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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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so wurden die uneinigen Kirchenfürsten auf Brod, Wein und Wasser gesetzt,
bis sie ihre Aufgabe erfüllt hatten. In der ganzen Zeit durften sie sich mit
nichts Anderem beschäftigen, noch auch etwas vou der Hinterlassenschaft des
Papstes oder seinen Einkünften, die inzwischen in der Hand des Kämmerers
waren, anrühren. War ein Kardinal nicht rechtzeitig in das Konklave einge¬
treten oder durch Krankheit zum Verlassen desselben genöthigt worden, so hatte
er keinen Antheil an der Wahl.

Man erstaunt über die Härte dieser Bestimmungen, durch welche die ober¬
sten Kirchenfürsten zur Ausübung ihres höchsten Rechtes fast wie Gefangene
durch harte Behandlung gezwungen werden sollten, um so mehr, als ein sol¬
cher materieller Zwang in schneidendem Kontraste mit der Voraussetzung steht,
daß die Wahl durch direkte Einwirkung des Heiligen Geistes zu Stande kommt,
der sich doch schwerlich durch Vorenthaltung von Fisch und Fleisch wird nö¬
thigen lassen auf die Kardinäle herabzusteigen. Noch erstaunlicher aber ist
das Mittel, welches Gregor anwendete, um sich der Beobcichtungeu seiner Be¬
stimmungen zu versichern. Dem Gehorsam der Kardinäle, die nach dem Tode
des Papstes ihre eigenen Herren waren, mißtrauend, nahm er die weltliche
Gewalt in Anspruch, um den Gehorsam der Kirchenfürsten zu erzwingen. Er
verordnete deshalb, daß die Herren und Behörden der Stadt, in welcher das
Konklave stattfinde, für die genane und unveränderte Vollziehung der neuen
Wahlordnung verantwortlich seien und deren Beobachtung sofort nach dem
Tode des Papstes vor versammeltem Klerus und Volk beschwören sollten.
Ueber die, welche es unterlassen würden, verhängte er die Exkommunikation
ixso t^oro, die dauernde Ehrlosigkeit, den Verlust und immerwährenden Aus¬
schluß vou allen Ehren, Aemtern und Würden und jedem Kirchenlehen, wäh¬
rend die betreffende Stadt das Interdikt treffen sollte. Eigenthümliches Walten
der geschichtlichen Entwickelung! Gerade damals, als nach den heftigsten, Jahr¬
hunderte langen Kämpfen die Wahl des Kirchenoberhauptes vom Einflüsse der
höchsten weltlichen Gewalt, des Kaisers, ganz frei gemacht war, mußte ein
unbedeutender Laie, ein Burgherr, Rektor oder Podesta eines kleinen Städt¬
chens bestellt werden, um eventuell durch gewaltsame Einschließung der Kir¬
chenfürsten die Ernennung eines Herrn der Christenheit zu erzwingen.

Den Kardinälen stellte Gregor in einem Erlaß noch einmal dringend die
hohe Bedeutung ihrer Wahlpflicht und die Nothwendigkeit einer beschleunigten
Einigung vor Angen. Damit sie jedoch nicht aus Scheu vor den Unannehm¬
lichkeiten des Konklave das alte wichtige Verbot der vorgängigen Verabredung
übertraten, erklärte er ausdrücklich jede vor dem Tode des Papstes getroffene
Bestimmung über die Person des Nachfolgers für null und nichtig, untersagte
ihre Aufrechthaltung und erklärte es für ein Gott wohlgefälliges Werk, wenn


so wurden die uneinigen Kirchenfürsten auf Brod, Wein und Wasser gesetzt,
bis sie ihre Aufgabe erfüllt hatten. In der ganzen Zeit durften sie sich mit
nichts Anderem beschäftigen, noch auch etwas vou der Hinterlassenschaft des
Papstes oder seinen Einkünften, die inzwischen in der Hand des Kämmerers
waren, anrühren. War ein Kardinal nicht rechtzeitig in das Konklave einge¬
treten oder durch Krankheit zum Verlassen desselben genöthigt worden, so hatte
er keinen Antheil an der Wahl.

Man erstaunt über die Härte dieser Bestimmungen, durch welche die ober¬
sten Kirchenfürsten zur Ausübung ihres höchsten Rechtes fast wie Gefangene
durch harte Behandlung gezwungen werden sollten, um so mehr, als ein sol¬
cher materieller Zwang in schneidendem Kontraste mit der Voraussetzung steht,
daß die Wahl durch direkte Einwirkung des Heiligen Geistes zu Stande kommt,
der sich doch schwerlich durch Vorenthaltung von Fisch und Fleisch wird nö¬
thigen lassen auf die Kardinäle herabzusteigen. Noch erstaunlicher aber ist
das Mittel, welches Gregor anwendete, um sich der Beobcichtungeu seiner Be¬
stimmungen zu versichern. Dem Gehorsam der Kardinäle, die nach dem Tode
des Papstes ihre eigenen Herren waren, mißtrauend, nahm er die weltliche
Gewalt in Anspruch, um den Gehorsam der Kirchenfürsten zu erzwingen. Er
verordnete deshalb, daß die Herren und Behörden der Stadt, in welcher das
Konklave stattfinde, für die genane und unveränderte Vollziehung der neuen
Wahlordnung verantwortlich seien und deren Beobachtung sofort nach dem
Tode des Papstes vor versammeltem Klerus und Volk beschwören sollten.
Ueber die, welche es unterlassen würden, verhängte er die Exkommunikation
ixso t^oro, die dauernde Ehrlosigkeit, den Verlust und immerwährenden Aus¬
schluß vou allen Ehren, Aemtern und Würden und jedem Kirchenlehen, wäh¬
rend die betreffende Stadt das Interdikt treffen sollte. Eigenthümliches Walten
der geschichtlichen Entwickelung! Gerade damals, als nach den heftigsten, Jahr¬
hunderte langen Kämpfen die Wahl des Kirchenoberhauptes vom Einflüsse der
höchsten weltlichen Gewalt, des Kaisers, ganz frei gemacht war, mußte ein
unbedeutender Laie, ein Burgherr, Rektor oder Podesta eines kleinen Städt¬
chens bestellt werden, um eventuell durch gewaltsame Einschließung der Kir¬
chenfürsten die Ernennung eines Herrn der Christenheit zu erzwingen.

Den Kardinälen stellte Gregor in einem Erlaß noch einmal dringend die
hohe Bedeutung ihrer Wahlpflicht und die Nothwendigkeit einer beschleunigten
Einigung vor Angen. Damit sie jedoch nicht aus Scheu vor den Unannehm¬
lichkeiten des Konklave das alte wichtige Verbot der vorgängigen Verabredung
übertraten, erklärte er ausdrücklich jede vor dem Tode des Papstes getroffene
Bestimmung über die Person des Nachfolgers für null und nichtig, untersagte
ihre Aufrechthaltung und erklärte es für ein Gott wohlgefälliges Werk, wenn


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[0339] so wurden die uneinigen Kirchenfürsten auf Brod, Wein und Wasser gesetzt, bis sie ihre Aufgabe erfüllt hatten. In der ganzen Zeit durften sie sich mit nichts Anderem beschäftigen, noch auch etwas vou der Hinterlassenschaft des Papstes oder seinen Einkünften, die inzwischen in der Hand des Kämmerers waren, anrühren. War ein Kardinal nicht rechtzeitig in das Konklave einge¬ treten oder durch Krankheit zum Verlassen desselben genöthigt worden, so hatte er keinen Antheil an der Wahl. Man erstaunt über die Härte dieser Bestimmungen, durch welche die ober¬ sten Kirchenfürsten zur Ausübung ihres höchsten Rechtes fast wie Gefangene durch harte Behandlung gezwungen werden sollten, um so mehr, als ein sol¬ cher materieller Zwang in schneidendem Kontraste mit der Voraussetzung steht, daß die Wahl durch direkte Einwirkung des Heiligen Geistes zu Stande kommt, der sich doch schwerlich durch Vorenthaltung von Fisch und Fleisch wird nö¬ thigen lassen auf die Kardinäle herabzusteigen. Noch erstaunlicher aber ist das Mittel, welches Gregor anwendete, um sich der Beobcichtungeu seiner Be¬ stimmungen zu versichern. Dem Gehorsam der Kardinäle, die nach dem Tode des Papstes ihre eigenen Herren waren, mißtrauend, nahm er die weltliche Gewalt in Anspruch, um den Gehorsam der Kirchenfürsten zu erzwingen. Er verordnete deshalb, daß die Herren und Behörden der Stadt, in welcher das Konklave stattfinde, für die genane und unveränderte Vollziehung der neuen Wahlordnung verantwortlich seien und deren Beobachtung sofort nach dem Tode des Papstes vor versammeltem Klerus und Volk beschwören sollten. Ueber die, welche es unterlassen würden, verhängte er die Exkommunikation ixso t^oro, die dauernde Ehrlosigkeit, den Verlust und immerwährenden Aus¬ schluß vou allen Ehren, Aemtern und Würden und jedem Kirchenlehen, wäh¬ rend die betreffende Stadt das Interdikt treffen sollte. Eigenthümliches Walten der geschichtlichen Entwickelung! Gerade damals, als nach den heftigsten, Jahr¬ hunderte langen Kämpfen die Wahl des Kirchenoberhauptes vom Einflüsse der höchsten weltlichen Gewalt, des Kaisers, ganz frei gemacht war, mußte ein unbedeutender Laie, ein Burgherr, Rektor oder Podesta eines kleinen Städt¬ chens bestellt werden, um eventuell durch gewaltsame Einschließung der Kir¬ chenfürsten die Ernennung eines Herrn der Christenheit zu erzwingen. Den Kardinälen stellte Gregor in einem Erlaß noch einmal dringend die hohe Bedeutung ihrer Wahlpflicht und die Nothwendigkeit einer beschleunigten Einigung vor Angen. Damit sie jedoch nicht aus Scheu vor den Unannehm¬ lichkeiten des Konklave das alte wichtige Verbot der vorgängigen Verabredung übertraten, erklärte er ausdrücklich jede vor dem Tode des Papstes getroffene Bestimmung über die Person des Nachfolgers für null und nichtig, untersagte ihre Aufrechthaltung und erklärte es für ein Gott wohlgefälliges Werk, wenn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/339>, abgerufen am 27.09.2024.