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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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mittelmäßiges Stück und seine Oden kriechend, und Schmidtin gedenke nicht
mehr an ihn!"

Auf alle Fälle räth er ihm, das dänische Anerbieten anzunehmen, da es
mit den Aussichten in Berlin vorbei sei.

Kio p stock befolgte die Weisung: als er Febr. 1751 aus Zürich abreiste,
meldete er dem König von Dänemark in einer Ode seine bevorstehende Ankunft.
6. Mai fand er sich bei Gleim in Quedlinburg ein. Dieser, auch Ramler
und Giseke hatten sich seiner angenommen, am entschiedensten Kleist: "ich
sehe nicht ein, was Klopstock verbrochen! Er ist ja nicht der Messias selbst,
und wer weiß, ob nicht der Messias in Gesellschaft von Mädchen lustig ge¬
wesen ist. Die Herrn Schweizer haben fast alle nur eine Frauenzimmer-
Tugend, die andern kennen sie nicht."

Einige Zeit darauf hört Klopstock, daß Fanny krank gewesen. "Sollten
wohl", schreibt er ihr 14. März, "meine feierlichen Unterredungen mit Ihrem
Genius, und die frömmsten Gebete, die wohl jemals gethan worden sind, ein
wenig zu Ihrer Besserung beigetragen haben? Vielleicht haben Ihnen diese,
nach Ihrem eignen guten Herzen, am meisten geholfen."

Von Quedlinburg ging Klopstock nach Hamburg, wo er sich mit Hage¬
dorn befreundete. Giseke hatte ihm Briefe an eine Mlle. Metci Moller
gezeigt, die für den Messias schwärmte. 4. April stellte er sich ihr vor.

"Sein Anblick", schreibt Meta an Giseke, "frappirte mich im eigentlichsten
Verstand. Niemals hatte ich einen solchen Schrecken, einen solchen Schauer
empfunden. Ich hatte garnicht die Meinung, daß ein ernsthafter Dichter mür¬
risch aussehn und keine Manieren haben müsse, aber ich stellte mir doch auch
nicht vor, daß der Verfasser des Messias so süß aussähe und so bis zur Voll¬
kommenheit schön wäre. Den folgenden Tag hatte ich mich fehr geputzt . .
Klopstock, der immer mehr tändelte, tändelte nun endlich Liebe. Er sagte, er
hasse die ernsthafte Liebe, wobei nur lauter Seufzer und Schmerzen wären.
Eine Frühlingsliebe wäre recht nach seinem Geschmack: nämlich eine, die
wenns hoch käme, einen ganzen Frühling dauerte. Ich setzte den Scherz sort..
Einmal mußte ich mich fast über seinen Schoß legen . . Er sah sehr auf¬
merksam nach meiner tour av KoiM, und seufzte. Ich bemerkte es, und wun¬
derte mich, denn ich hatte Klopstock bisher sür eiuen bloßen Geist gehalten.
Ich ward aber nicht böse darüber.. Ein Nebenumstand that die sehr gute
Wirkung auf Klopstock, daß er herflog und mich mit vielem Feuer küßte . .
Er las aus dem Messias, und hielt meine Hand. Unsere Hände wurden immer
heißer, und ich fühlte sehr viel, und ich glaube, Klopstock auch."

"Bei diesem Mädchen", schreibt Klopstock an Gleim, "habe ich meine
meiste Zeit in Hamburg zugebracht. Sie ist so voller Reize, daß ich mich


mittelmäßiges Stück und seine Oden kriechend, und Schmidtin gedenke nicht
mehr an ihn!"

Auf alle Fälle räth er ihm, das dänische Anerbieten anzunehmen, da es
mit den Aussichten in Berlin vorbei sei.

Kio p stock befolgte die Weisung: als er Febr. 1751 aus Zürich abreiste,
meldete er dem König von Dänemark in einer Ode seine bevorstehende Ankunft.
6. Mai fand er sich bei Gleim in Quedlinburg ein. Dieser, auch Ramler
und Giseke hatten sich seiner angenommen, am entschiedensten Kleist: „ich
sehe nicht ein, was Klopstock verbrochen! Er ist ja nicht der Messias selbst,
und wer weiß, ob nicht der Messias in Gesellschaft von Mädchen lustig ge¬
wesen ist. Die Herrn Schweizer haben fast alle nur eine Frauenzimmer-
Tugend, die andern kennen sie nicht."

Einige Zeit darauf hört Klopstock, daß Fanny krank gewesen. „Sollten
wohl", schreibt er ihr 14. März, „meine feierlichen Unterredungen mit Ihrem
Genius, und die frömmsten Gebete, die wohl jemals gethan worden sind, ein
wenig zu Ihrer Besserung beigetragen haben? Vielleicht haben Ihnen diese,
nach Ihrem eignen guten Herzen, am meisten geholfen."

Von Quedlinburg ging Klopstock nach Hamburg, wo er sich mit Hage¬
dorn befreundete. Giseke hatte ihm Briefe an eine Mlle. Metci Moller
gezeigt, die für den Messias schwärmte. 4. April stellte er sich ihr vor.

„Sein Anblick", schreibt Meta an Giseke, „frappirte mich im eigentlichsten
Verstand. Niemals hatte ich einen solchen Schrecken, einen solchen Schauer
empfunden. Ich hatte garnicht die Meinung, daß ein ernsthafter Dichter mür¬
risch aussehn und keine Manieren haben müsse, aber ich stellte mir doch auch
nicht vor, daß der Verfasser des Messias so süß aussähe und so bis zur Voll¬
kommenheit schön wäre. Den folgenden Tag hatte ich mich fehr geputzt . .
Klopstock, der immer mehr tändelte, tändelte nun endlich Liebe. Er sagte, er
hasse die ernsthafte Liebe, wobei nur lauter Seufzer und Schmerzen wären.
Eine Frühlingsliebe wäre recht nach seinem Geschmack: nämlich eine, die
wenns hoch käme, einen ganzen Frühling dauerte. Ich setzte den Scherz sort..
Einmal mußte ich mich fast über seinen Schoß legen . . Er sah sehr auf¬
merksam nach meiner tour av KoiM, und seufzte. Ich bemerkte es, und wun¬
derte mich, denn ich hatte Klopstock bisher sür eiuen bloßen Geist gehalten.
Ich ward aber nicht böse darüber.. Ein Nebenumstand that die sehr gute
Wirkung auf Klopstock, daß er herflog und mich mit vielem Feuer küßte . .
Er las aus dem Messias, und hielt meine Hand. Unsere Hände wurden immer
heißer, und ich fühlte sehr viel, und ich glaube, Klopstock auch."

„Bei diesem Mädchen", schreibt Klopstock an Gleim, „habe ich meine
meiste Zeit in Hamburg zugebracht. Sie ist so voller Reize, daß ich mich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/418>, abgerufen am 18.01.2025.