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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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frei machen können. Es war durchaus im Sinne einer großen Politik, daß
Athen den Aegyptern eine Flotte zu Hilfe sandte.

Doch gerade in diesem Augenblicke, wo es so recht entschieden den Ge¬
danken des Hellenismus nach Außen hin vertrat, wurde Athen von seinen
inneren Neidern augegriffen. Korinth, Epidnuros und Aigina begannen i. I.
458 den Krieg, Sparta führte ihn fort.

Das kühnste Wagniß attischer Politik mißlang. Aegypten erlag deu Per¬
sern. Nach schweren Verlusten dort, nach blutigen, 13 Jahre währenden
Kämpfen in Griechenland, nach der Niederlage bei Koroneia (447) schloß Athen
im Jahre 445 einen dreißigjährigen Waffenstillstand mit den Spartanern, um
den Barbaren gegenüber freie Hand zu bekommen. Ans die Hegemonie zu
Lande verzichtete Athen. Es behielt nur die Führung der Seestaateu.

Aber Sparta war nicht versöhnt und ebenso wenig waren es die aristo¬
kratischen Staaten oder der Partikularismus. Die unzufriedenen Bundesgenossen
der Athener hatten an Persien und Lakonien steten Rückhalt. Eine dreifache
Gefahr drohte den Athenern: die Eifersucht Spartas und der Herrenstaaten,
der lauernde Haß der Perser und der Abfall der Bündner. Der leitende
Staatsmann Attika's, Perikles, suchte durch weise Mäßigung und strenges
Innehalten des Vertragsrechtes die Gefahr zu beschwören; aber indem er die
attische Seemacht durchaus nur innerhalb der einmal erreichten Grenzen auf¬
recht zu erhalten bestrebt war, verlor Athen nach Außer hin die Initiative
während in seinem Inneren jene Opposition erstarkte, welche das Heil nur in
immer weiterer Steigerung der Demokratie und in der Ausdehnung der attischen
Herrschaft über die Pontischen und die italisch-sizilischen Griechenstädte er¬
blicken mochte.

Im Jahre 431 brach die lange Spannung und es begann der verhängniß-
volle peloponnesische Krieg, welcher die hellenische Welt bis in ihre
Grundfesten zerrüttete. Athen erscheint in diesem großen Ringen vorwiegend
als Seemacht; ihm stauben bedeutende Geldkräfte zu Gebote; es vermochte den
Krieg in die Länge zu ziehn. Sparta war Landmacht; es konnte wohl starke
Aufgebote in's Feld stellen, da ihm mit Ausnahme von Argos und Achaia
der ganze Peloponnes Heeresfolge leistete; aber es vermochte diese Heere nie
lange im Felde zu erhalten. -- Das Verhältniß der Bundesgenossenschaften
beider Landschaften war keineswegs fest und sicher. Die stärkeren suchten in
der Zwietracht Attikas und Lakoniens die Gewähr ihrer Selbständigkeit; die
schwächeren schlössen sich stets an den, der augenblicklich das Uebergewicht zu
haben schien. Immer galt es, den Bundesgenossen gegenüber, Parteien zu
stützen und allgegenwärtig zu imponiren. Das letztere vermochte der Seestaat
Athen leichter als die Landmacht Sparta; diese jedoch, bei der die diplomatischen


frei machen können. Es war durchaus im Sinne einer großen Politik, daß
Athen den Aegyptern eine Flotte zu Hilfe sandte.

Doch gerade in diesem Augenblicke, wo es so recht entschieden den Ge¬
danken des Hellenismus nach Außen hin vertrat, wurde Athen von seinen
inneren Neidern augegriffen. Korinth, Epidnuros und Aigina begannen i. I.
458 den Krieg, Sparta führte ihn fort.

Das kühnste Wagniß attischer Politik mißlang. Aegypten erlag deu Per¬
sern. Nach schweren Verlusten dort, nach blutigen, 13 Jahre währenden
Kämpfen in Griechenland, nach der Niederlage bei Koroneia (447) schloß Athen
im Jahre 445 einen dreißigjährigen Waffenstillstand mit den Spartanern, um
den Barbaren gegenüber freie Hand zu bekommen. Ans die Hegemonie zu
Lande verzichtete Athen. Es behielt nur die Führung der Seestaateu.

Aber Sparta war nicht versöhnt und ebenso wenig waren es die aristo¬
kratischen Staaten oder der Partikularismus. Die unzufriedenen Bundesgenossen
der Athener hatten an Persien und Lakonien steten Rückhalt. Eine dreifache
Gefahr drohte den Athenern: die Eifersucht Spartas und der Herrenstaaten,
der lauernde Haß der Perser und der Abfall der Bündner. Der leitende
Staatsmann Attika's, Perikles, suchte durch weise Mäßigung und strenges
Innehalten des Vertragsrechtes die Gefahr zu beschwören; aber indem er die
attische Seemacht durchaus nur innerhalb der einmal erreichten Grenzen auf¬
recht zu erhalten bestrebt war, verlor Athen nach Außer hin die Initiative
während in seinem Inneren jene Opposition erstarkte, welche das Heil nur in
immer weiterer Steigerung der Demokratie und in der Ausdehnung der attischen
Herrschaft über die Pontischen und die italisch-sizilischen Griechenstädte er¬
blicken mochte.

Im Jahre 431 brach die lange Spannung und es begann der verhängniß-
volle peloponnesische Krieg, welcher die hellenische Welt bis in ihre
Grundfesten zerrüttete. Athen erscheint in diesem großen Ringen vorwiegend
als Seemacht; ihm stauben bedeutende Geldkräfte zu Gebote; es vermochte den
Krieg in die Länge zu ziehn. Sparta war Landmacht; es konnte wohl starke
Aufgebote in's Feld stellen, da ihm mit Ausnahme von Argos und Achaia
der ganze Peloponnes Heeresfolge leistete; aber es vermochte diese Heere nie
lange im Felde zu erhalten. — Das Verhältniß der Bundesgenossenschaften
beider Landschaften war keineswegs fest und sicher. Die stärkeren suchten in
der Zwietracht Attikas und Lakoniens die Gewähr ihrer Selbständigkeit; die
schwächeren schlössen sich stets an den, der augenblicklich das Uebergewicht zu
haben schien. Immer galt es, den Bundesgenossen gegenüber, Parteien zu
stützen und allgegenwärtig zu imponiren. Das letztere vermochte der Seestaat
Athen leichter als die Landmacht Sparta; diese jedoch, bei der die diplomatischen


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[0213] frei machen können. Es war durchaus im Sinne einer großen Politik, daß Athen den Aegyptern eine Flotte zu Hilfe sandte. Doch gerade in diesem Augenblicke, wo es so recht entschieden den Ge¬ danken des Hellenismus nach Außen hin vertrat, wurde Athen von seinen inneren Neidern augegriffen. Korinth, Epidnuros und Aigina begannen i. I. 458 den Krieg, Sparta führte ihn fort. Das kühnste Wagniß attischer Politik mißlang. Aegypten erlag deu Per¬ sern. Nach schweren Verlusten dort, nach blutigen, 13 Jahre währenden Kämpfen in Griechenland, nach der Niederlage bei Koroneia (447) schloß Athen im Jahre 445 einen dreißigjährigen Waffenstillstand mit den Spartanern, um den Barbaren gegenüber freie Hand zu bekommen. Ans die Hegemonie zu Lande verzichtete Athen. Es behielt nur die Führung der Seestaateu. Aber Sparta war nicht versöhnt und ebenso wenig waren es die aristo¬ kratischen Staaten oder der Partikularismus. Die unzufriedenen Bundesgenossen der Athener hatten an Persien und Lakonien steten Rückhalt. Eine dreifache Gefahr drohte den Athenern: die Eifersucht Spartas und der Herrenstaaten, der lauernde Haß der Perser und der Abfall der Bündner. Der leitende Staatsmann Attika's, Perikles, suchte durch weise Mäßigung und strenges Innehalten des Vertragsrechtes die Gefahr zu beschwören; aber indem er die attische Seemacht durchaus nur innerhalb der einmal erreichten Grenzen auf¬ recht zu erhalten bestrebt war, verlor Athen nach Außer hin die Initiative während in seinem Inneren jene Opposition erstarkte, welche das Heil nur in immer weiterer Steigerung der Demokratie und in der Ausdehnung der attischen Herrschaft über die Pontischen und die italisch-sizilischen Griechenstädte er¬ blicken mochte. Im Jahre 431 brach die lange Spannung und es begann der verhängniß- volle peloponnesische Krieg, welcher die hellenische Welt bis in ihre Grundfesten zerrüttete. Athen erscheint in diesem großen Ringen vorwiegend als Seemacht; ihm stauben bedeutende Geldkräfte zu Gebote; es vermochte den Krieg in die Länge zu ziehn. Sparta war Landmacht; es konnte wohl starke Aufgebote in's Feld stellen, da ihm mit Ausnahme von Argos und Achaia der ganze Peloponnes Heeresfolge leistete; aber es vermochte diese Heere nie lange im Felde zu erhalten. — Das Verhältniß der Bundesgenossenschaften beider Landschaften war keineswegs fest und sicher. Die stärkeren suchten in der Zwietracht Attikas und Lakoniens die Gewähr ihrer Selbständigkeit; die schwächeren schlössen sich stets an den, der augenblicklich das Uebergewicht zu haben schien. Immer galt es, den Bundesgenossen gegenüber, Parteien zu stützen und allgegenwärtig zu imponiren. Das letztere vermochte der Seestaat Athen leichter als die Landmacht Sparta; diese jedoch, bei der die diplomatischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/213>, abgerufen am 27.09.2024.