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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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wieder herauszureißen, der ihm abgenommen wurde, und wenn er es gegen-"
wärtig nicht thut, so geschieht es aus Mangel an Macht, an deren Stelle
er die jesuitische Klugheit setzt (oder nach Curei's Rath setzen soll), welche euch
Versöhnung anbietet, um so wieder zur Macht zu gelangen. Sobald er die
Macht zurückgewonnen hat, wird es aus sein mit der Versöhnung, und er
wird euch den Fuß auf den Nacken setzen und zurücknehmen, was ihm gehört,
d. h. nach päpstlicher Ansicht die Oberherrschaft über Alles. Das ist es, was
der Pater Cnrei will, wenn er auch zehnmal sagt, die Kirche solle ans Wieder¬
herstellung des früheren Zustandes verzichten, der jetzt unmöglich sei, "Gott
bewahre mich," rust der Pater, "vor dein Gedanken und der Behauptung, daß
der Irgendjemand, welcher gewaltthätig sich hingestellt hat...., durch den
bloßen Umstand, daß er es thut, legitim würde! Das wäre die Theorie der
"vollendeten Thatsachen" in der ganzen Rohheit ihrer Nichtswürdigkeit. Wie
Jener ein Frevler war, indem er eindrang in das, was nicht sein war, und
mich als Kirchenräuber den entsprechenden Censuren unterliegt, wenn es sich
um ein Gut der Kirche handelt, so bleibt er ein solcher vor Gott, bis er sich
mit ihm versöhnt, und vor den Menschen, so lange eine Wahrscheinlichkeit vor¬
handen ist, daß die Macht in die Hände des rechtmäßigen Besitzers zurückkehrt."

Wenn nnn der Pater Cnrei zu dem Zwecke die Patrioten zu beruhigen,
erklärt, daß jetzt solche Wahrscheinlichkeit nicht vorhanden sei und demgemäß
die Kirche den gegenwärtigen Zustand anerkennen müsse, so weiß man nun,
was das zu bedeuten hat, nämlich nach jesuitischen Brauch gerade das Ge¬
gentheil von Anerkennung. Für jetzt ist freilich jene Wahrscheinlichkeit nicht
vorhanden; aber sie kann sich in jedem Augenblick erneuern, und sie wird es,
wenn die "Aussöhnung" und die in ihr enthaltene Erneuerung des priester¬
lichen Einflusses zur Wirklichkeit wird. Den wahren Sinn dieser Aussöhnung
läßt der Pater in seinem Eifer zu deutlich durchblicken, als daß Irgendjemand
ihn verkennen könnte. Man muß ihm die wahre jesuitische Schlauheit ganz
absprechen. Er ist viel zu offen, wenn er sagt: "Mau erklärt, es sei nicht
möglich sich mit dieser Negierung zu versöhnen; und wer zweifelt daran? Aber
in den repräsentativen Staatsordnungen versteht man unter Negierung die
Männer, welche gerade die Leitung in den Händen haben. Wer nun andere
Prinzipien bekennt und deren Triumph sehen möchte, der hat, weit entfernt
sich mit diesen Männern versöhnen zu müssen, das Recht ans ge¬
setzlichen Wegen dahin zu wirken, daß sie zur Thür hinaus geschickt und andere
von der eigenen Meinung an deren Stelle gesetzt werden." -- Unter "diesen
Männern" versteht aber der Pater Cnrei nicht etwa ein paar Parteiführer
und Hauptgegner, wie etwa in Deutschland Bismarck, Falk und Laster ge¬
meint sein könnten, sondern, wie sich noch zeigen wird, in Bausch und Bogen


wieder herauszureißen, der ihm abgenommen wurde, und wenn er es gegen-"
wärtig nicht thut, so geschieht es aus Mangel an Macht, an deren Stelle
er die jesuitische Klugheit setzt (oder nach Curei's Rath setzen soll), welche euch
Versöhnung anbietet, um so wieder zur Macht zu gelangen. Sobald er die
Macht zurückgewonnen hat, wird es aus sein mit der Versöhnung, und er
wird euch den Fuß auf den Nacken setzen und zurücknehmen, was ihm gehört,
d. h. nach päpstlicher Ansicht die Oberherrschaft über Alles. Das ist es, was
der Pater Cnrei will, wenn er auch zehnmal sagt, die Kirche solle ans Wieder¬
herstellung des früheren Zustandes verzichten, der jetzt unmöglich sei, „Gott
bewahre mich," rust der Pater, „vor dein Gedanken und der Behauptung, daß
der Irgendjemand, welcher gewaltthätig sich hingestellt hat...., durch den
bloßen Umstand, daß er es thut, legitim würde! Das wäre die Theorie der
»vollendeten Thatsachen" in der ganzen Rohheit ihrer Nichtswürdigkeit. Wie
Jener ein Frevler war, indem er eindrang in das, was nicht sein war, und
mich als Kirchenräuber den entsprechenden Censuren unterliegt, wenn es sich
um ein Gut der Kirche handelt, so bleibt er ein solcher vor Gott, bis er sich
mit ihm versöhnt, und vor den Menschen, so lange eine Wahrscheinlichkeit vor¬
handen ist, daß die Macht in die Hände des rechtmäßigen Besitzers zurückkehrt."

Wenn nnn der Pater Cnrei zu dem Zwecke die Patrioten zu beruhigen,
erklärt, daß jetzt solche Wahrscheinlichkeit nicht vorhanden sei und demgemäß
die Kirche den gegenwärtigen Zustand anerkennen müsse, so weiß man nun,
was das zu bedeuten hat, nämlich nach jesuitischen Brauch gerade das Ge¬
gentheil von Anerkennung. Für jetzt ist freilich jene Wahrscheinlichkeit nicht
vorhanden; aber sie kann sich in jedem Augenblick erneuern, und sie wird es,
wenn die „Aussöhnung" und die in ihr enthaltene Erneuerung des priester¬
lichen Einflusses zur Wirklichkeit wird. Den wahren Sinn dieser Aussöhnung
läßt der Pater in seinem Eifer zu deutlich durchblicken, als daß Irgendjemand
ihn verkennen könnte. Man muß ihm die wahre jesuitische Schlauheit ganz
absprechen. Er ist viel zu offen, wenn er sagt: „Mau erklärt, es sei nicht
möglich sich mit dieser Negierung zu versöhnen; und wer zweifelt daran? Aber
in den repräsentativen Staatsordnungen versteht man unter Negierung die
Männer, welche gerade die Leitung in den Händen haben. Wer nun andere
Prinzipien bekennt und deren Triumph sehen möchte, der hat, weit entfernt
sich mit diesen Männern versöhnen zu müssen, das Recht ans ge¬
setzlichen Wegen dahin zu wirken, daß sie zur Thür hinaus geschickt und andere
von der eigenen Meinung an deren Stelle gesetzt werden." — Unter „diesen
Männern" versteht aber der Pater Cnrei nicht etwa ein paar Parteiführer
und Hauptgegner, wie etwa in Deutschland Bismarck, Falk und Laster ge¬
meint sein könnten, sondern, wie sich noch zeigen wird, in Bausch und Bogen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/251>, abgerufen am 27.07.2024.