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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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bereits zerstört und wenden uns nun zu den Resultaten der Schliemcmnschen
Ausgrabungen.

Zu dem Entschluß, auf der geschilderten Stätte hinter dem Löwenthor
tiefer zu graben, wurde Schliemann dnrch die Auffindung mehrerer Grabsteine
ans mehr oder minder hartem Kalkstein gebracht. Er schloß aus diesem Funde
mit Recht auf das Vorhandensein von Gräbern, und die Folge hat seinen
Schluß gerechtfertigt. Auf den Grabsteinen befanden sich außer spiralförmigen
und mäanderartigen Bandornamenten merkwürdige Darstellungen von Jagden;
ein Krieger verfolgt zu Wagen in gestrecktem Laufe irgend ein flüchtiges Wild.
Man erkennt deutlich einen Löwen, ein anderes Mal einen Hirsch. Stoff und
Form dieser Darstellungen erinnert auf den ersten Anblick an die ägyptischen
Wandgemälde, dann bei schärferem Zusehn an die Reliefs auf den Alabaster¬
tafeln, die in dem weitläufigen Königspalaste von Ninive gefunden worden
und auf denen die assyrischen Könige ebenfalls häufig als Jäger dargestellt sind.

Noch schlagender tritt uns diese Verwandtschaft entgegen, wenn wir die
Ornamente auf den in den Gräbern gefundenen, goldenen Schmucksachen mit
den skrupulös genauen Trachtenbildern der Assyrier vergleichen, die uns eben
jene Alabastertafeln aufbewahrt haben. Schliemann entdeckte also, wie bereits
erwähnt, unter den Grabstellen fünf in den Felsen gehauene Gräber, von
denen das eine beispielsweise 21 Fuß 5 Zoll lang und 10 Fuß 4 Zoll breit
war. Um zu einem der Gräber zu gelangen, mußte Schliemann 25 Fuß tief
graben. Man kann sich danach ungefähr einen Begriff von der Höhe der
Aufschüttung machen, welche die späteren Mykenäer vorgenommen haben.
Wenn es übrigens noch eines weiteren Beweises für das späte Alter dieser
Aufschüttung bedarf, so mag der von Schliemann als "erstaunlich" be¬
zeichnete Umstand dafür gelten, daß sich in dem Schütte Bruchstücke von be¬
malten, auf der Töpferscheibe gedrehten Vasen vorfanden, "die entschieden einer
späteren, aber jedenfalls der Einnahme von Mykenae vorangehenden Zeit an¬
gehören."

In diesen fünf Grabkammern fand Schliemann fünfzehn Skelette. An
einem derselben -- es ist dasjenige, welches Schliemann in seiner ersten Freude
als das des Agamemnon bezeichnete -- waren sogar noch die Fleischtheile er¬
halten, die jedoch bei der Berührung mit der frischen Luft allmälig zerfielen.
Rings um die Skelette, die zum Theil mit Kieselsteinen, mit Holzasche und
anderen verbrannten Resten bedeckt waren, fand Schliemann eine ungeheure
Menge von goldenen Schmuckgegenstünden, goldene und silberne Becher,
Schwerter und Lanzenspitzen aus Bronze und Obsidian, kupferne und irdene
Gefäße, Gegenstände aus Krystall, kurz eine Fülle von Objekten, die, wie
Schliemann in seinem Telegramme an den König von Griechenland mit


bereits zerstört und wenden uns nun zu den Resultaten der Schliemcmnschen
Ausgrabungen.

Zu dem Entschluß, auf der geschilderten Stätte hinter dem Löwenthor
tiefer zu graben, wurde Schliemann dnrch die Auffindung mehrerer Grabsteine
ans mehr oder minder hartem Kalkstein gebracht. Er schloß aus diesem Funde
mit Recht auf das Vorhandensein von Gräbern, und die Folge hat seinen
Schluß gerechtfertigt. Auf den Grabsteinen befanden sich außer spiralförmigen
und mäanderartigen Bandornamenten merkwürdige Darstellungen von Jagden;
ein Krieger verfolgt zu Wagen in gestrecktem Laufe irgend ein flüchtiges Wild.
Man erkennt deutlich einen Löwen, ein anderes Mal einen Hirsch. Stoff und
Form dieser Darstellungen erinnert auf den ersten Anblick an die ägyptischen
Wandgemälde, dann bei schärferem Zusehn an die Reliefs auf den Alabaster¬
tafeln, die in dem weitläufigen Königspalaste von Ninive gefunden worden
und auf denen die assyrischen Könige ebenfalls häufig als Jäger dargestellt sind.

Noch schlagender tritt uns diese Verwandtschaft entgegen, wenn wir die
Ornamente auf den in den Gräbern gefundenen, goldenen Schmucksachen mit
den skrupulös genauen Trachtenbildern der Assyrier vergleichen, die uns eben
jene Alabastertafeln aufbewahrt haben. Schliemann entdeckte also, wie bereits
erwähnt, unter den Grabstellen fünf in den Felsen gehauene Gräber, von
denen das eine beispielsweise 21 Fuß 5 Zoll lang und 10 Fuß 4 Zoll breit
war. Um zu einem der Gräber zu gelangen, mußte Schliemann 25 Fuß tief
graben. Man kann sich danach ungefähr einen Begriff von der Höhe der
Aufschüttung machen, welche die späteren Mykenäer vorgenommen haben.
Wenn es übrigens noch eines weiteren Beweises für das späte Alter dieser
Aufschüttung bedarf, so mag der von Schliemann als „erstaunlich" be¬
zeichnete Umstand dafür gelten, daß sich in dem Schütte Bruchstücke von be¬
malten, auf der Töpferscheibe gedrehten Vasen vorfanden, „die entschieden einer
späteren, aber jedenfalls der Einnahme von Mykenae vorangehenden Zeit an¬
gehören."

In diesen fünf Grabkammern fand Schliemann fünfzehn Skelette. An
einem derselben — es ist dasjenige, welches Schliemann in seiner ersten Freude
als das des Agamemnon bezeichnete — waren sogar noch die Fleischtheile er¬
halten, die jedoch bei der Berührung mit der frischen Luft allmälig zerfielen.
Rings um die Skelette, die zum Theil mit Kieselsteinen, mit Holzasche und
anderen verbrannten Resten bedeckt waren, fand Schliemann eine ungeheure
Menge von goldenen Schmuckgegenstünden, goldene und silberne Becher,
Schwerter und Lanzenspitzen aus Bronze und Obsidian, kupferne und irdene
Gefäße, Gegenstände aus Krystall, kurz eine Fülle von Objekten, die, wie
Schliemann in seinem Telegramme an den König von Griechenland mit


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[0298] bereits zerstört und wenden uns nun zu den Resultaten der Schliemcmnschen Ausgrabungen. Zu dem Entschluß, auf der geschilderten Stätte hinter dem Löwenthor tiefer zu graben, wurde Schliemann dnrch die Auffindung mehrerer Grabsteine ans mehr oder minder hartem Kalkstein gebracht. Er schloß aus diesem Funde mit Recht auf das Vorhandensein von Gräbern, und die Folge hat seinen Schluß gerechtfertigt. Auf den Grabsteinen befanden sich außer spiralförmigen und mäanderartigen Bandornamenten merkwürdige Darstellungen von Jagden; ein Krieger verfolgt zu Wagen in gestrecktem Laufe irgend ein flüchtiges Wild. Man erkennt deutlich einen Löwen, ein anderes Mal einen Hirsch. Stoff und Form dieser Darstellungen erinnert auf den ersten Anblick an die ägyptischen Wandgemälde, dann bei schärferem Zusehn an die Reliefs auf den Alabaster¬ tafeln, die in dem weitläufigen Königspalaste von Ninive gefunden worden und auf denen die assyrischen Könige ebenfalls häufig als Jäger dargestellt sind. Noch schlagender tritt uns diese Verwandtschaft entgegen, wenn wir die Ornamente auf den in den Gräbern gefundenen, goldenen Schmucksachen mit den skrupulös genauen Trachtenbildern der Assyrier vergleichen, die uns eben jene Alabastertafeln aufbewahrt haben. Schliemann entdeckte also, wie bereits erwähnt, unter den Grabstellen fünf in den Felsen gehauene Gräber, von denen das eine beispielsweise 21 Fuß 5 Zoll lang und 10 Fuß 4 Zoll breit war. Um zu einem der Gräber zu gelangen, mußte Schliemann 25 Fuß tief graben. Man kann sich danach ungefähr einen Begriff von der Höhe der Aufschüttung machen, welche die späteren Mykenäer vorgenommen haben. Wenn es übrigens noch eines weiteren Beweises für das späte Alter dieser Aufschüttung bedarf, so mag der von Schliemann als „erstaunlich" be¬ zeichnete Umstand dafür gelten, daß sich in dem Schütte Bruchstücke von be¬ malten, auf der Töpferscheibe gedrehten Vasen vorfanden, „die entschieden einer späteren, aber jedenfalls der Einnahme von Mykenae vorangehenden Zeit an¬ gehören." In diesen fünf Grabkammern fand Schliemann fünfzehn Skelette. An einem derselben — es ist dasjenige, welches Schliemann in seiner ersten Freude als das des Agamemnon bezeichnete — waren sogar noch die Fleischtheile er¬ halten, die jedoch bei der Berührung mit der frischen Luft allmälig zerfielen. Rings um die Skelette, die zum Theil mit Kieselsteinen, mit Holzasche und anderen verbrannten Resten bedeckt waren, fand Schliemann eine ungeheure Menge von goldenen Schmuckgegenstünden, goldene und silberne Becher, Schwerter und Lanzenspitzen aus Bronze und Obsidian, kupferne und irdene Gefäße, Gegenstände aus Krystall, kurz eine Fülle von Objekten, die, wie Schliemann in seinem Telegramme an den König von Griechenland mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/298>, abgerufen am 27.09.2024.