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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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große Dichter der Liebe, der sich zu Klopstock verhält wie der Menschensohn
zum Täufer, hat es nicht anders gemacht.

Eine Entgegnung gewissermaßen auf Bodmers Anklagen ist die Ode, in
welcher Klopstock seine Seefahrt besang.

"Schön ist, Mutter Natur! deiner Erfindung Pracht auf die Fluren ver¬
streut, schöner ein froh Gesicht, das den großen Gedanken deiner Schöpfung
noch einmal denkt. -- Süß ist, fröhlicher Lenz, deiner Begeistrung Hauch, wenn
die Flur dich gebiert, wenn sich dein Odem sanft in der Jünglinge Herzen
und die Herzen der Mädchen gießt. Ach du machst das Gefühl siegend, es
steigt durch dich jede blühende Brust schöner, und bebender, lauter redet der
Liebe nun entzauberter Mund durch dich! -- Lieblich wirket der Wein, wenn er
Empfindungen, bessre, sanftere Lust, wem? er Gedanken winkt, im sokratischen
Becher von der thauender Ros umkränzt. --- Reizvoll klinget des Ruhms
lockender Silberton in das schlagende Herz, und die Unsterblichkeit ist ein
großer Gedanke, ist des Schweißes der Edlen werth! -- Aber süßer ist noch,
schöner und reizender, in den Armen des Freunds wissen ein Freund zu sein,
so das Leben genießen, nicht unwürdig der Ewigkeit!"

10. Sept. giebt er Fanny Rechenschaft von seinem Plan einer Seiden¬
druckerei, für welche selbst nach Spanien hin Verbindungen angeknüpft seien;
von seinen Aussichten in Dänemark. -- "Aber, gütige Vorsehung! Darf ich
dich auch um das Größte bitten, was ich in dieser und jener Welt bitten
kann? daß Fanny meine Fanny werde? Darf ich dich um- dies himmlische
Geschenk auftehn? -- Ich kann Ihnen weiter nichts mehr sagen. Denken Sie
an meine vielen Thränen, an meine langen Schmerzen der Liebe, die schon
Jahre gedauert haben, und die ewig dauern werden, wenn Sie nicht aufhören
wollen, hart gegen mein blutendes Herz zu sein."

Das Verhältniß zu Bodmer verschlimmerte sich noch durch häßliche Mi߬
verständnisse in Geldsachen; Bodmer zeigte sich kleinlich, Klopstock kalt und
hochfahrend.

Von beiden Seiten wurden über die Begebenheit ausführliche Rund¬
schreiben erlassen. Hirzel nahm entschieden für Bodmer Partei, ebenso
Sulz er. Sack schreibt 5. Jan. 1751 an Klopstock: "Nie werden die Ver¬
fasser des Messias und des Noah dem frömmsten Theil des menschlichen Ge¬
schlechts den betrübenden Anstoß, und dem boshaften Unglauben die Freude
geben, zu sehen, daß man zwar von der Religion und Tugend sehr froh und
einnehmend reden, ja schön denken, und doch sich entzweien könne. Mein Herz
blutet, wenn der quälende Gedanke mir einfüllt: nun wird der Messias und der
Noah nicht mehr erbauen!.. Klopstock muß aus Zürich als Bodmers Freund
reisen, oder kein Mensch fühle die Starcke seiner Gedichte, der Messias werde ein


Grenzboten I. 1378. 52

große Dichter der Liebe, der sich zu Klopstock verhält wie der Menschensohn
zum Täufer, hat es nicht anders gemacht.

Eine Entgegnung gewissermaßen auf Bodmers Anklagen ist die Ode, in
welcher Klopstock seine Seefahrt besang.

„Schön ist, Mutter Natur! deiner Erfindung Pracht auf die Fluren ver¬
streut, schöner ein froh Gesicht, das den großen Gedanken deiner Schöpfung
noch einmal denkt. — Süß ist, fröhlicher Lenz, deiner Begeistrung Hauch, wenn
die Flur dich gebiert, wenn sich dein Odem sanft in der Jünglinge Herzen
und die Herzen der Mädchen gießt. Ach du machst das Gefühl siegend, es
steigt durch dich jede blühende Brust schöner, und bebender, lauter redet der
Liebe nun entzauberter Mund durch dich! — Lieblich wirket der Wein, wenn er
Empfindungen, bessre, sanftere Lust, wem? er Gedanken winkt, im sokratischen
Becher von der thauender Ros umkränzt. —- Reizvoll klinget des Ruhms
lockender Silberton in das schlagende Herz, und die Unsterblichkeit ist ein
großer Gedanke, ist des Schweißes der Edlen werth! — Aber süßer ist noch,
schöner und reizender, in den Armen des Freunds wissen ein Freund zu sein,
so das Leben genießen, nicht unwürdig der Ewigkeit!"

10. Sept. giebt er Fanny Rechenschaft von seinem Plan einer Seiden¬
druckerei, für welche selbst nach Spanien hin Verbindungen angeknüpft seien;
von seinen Aussichten in Dänemark. — „Aber, gütige Vorsehung! Darf ich
dich auch um das Größte bitten, was ich in dieser und jener Welt bitten
kann? daß Fanny meine Fanny werde? Darf ich dich um- dies himmlische
Geschenk auftehn? — Ich kann Ihnen weiter nichts mehr sagen. Denken Sie
an meine vielen Thränen, an meine langen Schmerzen der Liebe, die schon
Jahre gedauert haben, und die ewig dauern werden, wenn Sie nicht aufhören
wollen, hart gegen mein blutendes Herz zu sein."

Das Verhältniß zu Bodmer verschlimmerte sich noch durch häßliche Mi߬
verständnisse in Geldsachen; Bodmer zeigte sich kleinlich, Klopstock kalt und
hochfahrend.

Von beiden Seiten wurden über die Begebenheit ausführliche Rund¬
schreiben erlassen. Hirzel nahm entschieden für Bodmer Partei, ebenso
Sulz er. Sack schreibt 5. Jan. 1751 an Klopstock: „Nie werden die Ver¬
fasser des Messias und des Noah dem frömmsten Theil des menschlichen Ge¬
schlechts den betrübenden Anstoß, und dem boshaften Unglauben die Freude
geben, zu sehen, daß man zwar von der Religion und Tugend sehr froh und
einnehmend reden, ja schön denken, und doch sich entzweien könne. Mein Herz
blutet, wenn der quälende Gedanke mir einfüllt: nun wird der Messias und der
Noah nicht mehr erbauen!.. Klopstock muß aus Zürich als Bodmers Freund
reisen, oder kein Mensch fühle die Starcke seiner Gedichte, der Messias werde ein


Grenzboten I. 1378. 52
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/417>, abgerufen am 18.01.2025.