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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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verknüpft, da die. Preßdelicte in Oesterreich vor die Geschwornen) gehören
und diese bis jetzt -- in Galizien wenigstens -- noch kein Blatt verurtheilt
haben, so daß sich der "vöieimil: ?o1si:i" vor Kurzem leicht dessen rühmen
konnte, daß er zwar alle vier Wochen konfiszirt, jedoch hierdurch nicht ab¬
geschreckt werde, die Wahrheit nach seiner Weise zu sagen.

Ueber die im Königreiche Polen erscheinenden Zeitschriften können wir
uns kurz fassen. Die "(Zg,26tÄ 'WarexavsKg." (Warschauer Zeitung), "Ka/ela,
^olslü,." (Polnische Zeitung), "Og^etg, H-mdlova" (Handelszeitung), der
"^Vivli" (Zeitalter), "Kurier WarWavsKi" (Warschauer Courier), "Kurier
kovlmnz?" (Mvrgencourier), "Kurier ^ieäüiele^" (Sonntagseourier) und
der "?r/eL^u<1 1'^goäniev^" (Die Wochenschau), konkurriren nur mit der
zu den einzelnen Zeitungen verwendeten Papierqualität mit ihrem Lokalklatsch,
nicht aber mit ihrer Parteistellung. Die kaiserlich-russische Censur erlaubt
keine politische Farbe zu bekennen, wenn es nicht die russische ist, und diese
hat nur der Redakteur des "?rMZIonä l'xgoclnien?", Herr Adam Wislic-
licki, angelegt, welcher dafür mehr erhält, als ihm eine mittlere Abonnenten¬
zahl bringen würde. Das gibt ihm auch die Frechheit die Gefühle seiner
Landsleute jeden Augenblick in empörendster Weise zu verhöhnen.

Um zu zeigen, was die Censur in Warschau bedeutet, wollen wir ein
Ereigniß aus dem Jahre 1859 mit dem Bemerken mittheilen, daß heute die
Censurverhältnisse in Warschau noch ärger sind, als sie damals waren.

Im Jahre 1859 fiel einem Mitarbeiter der "(Z^et-r 'WareWveKg." ein
deutscher Artikel über die Herstellung der Blausäure in die Hände; da diese
Säure eine preußische Entdeckung ist, wurde sie von den polnischen Fachge¬
lehrten "X>öl>8 xrv.Ski", preußische Säure benannt, unter welchem Namen sie
in Polen Jedermann kannte. Er nahm den Artikel, übersetzte ihn, gab ihn in
die Druckerei und der Chefredacteur fuhr nun mit einem Abzüge der ganzen
Zeitung in die Censur. Der Censor las den Artikel über den "I^as pruslü"
und strich in ihm ohne Gnade überall diese Bezeichnung aus, ließ aber sonst
den Artikel unberührt und schrieb seine gewöhnliche Formel: "erlaubt zu
drucken" unter deu gegenstandslos gewordenen Artikel. Als ihn der Chef¬
redacteur des genannten Blattes darauf aufmerksam machte, daß ja nun über¬
all die Bezeichnung des Gegenstandes fehle um den es sich in diesem Artikel
handle, erwiderte er, das sei ihm ganz gleichgültig; er könne nicht erlauben
den Artikel in einer andern Form zu drucken, da sonst--der König von
Preußen sich beleidigt fühlen und Rußland den Krieg erklären könnte, weil er
erlaubt habe, eines der heftigsten Gifte "Preußische Säure" (Kwas xruslci) zu
nennen. Auch der allmächtige Machanoff wollte an jenem Tage nicht die
Erlaubniß geben, den Artikel mit dem "Kvss xi-uski" zu drucken, und gab


verknüpft, da die. Preßdelicte in Oesterreich vor die Geschwornen) gehören
und diese bis jetzt — in Galizien wenigstens — noch kein Blatt verurtheilt
haben, so daß sich der „vöieimil: ?o1si:i" vor Kurzem leicht dessen rühmen
konnte, daß er zwar alle vier Wochen konfiszirt, jedoch hierdurch nicht ab¬
geschreckt werde, die Wahrheit nach seiner Weise zu sagen.

Ueber die im Königreiche Polen erscheinenden Zeitschriften können wir
uns kurz fassen. Die „(Zg,26tÄ 'WarexavsKg." (Warschauer Zeitung), „Ka/ela,
^olslü,." (Polnische Zeitung), „Og^etg, H-mdlova" (Handelszeitung), der
„^Vivli" (Zeitalter), „Kurier WarWavsKi" (Warschauer Courier), „Kurier
kovlmnz?" (Mvrgencourier), „Kurier ^ieäüiele^" (Sonntagseourier) und
der „?r/eL^u<1 1'^goäniev^" (Die Wochenschau), konkurriren nur mit der
zu den einzelnen Zeitungen verwendeten Papierqualität mit ihrem Lokalklatsch,
nicht aber mit ihrer Parteistellung. Die kaiserlich-russische Censur erlaubt
keine politische Farbe zu bekennen, wenn es nicht die russische ist, und diese
hat nur der Redakteur des „?rMZIonä l'xgoclnien?", Herr Adam Wislic-
licki, angelegt, welcher dafür mehr erhält, als ihm eine mittlere Abonnenten¬
zahl bringen würde. Das gibt ihm auch die Frechheit die Gefühle seiner
Landsleute jeden Augenblick in empörendster Weise zu verhöhnen.

Um zu zeigen, was die Censur in Warschau bedeutet, wollen wir ein
Ereigniß aus dem Jahre 1859 mit dem Bemerken mittheilen, daß heute die
Censurverhältnisse in Warschau noch ärger sind, als sie damals waren.

Im Jahre 1859 fiel einem Mitarbeiter der „(Z^et-r 'WareWveKg." ein
deutscher Artikel über die Herstellung der Blausäure in die Hände; da diese
Säure eine preußische Entdeckung ist, wurde sie von den polnischen Fachge¬
lehrten „X>öl>8 xrv.Ski", preußische Säure benannt, unter welchem Namen sie
in Polen Jedermann kannte. Er nahm den Artikel, übersetzte ihn, gab ihn in
die Druckerei und der Chefredacteur fuhr nun mit einem Abzüge der ganzen
Zeitung in die Censur. Der Censor las den Artikel über den „I^as pruslü"
und strich in ihm ohne Gnade überall diese Bezeichnung aus, ließ aber sonst
den Artikel unberührt und schrieb seine gewöhnliche Formel: „erlaubt zu
drucken" unter deu gegenstandslos gewordenen Artikel. Als ihn der Chef¬
redacteur des genannten Blattes darauf aufmerksam machte, daß ja nun über¬
all die Bezeichnung des Gegenstandes fehle um den es sich in diesem Artikel
handle, erwiderte er, das sei ihm ganz gleichgültig; er könne nicht erlauben
den Artikel in einer andern Form zu drucken, da sonst--der König von
Preußen sich beleidigt fühlen und Rußland den Krieg erklären könnte, weil er
erlaubt habe, eines der heftigsten Gifte „Preußische Säure" (Kwas xruslci) zu
nennen. Auch der allmächtige Machanoff wollte an jenem Tage nicht die
Erlaubniß geben, den Artikel mit dem „Kvss xi-uski" zu drucken, und gab


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/72>, abgerufen am 21.10.2024.