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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Archelcivs rasch vorwärts. Dieser König hat durch seine Festungsbauten,
dnrch seine Straßenanlagen, vor allem jedoch durch die solide Ordnung des
Reiter- wie des Hvplitendienstes die Grundlage der späteren Macht des Reiches
gelegt. Vollendet aber wurde sein Werk, zumal das der Heeresverfassung,
durch König Philippos. "Mein Vater", so sagt Alexander d. Gr. bei Ar-
rian zu den unzufriedenen Makedvnen, "übernahm euch, als er König wurde,
umherziehend, mittellos, die meisten in Felle gekleidet und auf den Bergen
Schafe weidend, zu deren Schutz ihr, elend genug, gegen die Illyrer, Thra¬
ker und Triballer kämpftet. Er hat euch die Chlcunys der Soldaten gegeben;
er hat euch in die Ebene hinabgeführt und gelehrt, den benachbarten Barbaren
die Spitze zu bieten im Kampf." ^

Philippos hatte als Geißel drei Jünglingsjahre in Theben verlebt und
zwar in jener Zeit, da Theben der Mittelpunkt der Zeitgeschichte, der Sitz
der Kriegskunst, mit einem Worte die Stadt des Epameinondas war. Er
hatte im Hause des Pammenes, eines der bedeutendsten Kriegsmänner Boio-
tiens gewohnt und war hier dnrch und durch Heitere geworden. Eine solche
Schule hatte kein Fürst des Nordens vor ihm durchgemacht. Im Jahre 360
uach Makedonien zurückgekehrt, beherrschte er seit seines Bruders Perdikkas III.
Thronbesteigung ein kleines Theilfttrstenthum und übernahm nach dessen Tode
(360) an Stelle seines unmündigen Neffen die Regierung in schwierigster Lage.
Er entledigte sich mit sicherer Klugheit seiner Feinde und löste sich von den
barbarischen Anlanden, indem er in einer blutigen aber entscheidenden Schlacht
die Jllyrier, die alten Bedränger Makedoniens, zu Voden schlug. In dieser
Schlacht zeigte er sich als der würdige Schüler des Epameinondas durch bewußte
Anwendung der schiefen Schlachtordnung. -- Und nnn vollendete Philippos
die innere Organisation, indem er Altes und Neues, makedonisches Herkomme"
und griechische Erfindungen zu verbinden und durch die Heeresverfasfuug dem
ganzen Volke Festigkeit und Haltung zu geben verstand.

Es sind die alten volksthümlichen Elemente, auf denen Philippos seine
imponirende Königsmacht erbaut. Und zwar ist das, was er schafft, weder
eigentliche Bürgermiliz, noch auch Svldnerthum; es ist vielmehr ein Heer¬
wesen von nahezu modernem, ja man möchte sagen, von preußischem Cha¬
rakter. -- Das Wehrrecht des freien Mannes wurde zugleich als Wehrpflicht
aufgefaßt. Jedermann leistete Kriegsdienst, empfing Waffen, Unterhalt und
Löhnung vom Könige, und während in dem so gebildeten Volksheere Bürger,
Bauern und Hirten überhaupt erst zu einer einheitlichen Nation zusammen¬
wuchsen, wurden die Edelleute persönlich in das Interesse des Königthums



I. G. Drossen: Geschichte des Hellenismus. I. Gotha 1L77.

Archelcivs rasch vorwärts. Dieser König hat durch seine Festungsbauten,
dnrch seine Straßenanlagen, vor allem jedoch durch die solide Ordnung des
Reiter- wie des Hvplitendienstes die Grundlage der späteren Macht des Reiches
gelegt. Vollendet aber wurde sein Werk, zumal das der Heeresverfassung,
durch König Philippos. „Mein Vater", so sagt Alexander d. Gr. bei Ar-
rian zu den unzufriedenen Makedvnen, „übernahm euch, als er König wurde,
umherziehend, mittellos, die meisten in Felle gekleidet und auf den Bergen
Schafe weidend, zu deren Schutz ihr, elend genug, gegen die Illyrer, Thra¬
ker und Triballer kämpftet. Er hat euch die Chlcunys der Soldaten gegeben;
er hat euch in die Ebene hinabgeführt und gelehrt, den benachbarten Barbaren
die Spitze zu bieten im Kampf." ^

Philippos hatte als Geißel drei Jünglingsjahre in Theben verlebt und
zwar in jener Zeit, da Theben der Mittelpunkt der Zeitgeschichte, der Sitz
der Kriegskunst, mit einem Worte die Stadt des Epameinondas war. Er
hatte im Hause des Pammenes, eines der bedeutendsten Kriegsmänner Boio-
tiens gewohnt und war hier dnrch und durch Heitere geworden. Eine solche
Schule hatte kein Fürst des Nordens vor ihm durchgemacht. Im Jahre 360
uach Makedonien zurückgekehrt, beherrschte er seit seines Bruders Perdikkas III.
Thronbesteigung ein kleines Theilfttrstenthum und übernahm nach dessen Tode
(360) an Stelle seines unmündigen Neffen die Regierung in schwierigster Lage.
Er entledigte sich mit sicherer Klugheit seiner Feinde und löste sich von den
barbarischen Anlanden, indem er in einer blutigen aber entscheidenden Schlacht
die Jllyrier, die alten Bedränger Makedoniens, zu Voden schlug. In dieser
Schlacht zeigte er sich als der würdige Schüler des Epameinondas durch bewußte
Anwendung der schiefen Schlachtordnung. — Und nnn vollendete Philippos
die innere Organisation, indem er Altes und Neues, makedonisches Herkomme»
und griechische Erfindungen zu verbinden und durch die Heeresverfasfuug dem
ganzen Volke Festigkeit und Haltung zu geben verstand.

Es sind die alten volksthümlichen Elemente, auf denen Philippos seine
imponirende Königsmacht erbaut. Und zwar ist das, was er schafft, weder
eigentliche Bürgermiliz, noch auch Svldnerthum; es ist vielmehr ein Heer¬
wesen von nahezu modernem, ja man möchte sagen, von preußischem Cha¬
rakter. — Das Wehrrecht des freien Mannes wurde zugleich als Wehrpflicht
aufgefaßt. Jedermann leistete Kriegsdienst, empfing Waffen, Unterhalt und
Löhnung vom Könige, und während in dem so gebildeten Volksheere Bürger,
Bauern und Hirten überhaupt erst zu einer einheitlichen Nation zusammen¬
wuchsen, wurden die Edelleute persönlich in das Interesse des Königthums



I. G. Drossen: Geschichte des Hellenismus. I. Gotha 1L77.
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[0423] Archelcivs rasch vorwärts. Dieser König hat durch seine Festungsbauten, dnrch seine Straßenanlagen, vor allem jedoch durch die solide Ordnung des Reiter- wie des Hvplitendienstes die Grundlage der späteren Macht des Reiches gelegt. Vollendet aber wurde sein Werk, zumal das der Heeresverfassung, durch König Philippos. „Mein Vater", so sagt Alexander d. Gr. bei Ar- rian zu den unzufriedenen Makedvnen, „übernahm euch, als er König wurde, umherziehend, mittellos, die meisten in Felle gekleidet und auf den Bergen Schafe weidend, zu deren Schutz ihr, elend genug, gegen die Illyrer, Thra¬ ker und Triballer kämpftet. Er hat euch die Chlcunys der Soldaten gegeben; er hat euch in die Ebene hinabgeführt und gelehrt, den benachbarten Barbaren die Spitze zu bieten im Kampf." ^ Philippos hatte als Geißel drei Jünglingsjahre in Theben verlebt und zwar in jener Zeit, da Theben der Mittelpunkt der Zeitgeschichte, der Sitz der Kriegskunst, mit einem Worte die Stadt des Epameinondas war. Er hatte im Hause des Pammenes, eines der bedeutendsten Kriegsmänner Boio- tiens gewohnt und war hier dnrch und durch Heitere geworden. Eine solche Schule hatte kein Fürst des Nordens vor ihm durchgemacht. Im Jahre 360 uach Makedonien zurückgekehrt, beherrschte er seit seines Bruders Perdikkas III. Thronbesteigung ein kleines Theilfttrstenthum und übernahm nach dessen Tode (360) an Stelle seines unmündigen Neffen die Regierung in schwierigster Lage. Er entledigte sich mit sicherer Klugheit seiner Feinde und löste sich von den barbarischen Anlanden, indem er in einer blutigen aber entscheidenden Schlacht die Jllyrier, die alten Bedränger Makedoniens, zu Voden schlug. In dieser Schlacht zeigte er sich als der würdige Schüler des Epameinondas durch bewußte Anwendung der schiefen Schlachtordnung. — Und nnn vollendete Philippos die innere Organisation, indem er Altes und Neues, makedonisches Herkomme» und griechische Erfindungen zu verbinden und durch die Heeresverfasfuug dem ganzen Volke Festigkeit und Haltung zu geben verstand. Es sind die alten volksthümlichen Elemente, auf denen Philippos seine imponirende Königsmacht erbaut. Und zwar ist das, was er schafft, weder eigentliche Bürgermiliz, noch auch Svldnerthum; es ist vielmehr ein Heer¬ wesen von nahezu modernem, ja man möchte sagen, von preußischem Cha¬ rakter. — Das Wehrrecht des freien Mannes wurde zugleich als Wehrpflicht aufgefaßt. Jedermann leistete Kriegsdienst, empfing Waffen, Unterhalt und Löhnung vom Könige, und während in dem so gebildeten Volksheere Bürger, Bauern und Hirten überhaupt erst zu einer einheitlichen Nation zusammen¬ wuchsen, wurden die Edelleute persönlich in das Interesse des Königthums I. G. Drossen: Geschichte des Hellenismus. I. Gotha 1L77.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/423>, abgerufen am 27.09.2024.