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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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dies vom Zeugniß und der Schilderung dessen gelten, bei welchem hinsichtlich
so vieler Vorgänge die Fäden zusammen liefen.

Der vorliegende erste Band wird freilich das meiste Interesse in Hessen
erregen, erst die folgenden Bände werden von allgemeinerer Bedeutung sein.
Der erste Band enthält eine große Menge speciell hessischer Bezüglichkeiten, er
gewährt uns ein vollständiges Bild des für Hessen bedeutungsvoll gewordenen
Mannes, der uns sein Elternhaus und seine Dorfschnlzeit, die Freuden seiner
Jugend als Scheibenkuker, beim Eichellesen und auf den Klapperjagden, seiue
Gymnasial- und Universitütsjahre und die Zeit seines Staatsvorbereitungs-
dienstes in Kassel schildert, wo er in heiterer Ironie die verkommenen vor¬
märzlichen Zustände beleuchtet. Von allgemeinerem Interesse sind die Notizen
über die Freundschaft mit Dingelstedt, mit dem er die Schule besuchte und
der dem Freunde in der Zeit des ersten Ringens sich offen mittheilte, sowie
eine Anzahl der ansprechendsten Gedichte aus der Zeit seiner Verbannung
auf Helgoland. Auch ist der Inhalt dieses Bandes in vieler Beziehung kultur¬
geschichtlich interessant. Nach der Vorrede soll der folgende die Zeit
seiner öffentlichen Thätigkeit und seines Flüchtlingslebens bis 1859, ein dritter
"die weiteren Kämpfe und Bestrebungen in Kassel und Berlin, namentlich den
zweiten Verfassuugsstreit und die Hauptvorgänge bei und nach der Einverlei¬
bung Kurhesseus" umfassen.




Literatur. ,
Der russisch-türkische Krieg 18 77. Bon Wilhelm Müller, Professor in
Tübingen. 1. Lieferung. Stuttgart, Verlag von Karl Krabbe. 1877.

So weit sich aus der ersten Lieferung schließen läßt, scheint der Verfasser,
der durch die "Politische Geschichte der Gegenwart" einen Namen gewonnen
hat, und dem wir schon eine Geschichte des deutsch-französischen Krieges ver¬
danken, bei der vorliegenden Arbeit weniger an malerische Beschreibung der
Ereignisse zu denken als daran, seine Leser die Ursachen des jetzt auf der
Balkanhalbinsel entbrannten Kampfes und dessen Natur kennen zu lehren.
Diese Lieferung enthält das "Vorspiel am Bosporus", d. h. eine Darlegung
der Thatsachen, welche zu diesem Kriege geführt haben, eine Charakteristik der
dabei in Frage kommenden bedeutenden Personen und Blicke auf die Stellung
der einzelnen Großmächte zur orientalischen Krisis. Dabei unterläßt der
Verfasser nicht, eine Statistik der Nationalitätsverhältnisse in der Türkei, Rußland


dies vom Zeugniß und der Schilderung dessen gelten, bei welchem hinsichtlich
so vieler Vorgänge die Fäden zusammen liefen.

Der vorliegende erste Band wird freilich das meiste Interesse in Hessen
erregen, erst die folgenden Bände werden von allgemeinerer Bedeutung sein.
Der erste Band enthält eine große Menge speciell hessischer Bezüglichkeiten, er
gewährt uns ein vollständiges Bild des für Hessen bedeutungsvoll gewordenen
Mannes, der uns sein Elternhaus und seine Dorfschnlzeit, die Freuden seiner
Jugend als Scheibenkuker, beim Eichellesen und auf den Klapperjagden, seiue
Gymnasial- und Universitütsjahre und die Zeit seines Staatsvorbereitungs-
dienstes in Kassel schildert, wo er in heiterer Ironie die verkommenen vor¬
märzlichen Zustände beleuchtet. Von allgemeinerem Interesse sind die Notizen
über die Freundschaft mit Dingelstedt, mit dem er die Schule besuchte und
der dem Freunde in der Zeit des ersten Ringens sich offen mittheilte, sowie
eine Anzahl der ansprechendsten Gedichte aus der Zeit seiner Verbannung
auf Helgoland. Auch ist der Inhalt dieses Bandes in vieler Beziehung kultur¬
geschichtlich interessant. Nach der Vorrede soll der folgende die Zeit
seiner öffentlichen Thätigkeit und seines Flüchtlingslebens bis 1859, ein dritter
„die weiteren Kämpfe und Bestrebungen in Kassel und Berlin, namentlich den
zweiten Verfassuugsstreit und die Hauptvorgänge bei und nach der Einverlei¬
bung Kurhesseus" umfassen.




Literatur. ,
Der russisch-türkische Krieg 18 77. Bon Wilhelm Müller, Professor in
Tübingen. 1. Lieferung. Stuttgart, Verlag von Karl Krabbe. 1877.

So weit sich aus der ersten Lieferung schließen läßt, scheint der Verfasser,
der durch die „Politische Geschichte der Gegenwart" einen Namen gewonnen
hat, und dem wir schon eine Geschichte des deutsch-französischen Krieges ver¬
danken, bei der vorliegenden Arbeit weniger an malerische Beschreibung der
Ereignisse zu denken als daran, seine Leser die Ursachen des jetzt auf der
Balkanhalbinsel entbrannten Kampfes und dessen Natur kennen zu lehren.
Diese Lieferung enthält das „Vorspiel am Bosporus", d. h. eine Darlegung
der Thatsachen, welche zu diesem Kriege geführt haben, eine Charakteristik der
dabei in Frage kommenden bedeutenden Personen und Blicke auf die Stellung
der einzelnen Großmächte zur orientalischen Krisis. Dabei unterläßt der
Verfasser nicht, eine Statistik der Nationalitätsverhältnisse in der Türkei, Rußland


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/87>, abgerufen am 28.09.2024.