,
sich selbst zu regieren, und zwar nicht blos in der rein republikanischen Regie¬
rungsform, wo es gar zu sehr nach jener absoluten Souveränetät des Volkes
stinkt, welche, von der französischen Revolution erfunden, nachher von den
nachfolgenden zum Schaden und zur Schande der Welt ausgenutzt wurde,"
sondern auch in den konstitutionellen Monarchien, in denen nicht Thron und
Altar die von dem Pater gewünschte Stellung besitzen. Denn "wer soll den
Zweck und die Art der unentbehrlichen Oberherrschaft bestimmen? Vielleicht
das Staatsgrundgesetz? Die öffentliche Meinung? Das Mandat, welches die
Wähler den Gewählten geben? -- Heutzutage wissen wir Alle, was solches
Gerümpel bedeutet, und es lohnt sich nicht davon zu reden."

Die Kirche hat auch keineswegs das odiose "göttliche Recht" erfunden, sie
ist vielmehr "stets die festeste Stütze der Doktrin vom wahren christlichen Prin-
zipat gewesen, wie man es bei ihren ausgezeichnetsten Doktoren und Theologe"
sehen kann, welche davon mit einem so freien und kühnen Liberalis-


das gesammte Ministerium!, die beiden Kammern und den ganzen an der Wahl
der Abgeordneten betheiligten Theil des Volkes. Mit Gewalt kann man diese
Millionen offenbar nicht „zur Thür hinausschicken" (mWclaro spassa); die
Kirche muß also zunächst einen Pakt schließen, durch den sie die Möglichkeit
gewinnt, ihre alterprobten geistliche» Waffen anzuwenden. „Mit einem Pakt
irgend welcher Art" — er wiederholt es beständig — „zum Besten der geist¬
lichen Angelegenheiten Italiens und der allgemeinen Interessen der katholischen
Welt, würde man durchaus keine Rechte als von Irgendjemand oder bei
Irgendjemand erworben anerkennen; und noch viel weniger würde man die
Werke legitimiren, durch welche jene Rechte usurpirt wurden." Man würde
nur, weil man machtlos ist, das Unrecht hinnehmen, wie es Hiob in seinem
Elend that, als die räuberischen Sabäer und Chaldäer ihm die Heerden raubten,
und wie man es im Privatleben als ungerecht Beraubter thun muß, ohne
deshalb auf sein Recht im Geringsten zu verzichten. So lange man der Ge¬
walt nicht ausweichen kann, muß man mit ihr gehen, „bei Strafe alle öffent¬
lichen und zum großen Theil auch die Privatinteressen über den Haufen ge¬
worfen zu sehen, anzufangen vom christlichen Glauben und der guten Sitte."
Und diese Gefahr droht nicht blos von den oben erwähnten Menschen, sondern
von dem ganzen System der Demokratie und des Konstitutionalismus, die also
gleicherweise bekämpft werden müssen.

Was die konstitutionelle Verfassung zu erwaren hat, wenn die Curci'schen
Pläne zur Ausführung kommen, werden die liberalen Parteien des Landes
aus seinem Buche mit großer Erbauung erkennen. Ist nach der Meinung des
Paters schon die Herleitung der Staatsgewalten von menschlicher Einsetzung
ein absurder Gedanke, so ist es noch viel verkehrter, wenn ein Volk beansprucht,
sich selbst zu regieren, und zwar nicht blos in der rein republikanischen Regie¬
rungsform, wo es gar zu sehr nach jener absoluten Souveränetät des Volkes
stinkt, welche, von der französischen Revolution erfunden, nachher von den
nachfolgenden zum Schaden und zur Schande der Welt ausgenutzt wurde,"
sondern auch in den konstitutionellen Monarchien, in denen nicht Thron und
Altar die von dem Pater gewünschte Stellung besitzen. Denn „wer soll den
Zweck und die Art der unentbehrlichen Oberherrschaft bestimmen? Vielleicht
das Staatsgrundgesetz? Die öffentliche Meinung? Das Mandat, welches die
Wähler den Gewählten geben? — Heutzutage wissen wir Alle, was solches
Gerümpel bedeutet, und es lohnt sich nicht davon zu reden."

Die Kirche hat auch keineswegs das odiose „göttliche Recht" erfunden, sie
ist vielmehr „stets die festeste Stütze der Doktrin vom wahren christlichen Prin-
zipat gewesen, wie man es bei ihren ausgezeichnetsten Doktoren und Theologe»
sehen kann, welche davon mit einem so freien und kühnen Liberalis-


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[0252] das gesammte Ministerium!, die beiden Kammern und den ganzen an der Wahl der Abgeordneten betheiligten Theil des Volkes. Mit Gewalt kann man diese Millionen offenbar nicht „zur Thür hinausschicken" (mWclaro spassa); die Kirche muß also zunächst einen Pakt schließen, durch den sie die Möglichkeit gewinnt, ihre alterprobten geistliche» Waffen anzuwenden. „Mit einem Pakt irgend welcher Art" — er wiederholt es beständig — „zum Besten der geist¬ lichen Angelegenheiten Italiens und der allgemeinen Interessen der katholischen Welt, würde man durchaus keine Rechte als von Irgendjemand oder bei Irgendjemand erworben anerkennen; und noch viel weniger würde man die Werke legitimiren, durch welche jene Rechte usurpirt wurden." Man würde nur, weil man machtlos ist, das Unrecht hinnehmen, wie es Hiob in seinem Elend that, als die räuberischen Sabäer und Chaldäer ihm die Heerden raubten, und wie man es im Privatleben als ungerecht Beraubter thun muß, ohne deshalb auf sein Recht im Geringsten zu verzichten. So lange man der Ge¬ walt nicht ausweichen kann, muß man mit ihr gehen, „bei Strafe alle öffent¬ lichen und zum großen Theil auch die Privatinteressen über den Haufen ge¬ worfen zu sehen, anzufangen vom christlichen Glauben und der guten Sitte." Und diese Gefahr droht nicht blos von den oben erwähnten Menschen, sondern von dem ganzen System der Demokratie und des Konstitutionalismus, die also gleicherweise bekämpft werden müssen. Was die konstitutionelle Verfassung zu erwaren hat, wenn die Curci'schen Pläne zur Ausführung kommen, werden die liberalen Parteien des Landes aus seinem Buche mit großer Erbauung erkennen. Ist nach der Meinung des Paters schon die Herleitung der Staatsgewalten von menschlicher Einsetzung ein absurder Gedanke, so ist es noch viel verkehrter, wenn ein Volk beansprucht, sich selbst zu regieren, und zwar nicht blos in der rein republikanischen Regie¬ rungsform, wo es gar zu sehr nach jener absoluten Souveränetät des Volkes stinkt, welche, von der französischen Revolution erfunden, nachher von den nachfolgenden zum Schaden und zur Schande der Welt ausgenutzt wurde," sondern auch in den konstitutionellen Monarchien, in denen nicht Thron und Altar die von dem Pater gewünschte Stellung besitzen. Denn „wer soll den Zweck und die Art der unentbehrlichen Oberherrschaft bestimmen? Vielleicht das Staatsgrundgesetz? Die öffentliche Meinung? Das Mandat, welches die Wähler den Gewählten geben? — Heutzutage wissen wir Alle, was solches Gerümpel bedeutet, und es lohnt sich nicht davon zu reden." Die Kirche hat auch keineswegs das odiose „göttliche Recht" erfunden, sie ist vielmehr „stets die festeste Stütze der Doktrin vom wahren christlichen Prin- zipat gewesen, wie man es bei ihren ausgezeichnetsten Doktoren und Theologe» sehen kann, welche davon mit einem so freien und kühnen Liberalis-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/252>, abgerufen am 27.07.2024.