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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Malerei thätig. Ab und zu machte er auch einen Ausflug in das Genre, wo
er besonders mit lieblichen Kinderfiguren Glück hatte. Eines seiner Bilder,
dessen Stoff einem Tieck'schen Märchen entlehnt ist -- die kleine Marie bei
den Elfenkindern -- errang sich sogar eine gewisse Popularität, allerdings in
der harmlosen Zeit der Almanache und Taschenbücher, die von der unsrigen
durch vier Jahrzehnte getrennt ist.

Neben der Ausmalung der Schloßkapelle beschäftigte die des Neuen
Museums eine stattliche Anzahl älterer und jüngerer Kräfte. Die Malereien,
die hier ausgeführt wurden, sollten bis auf den Berliner Rathhausbau und
die Zeit des baulichen Aufschwungs nach dem deutsch-französischen Kriege die
letzten monumentalen Arbeiten fein, welche Berlin zu sehen bekam. Hier
pflückten die Maler Pape, Graev, Biermann, Gustav Richter, die gegenwärtig
zu den hervorragendsten Vertretern der Berliner Malerschule gehören, ihre ersten
Lorbeern. Hier waren auch noch die Vertreter der älteren Richtung: Daege,
Hopfgarten, Hennig, Kaselowski u. A. thätig. Hier entfaltete sich auch das
schöne Talent des Landschaftsmalers Schirmer in hellstem Glänze.

Schröder malte in der römischen Kuppel des Neuen Museums die Ein¬
weihung der Sophienkirche in Konstantinopel durch Justinian I. Schon seine
nächste größere Arbeit -- der Abschied Karl I. von England von seinen Kin¬
dern (1855) -- machte ihn mit einem Schlage populär und zum Haupte der
Berliner Historienmalerei. Hier hatte der Maler zunächst das richtige Maß
für die beabsichtigte Wirkung gefunden. Er hatte das düster gestimmte Colorit
abgelegt und ersichtlich unter dem belebenden Einflüsse van Dyk's auf seiner Palette
gesunde und heitere Farbentöne gefunden. Der erschütternde Vorgang, den der
Maler dargestellt hat, mag ein gut Theil zu dem durchschlagenden Erfolge bei¬
getragen haben, welchen das Gemälde errang. Auch verschaffte ihm eine vor¬
treffliche Nachbildung durch den Stich eine große Popularität. Indessen hat
das Bild so viele innere Vorzüge, daß der Erfolg des ersten Augenblicks auch
heute, uach fast fünfundzwanzig Jahren, noch nachwirkt. Dem Bilde fehlt
vor allen Dingen das hohle Pathos, von welchem viele Historienbilder der
Düsseldorfer Schule nicht freizusprechen sind. Es ergreift eher durch die Zurück¬
haltung, die sich der Maler auferlegt hat, durch das edle Maß, das alle Re¬
gungen tiefsten Schmerzes, unter dem die unglückliche Familie leidet, beherrscht.
Figuren, wie König Karl und die holdselige Prinzessin in dem schillernden,
weißen Maskleide, welche weinend den Vater umhalst, sind von dem Geiste
van Dyk's beseelt, ohne jedoch den Anspruch auf Selbststündigkeit einzubüßen.
Der Unheil brütende Cromwell im Hintergrunde, der so gar nichts von den
landläufigen Theaterbösewichten an sich hat, ist für die Darstellung des ge¬
waltigen Diktators geradezu typisch geworden. -- Schrader hat noch mit zwei


Malerei thätig. Ab und zu machte er auch einen Ausflug in das Genre, wo
er besonders mit lieblichen Kinderfiguren Glück hatte. Eines seiner Bilder,
dessen Stoff einem Tieck'schen Märchen entlehnt ist — die kleine Marie bei
den Elfenkindern — errang sich sogar eine gewisse Popularität, allerdings in
der harmlosen Zeit der Almanache und Taschenbücher, die von der unsrigen
durch vier Jahrzehnte getrennt ist.

Neben der Ausmalung der Schloßkapelle beschäftigte die des Neuen
Museums eine stattliche Anzahl älterer und jüngerer Kräfte. Die Malereien,
die hier ausgeführt wurden, sollten bis auf den Berliner Rathhausbau und
die Zeit des baulichen Aufschwungs nach dem deutsch-französischen Kriege die
letzten monumentalen Arbeiten fein, welche Berlin zu sehen bekam. Hier
pflückten die Maler Pape, Graev, Biermann, Gustav Richter, die gegenwärtig
zu den hervorragendsten Vertretern der Berliner Malerschule gehören, ihre ersten
Lorbeern. Hier waren auch noch die Vertreter der älteren Richtung: Daege,
Hopfgarten, Hennig, Kaselowski u. A. thätig. Hier entfaltete sich auch das
schöne Talent des Landschaftsmalers Schirmer in hellstem Glänze.

Schröder malte in der römischen Kuppel des Neuen Museums die Ein¬
weihung der Sophienkirche in Konstantinopel durch Justinian I. Schon seine
nächste größere Arbeit — der Abschied Karl I. von England von seinen Kin¬
dern (1855) — machte ihn mit einem Schlage populär und zum Haupte der
Berliner Historienmalerei. Hier hatte der Maler zunächst das richtige Maß
für die beabsichtigte Wirkung gefunden. Er hatte das düster gestimmte Colorit
abgelegt und ersichtlich unter dem belebenden Einflüsse van Dyk's auf seiner Palette
gesunde und heitere Farbentöne gefunden. Der erschütternde Vorgang, den der
Maler dargestellt hat, mag ein gut Theil zu dem durchschlagenden Erfolge bei¬
getragen haben, welchen das Gemälde errang. Auch verschaffte ihm eine vor¬
treffliche Nachbildung durch den Stich eine große Popularität. Indessen hat
das Bild so viele innere Vorzüge, daß der Erfolg des ersten Augenblicks auch
heute, uach fast fünfundzwanzig Jahren, noch nachwirkt. Dem Bilde fehlt
vor allen Dingen das hohle Pathos, von welchem viele Historienbilder der
Düsseldorfer Schule nicht freizusprechen sind. Es ergreift eher durch die Zurück¬
haltung, die sich der Maler auferlegt hat, durch das edle Maß, das alle Re¬
gungen tiefsten Schmerzes, unter dem die unglückliche Familie leidet, beherrscht.
Figuren, wie König Karl und die holdselige Prinzessin in dem schillernden,
weißen Maskleide, welche weinend den Vater umhalst, sind von dem Geiste
van Dyk's beseelt, ohne jedoch den Anspruch auf Selbststündigkeit einzubüßen.
Der Unheil brütende Cromwell im Hintergrunde, der so gar nichts von den
landläufigen Theaterbösewichten an sich hat, ist für die Darstellung des ge¬
waltigen Diktators geradezu typisch geworden. — Schrader hat noch mit zwei


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[0174] Malerei thätig. Ab und zu machte er auch einen Ausflug in das Genre, wo er besonders mit lieblichen Kinderfiguren Glück hatte. Eines seiner Bilder, dessen Stoff einem Tieck'schen Märchen entlehnt ist — die kleine Marie bei den Elfenkindern — errang sich sogar eine gewisse Popularität, allerdings in der harmlosen Zeit der Almanache und Taschenbücher, die von der unsrigen durch vier Jahrzehnte getrennt ist. Neben der Ausmalung der Schloßkapelle beschäftigte die des Neuen Museums eine stattliche Anzahl älterer und jüngerer Kräfte. Die Malereien, die hier ausgeführt wurden, sollten bis auf den Berliner Rathhausbau und die Zeit des baulichen Aufschwungs nach dem deutsch-französischen Kriege die letzten monumentalen Arbeiten fein, welche Berlin zu sehen bekam. Hier pflückten die Maler Pape, Graev, Biermann, Gustav Richter, die gegenwärtig zu den hervorragendsten Vertretern der Berliner Malerschule gehören, ihre ersten Lorbeern. Hier waren auch noch die Vertreter der älteren Richtung: Daege, Hopfgarten, Hennig, Kaselowski u. A. thätig. Hier entfaltete sich auch das schöne Talent des Landschaftsmalers Schirmer in hellstem Glänze. Schröder malte in der römischen Kuppel des Neuen Museums die Ein¬ weihung der Sophienkirche in Konstantinopel durch Justinian I. Schon seine nächste größere Arbeit — der Abschied Karl I. von England von seinen Kin¬ dern (1855) — machte ihn mit einem Schlage populär und zum Haupte der Berliner Historienmalerei. Hier hatte der Maler zunächst das richtige Maß für die beabsichtigte Wirkung gefunden. Er hatte das düster gestimmte Colorit abgelegt und ersichtlich unter dem belebenden Einflüsse van Dyk's auf seiner Palette gesunde und heitere Farbentöne gefunden. Der erschütternde Vorgang, den der Maler dargestellt hat, mag ein gut Theil zu dem durchschlagenden Erfolge bei¬ getragen haben, welchen das Gemälde errang. Auch verschaffte ihm eine vor¬ treffliche Nachbildung durch den Stich eine große Popularität. Indessen hat das Bild so viele innere Vorzüge, daß der Erfolg des ersten Augenblicks auch heute, uach fast fünfundzwanzig Jahren, noch nachwirkt. Dem Bilde fehlt vor allen Dingen das hohle Pathos, von welchem viele Historienbilder der Düsseldorfer Schule nicht freizusprechen sind. Es ergreift eher durch die Zurück¬ haltung, die sich der Maler auferlegt hat, durch das edle Maß, das alle Re¬ gungen tiefsten Schmerzes, unter dem die unglückliche Familie leidet, beherrscht. Figuren, wie König Karl und die holdselige Prinzessin in dem schillernden, weißen Maskleide, welche weinend den Vater umhalst, sind von dem Geiste van Dyk's beseelt, ohne jedoch den Anspruch auf Selbststündigkeit einzubüßen. Der Unheil brütende Cromwell im Hintergrunde, der so gar nichts von den landläufigen Theaterbösewichten an sich hat, ist für die Darstellung des ge¬ waltigen Diktators geradezu typisch geworden. — Schrader hat noch mit zwei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/174>, abgerufen am 01.09.2024.