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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Dinge heimlich gehandhabt wurden, konnte durch politische Zusicherungen und
direkte Bestechungen auf die Parteihäupter wirken, was bei der attischen Art,
alles auf offenem Markte zu verhandeln, schwer anging. Endlich aber genoß
Sparta auch des Vortheils, daß seine Macht auf dem Peloponnese konzen-
trirt war und doch zugleich durch die Verfügung über Böotien unmittelbar
im Rücken von Attika stand, während die zu diese>'.i Staate haltenden Ge¬
biete über das weite Meer zerstreut lagen,^)

Der große Leiter der attischen Angelegenheiten warPerikles. Er
führte den Vorsitz in dem Kollegium der zehn, jährlich gewählten Strategen
und war der jederzeitige mit außerordentlicher Machtvollkommenheit bekleidete
Oberfeldherr. Als solcher hatte er über die Sicherheit des Staates zu wachen,
die finanziellen und legislativen Anträge zu stellen in Bezug auf das Kriegs¬
wesen und alles, was damit zusammenhing, sowie endlich auch die auswärtigen
Angelegenheiten zu leiten. Diese oberfeldherrliche Macht des Perikles wurde
uoch dadurch erhöht, daß er neben dein Feldherrnamte wiederholt das vierjährige
Wahlamt des Finanzverwalters bekleidete. In rein militärischen Dingen be¬
diente er sich des Menippos als Rathgebers und Helfers, hinsichtlich der mili¬
tärischen Verkehrsangelegeuheiten hielt ihm Metivchvs Vortrag.^) Perikles
erkannte die Unmöglichkeit, mit den ihm zur Verfügung stehenden Streitkräften,
die ganze Halbinsel Attika zu halten, und konzentrirte deshalb auch die Land¬
bevölkerung in Athen. Attika war durchaus einem Feldlager zu vergleichen, dessen
Insassen stets gerüstet und bereit sein mußten, zu kämpfen. Die Bundesge¬
nossen gaben Geld, brachten auch wohl etwas Mannschaft auf; aber die
Hauptsache, die eigentliche Arbeit des Krieges, lag doch immer auf den attischen
Phhlen. Sie stellten 29,000 Schwerbewaffnete, von denen 13,000 zu Angriffs-
Unternehmungen verfügbar waren. -- Die Reiterei durchstreifte das attische
Gebiet; im Uebrigen aber wurde die Landschaft preisgegeben. Nur die, un¬
mittelbar nach den Perserknegeu erbauten Grenzplätze behielt man besetzt, und
zwar mit den Epheben, den jungen Wehrpflichtigen von 18 bis 20 Jahren,
welche dort als Grenzer im kleinen Kriege ihre Waffenschule machten. Aus
den Ertrag des attischen Bodens war unter solchen Umständen nicht zu rechnen;
man bezog die Verpflegung von Euboia, wozu ein Theil der Flotte bestimmt
war. Ein anderer Theil derselben kreuzte in den Gewässern der Bundes¬
genossen, um diese tren und unterthänig zu erhalten; der dritte Theil endlich
war für die Beunruhigung des Peloponnes bestimmt. Leider vermochte man




Rüstow und Köchin: Geschichte des Griech, Kriegswesens.
**) A. Schmidt a. a. O. -- Vergl. auch FMeul- Das Zeitalter des Perikles. -
Deutsch bearbeitet von Wühler. Leipzig l874.

Dinge heimlich gehandhabt wurden, konnte durch politische Zusicherungen und
direkte Bestechungen auf die Parteihäupter wirken, was bei der attischen Art,
alles auf offenem Markte zu verhandeln, schwer anging. Endlich aber genoß
Sparta auch des Vortheils, daß seine Macht auf dem Peloponnese konzen-
trirt war und doch zugleich durch die Verfügung über Böotien unmittelbar
im Rücken von Attika stand, während die zu diese>'.i Staate haltenden Ge¬
biete über das weite Meer zerstreut lagen,^)

Der große Leiter der attischen Angelegenheiten warPerikles. Er
führte den Vorsitz in dem Kollegium der zehn, jährlich gewählten Strategen
und war der jederzeitige mit außerordentlicher Machtvollkommenheit bekleidete
Oberfeldherr. Als solcher hatte er über die Sicherheit des Staates zu wachen,
die finanziellen und legislativen Anträge zu stellen in Bezug auf das Kriegs¬
wesen und alles, was damit zusammenhing, sowie endlich auch die auswärtigen
Angelegenheiten zu leiten. Diese oberfeldherrliche Macht des Perikles wurde
uoch dadurch erhöht, daß er neben dein Feldherrnamte wiederholt das vierjährige
Wahlamt des Finanzverwalters bekleidete. In rein militärischen Dingen be¬
diente er sich des Menippos als Rathgebers und Helfers, hinsichtlich der mili¬
tärischen Verkehrsangelegeuheiten hielt ihm Metivchvs Vortrag.^) Perikles
erkannte die Unmöglichkeit, mit den ihm zur Verfügung stehenden Streitkräften,
die ganze Halbinsel Attika zu halten, und konzentrirte deshalb auch die Land¬
bevölkerung in Athen. Attika war durchaus einem Feldlager zu vergleichen, dessen
Insassen stets gerüstet und bereit sein mußten, zu kämpfen. Die Bundesge¬
nossen gaben Geld, brachten auch wohl etwas Mannschaft auf; aber die
Hauptsache, die eigentliche Arbeit des Krieges, lag doch immer auf den attischen
Phhlen. Sie stellten 29,000 Schwerbewaffnete, von denen 13,000 zu Angriffs-
Unternehmungen verfügbar waren. — Die Reiterei durchstreifte das attische
Gebiet; im Uebrigen aber wurde die Landschaft preisgegeben. Nur die, un¬
mittelbar nach den Perserknegeu erbauten Grenzplätze behielt man besetzt, und
zwar mit den Epheben, den jungen Wehrpflichtigen von 18 bis 20 Jahren,
welche dort als Grenzer im kleinen Kriege ihre Waffenschule machten. Aus
den Ertrag des attischen Bodens war unter solchen Umständen nicht zu rechnen;
man bezog die Verpflegung von Euboia, wozu ein Theil der Flotte bestimmt
war. Ein anderer Theil derselben kreuzte in den Gewässern der Bundes¬
genossen, um diese tren und unterthänig zu erhalten; der dritte Theil endlich
war für die Beunruhigung des Peloponnes bestimmt. Leider vermochte man




Rüstow und Köchin: Geschichte des Griech, Kriegswesens.
**) A. Schmidt a. a. O. — Vergl. auch FMeul- Das Zeitalter des Perikles. -
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[0214] Dinge heimlich gehandhabt wurden, konnte durch politische Zusicherungen und direkte Bestechungen auf die Parteihäupter wirken, was bei der attischen Art, alles auf offenem Markte zu verhandeln, schwer anging. Endlich aber genoß Sparta auch des Vortheils, daß seine Macht auf dem Peloponnese konzen- trirt war und doch zugleich durch die Verfügung über Böotien unmittelbar im Rücken von Attika stand, während die zu diese>'.i Staate haltenden Ge¬ biete über das weite Meer zerstreut lagen,^) Der große Leiter der attischen Angelegenheiten warPerikles. Er führte den Vorsitz in dem Kollegium der zehn, jährlich gewählten Strategen und war der jederzeitige mit außerordentlicher Machtvollkommenheit bekleidete Oberfeldherr. Als solcher hatte er über die Sicherheit des Staates zu wachen, die finanziellen und legislativen Anträge zu stellen in Bezug auf das Kriegs¬ wesen und alles, was damit zusammenhing, sowie endlich auch die auswärtigen Angelegenheiten zu leiten. Diese oberfeldherrliche Macht des Perikles wurde uoch dadurch erhöht, daß er neben dein Feldherrnamte wiederholt das vierjährige Wahlamt des Finanzverwalters bekleidete. In rein militärischen Dingen be¬ diente er sich des Menippos als Rathgebers und Helfers, hinsichtlich der mili¬ tärischen Verkehrsangelegeuheiten hielt ihm Metivchvs Vortrag.^) Perikles erkannte die Unmöglichkeit, mit den ihm zur Verfügung stehenden Streitkräften, die ganze Halbinsel Attika zu halten, und konzentrirte deshalb auch die Land¬ bevölkerung in Athen. Attika war durchaus einem Feldlager zu vergleichen, dessen Insassen stets gerüstet und bereit sein mußten, zu kämpfen. Die Bundesge¬ nossen gaben Geld, brachten auch wohl etwas Mannschaft auf; aber die Hauptsache, die eigentliche Arbeit des Krieges, lag doch immer auf den attischen Phhlen. Sie stellten 29,000 Schwerbewaffnete, von denen 13,000 zu Angriffs- Unternehmungen verfügbar waren. — Die Reiterei durchstreifte das attische Gebiet; im Uebrigen aber wurde die Landschaft preisgegeben. Nur die, un¬ mittelbar nach den Perserknegeu erbauten Grenzplätze behielt man besetzt, und zwar mit den Epheben, den jungen Wehrpflichtigen von 18 bis 20 Jahren, welche dort als Grenzer im kleinen Kriege ihre Waffenschule machten. Aus den Ertrag des attischen Bodens war unter solchen Umständen nicht zu rechnen; man bezog die Verpflegung von Euboia, wozu ein Theil der Flotte bestimmt war. Ein anderer Theil derselben kreuzte in den Gewässern der Bundes¬ genossen, um diese tren und unterthänig zu erhalten; der dritte Theil endlich war für die Beunruhigung des Peloponnes bestimmt. Leider vermochte man Rüstow und Köchin: Geschichte des Griech, Kriegswesens. **) A. Schmidt a. a. O. — Vergl. auch FMeul- Das Zeitalter des Perikles. - Deutsch bearbeitet von Wühler. Leipzig l874.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/214>, abgerufen am 27.09.2024.