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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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solche Verabredungen, selbst wenn sie beschworen wären, nicht beobachtet wür¬
den. Zugleich ordnete er an, daß während der Zeit des Konklave in der
ganzen Christenheit Gebete für eine baldige Erleuchtung der Kardinäle veran¬
staltet würden. -- Von einer Aufhebung der früheren Bestimmungen war wie¬
derum nicht die Rede. Sie erfuhren nur eine Erweiterung durch Einführung
der Klausur und durch die Regel, daß die anwesenden Kardinäle das vollbe¬
rechtigte Kollegium bildeten.

Der Feuereifer Gregors des Zehnten war nicht ganz wirkungslos, wenn
auch alle seine Bemühungen und die schweren, für die Uebertretung angedroh¬
ten Strafen nicht verhindern konnten, daß sein Statut übertreten und geän¬
dert wurde. Denn wer konnte die folgenden Päpste, die ebenso unumschränkt
waren wie er, verhindern, neue Bestimmungen zu treffen?

Anfangs hatten die äußeren Zwangsmaßregeln den Erfolg, daß die Kar¬
dinäle trotz ihrer Unzufriedenheit mit dem peinvollen und gesundheitsschädlichen
Verfahren die Absicht Gregors erfüllten. Sein Nachfolger Innocenz V. wurde
binnen zehn Tagen, dessen Nachfolger Hadrian V/binnen siebzehn Tagen ge¬
wählt. Der Letztere jedoch, schon krank in das im Juli (1276) stattfindende
Konklave eingetreten, hatte von der Hitze so gelitten, daß er schon nach vier¬
zig Tagen starb. Er hatte ein Dekret abgefaßt, welches das Gregorianische
Statut aufheben sollte, konnte es aber nicht mehr veröffentlichen. Die Kar¬
dinäle wurden an der beabsichtigten Publikation durch das Volk von Viterbo
gehindert, welches die seinen Behörden durch Gregor zugetheilte Aufgabe rin
solcher Strenge aufrecht hielt, daß nach siebzehn Tagen Johann XXI. gewählt
ward. Gerade wegen des rigoroser Auftretens der Viterbesen schaffte dieser
das Gregorianische Statut rundweg ab, und da er starb ohne eine andere
Bestimmung zu treffen, so behielten nach seinem Tode die Kardinäle wiederum
volle Freiheit. Die Folge war, daß die beiden nächsten Vakanzen des Heiligen
Stuhles mehr als sechs Monate dauerten, worauf für die beiden folgenden
Konklave -- 1285 und 1288 -- die Kardinäle sich wieder freiwillig der Klau¬
sur unterwarfen, um gegen sich selbst Zwang auszuüben. In der letzten, die
in die heiße Jahreszeit fiel, starb eine größere Zahl von ihnen, weshalb der
nächste Papst -- Cölestin V. -- ohne Klausur und erst nach siebenundzwanzig
Monaten gewählt wurde. Dieser erneuerte das Statut Gregors X., was be¬
wirkte, daß das nächste Konklave nur elf Tage dauerte. Will man diese That¬
sachen nicht als einen Beweis von der Unterwerfung des Heiligen Geistes un¬
ter den Fastenzwang ansehen, so müssen sie doch als ein Zeugniß der kräftigen
Wirksamkeit des viel genannten Statuts anerkannt werden. Dasselbe wurde
abermals bestätigt von Clemens V., welcher es in einem Punkte noch genauer
präzisirte. Außer daß er nämlich die von den Kardinälen geltend gemachte


solche Verabredungen, selbst wenn sie beschworen wären, nicht beobachtet wür¬
den. Zugleich ordnete er an, daß während der Zeit des Konklave in der
ganzen Christenheit Gebete für eine baldige Erleuchtung der Kardinäle veran¬
staltet würden. — Von einer Aufhebung der früheren Bestimmungen war wie¬
derum nicht die Rede. Sie erfuhren nur eine Erweiterung durch Einführung
der Klausur und durch die Regel, daß die anwesenden Kardinäle das vollbe¬
rechtigte Kollegium bildeten.

Der Feuereifer Gregors des Zehnten war nicht ganz wirkungslos, wenn
auch alle seine Bemühungen und die schweren, für die Uebertretung angedroh¬
ten Strafen nicht verhindern konnten, daß sein Statut übertreten und geän¬
dert wurde. Denn wer konnte die folgenden Päpste, die ebenso unumschränkt
waren wie er, verhindern, neue Bestimmungen zu treffen?

Anfangs hatten die äußeren Zwangsmaßregeln den Erfolg, daß die Kar¬
dinäle trotz ihrer Unzufriedenheit mit dem peinvollen und gesundheitsschädlichen
Verfahren die Absicht Gregors erfüllten. Sein Nachfolger Innocenz V. wurde
binnen zehn Tagen, dessen Nachfolger Hadrian V/binnen siebzehn Tagen ge¬
wählt. Der Letztere jedoch, schon krank in das im Juli (1276) stattfindende
Konklave eingetreten, hatte von der Hitze so gelitten, daß er schon nach vier¬
zig Tagen starb. Er hatte ein Dekret abgefaßt, welches das Gregorianische
Statut aufheben sollte, konnte es aber nicht mehr veröffentlichen. Die Kar¬
dinäle wurden an der beabsichtigten Publikation durch das Volk von Viterbo
gehindert, welches die seinen Behörden durch Gregor zugetheilte Aufgabe rin
solcher Strenge aufrecht hielt, daß nach siebzehn Tagen Johann XXI. gewählt
ward. Gerade wegen des rigoroser Auftretens der Viterbesen schaffte dieser
das Gregorianische Statut rundweg ab, und da er starb ohne eine andere
Bestimmung zu treffen, so behielten nach seinem Tode die Kardinäle wiederum
volle Freiheit. Die Folge war, daß die beiden nächsten Vakanzen des Heiligen
Stuhles mehr als sechs Monate dauerten, worauf für die beiden folgenden
Konklave — 1285 und 1288 — die Kardinäle sich wieder freiwillig der Klau¬
sur unterwarfen, um gegen sich selbst Zwang auszuüben. In der letzten, die
in die heiße Jahreszeit fiel, starb eine größere Zahl von ihnen, weshalb der
nächste Papst — Cölestin V. — ohne Klausur und erst nach siebenundzwanzig
Monaten gewählt wurde. Dieser erneuerte das Statut Gregors X., was be¬
wirkte, daß das nächste Konklave nur elf Tage dauerte. Will man diese That¬
sachen nicht als einen Beweis von der Unterwerfung des Heiligen Geistes un¬
ter den Fastenzwang ansehen, so müssen sie doch als ein Zeugniß der kräftigen
Wirksamkeit des viel genannten Statuts anerkannt werden. Dasselbe wurde
abermals bestätigt von Clemens V., welcher es in einem Punkte noch genauer
präzisirte. Außer daß er nämlich die von den Kardinälen geltend gemachte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/340>, abgerufen am 27.09.2024.