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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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freund), ein Blättchen, das sich durch in der Form schöne, aber gehaltlose
Verschen auszeichnet. In den kindlichen Geist vermag sie der Redakteur, ein
noch junger Jmprovisator, der die Sekunda eines Warschauer Gymnasiums
nicht absolvirt und trotzdem am poetischen Himmel Posens einige
Zeit als Komet erster Größe geglänzt hat, dann später am Lemberger
Horizonte auftauchte, um unter Kleinen groß zu sein, nicht zu finden; er
schwärmt in mystisch-patriotischen Herzensergüssen und bildet, oder will ein
Geschlecht bilden, das "einen idealen Flug haben" und die Erde aus den
Augen verlieren würde, wenn überhaupt der dsikei" sich einen
größeren Leserkreis zu erringen vermöchte. Es ist dies das zweite oder dritte
Blättchen, das Herr Betra im Verlaufe von drei bis vier Jahren gegründet
hat, und fcheint wie sein erstes, der "?ron^K" (Strahlchen) dem Abonnenten-
mangel nächstens erliegen zu sollen.

Von Fachblättern, welche in Galizien erscheinen, haben wir nur zu nennen:
die unter Redaktion des Dr. Radiezewski erscheinende Monatsschrift "LosmoZ",
welche das Organ des galizischen Vereins der Naturforscher des "Kopernikus-
vereins" ist; ferner die "L/Koth." (Schule), eine pädagogische Zeitschrift, den
,,Awivn2öK" (Verband), eine Zeitschrift für Genossenschaftswesen, den "KvIniK"
(Landwirth) und "La.re.mK" (Bienenzüchter), deren Titel hinlänglich ihre Auf¬
gabe kennzeichnen. Keines dieser Blätter existirt durch eigenen geistigen und
finanziellen Fond. Sie schöpfen aus den reichen Quellen der entsprechenden
deutschen, französischen und englischen Tages-Fachliteratur, oder begnügen sich
häufig mit dem Wiederkauen älterer, im Auslande nahezu vergessener Sachen.
Die "iZnKolg." wird aus dem Bildungsfond Galiziens, der "i5vivu?öl" aus
dem Fond der Kreditgenossenschaften des Landes und die beiden andern aus
dem Fond des k. k. landwirthschaftlichen Centrcilvereins für Galizien sub-
ventionirt, sonst wären sie alle lange im Herrn entschlafen, und ihre Leichen
lägen als mumienhaftes Futter genäschiger Würmer in den Repositorien der
großen Ossolinestischen Bibliothek in Lemberg. Galizien unterhält zwei Blättchen,
welche wir nicht recht zu definiren wissen, da sie wegen des Mangels an
Witz, oder seiner ungeheuerlichen Form der Kategorie "Witzblätter" Unehre machen,
und, obgleich sie sich selbst satirische Blätter nennen, von uns als Pasquill¬
blätter gewöhnlichsten Schlages bezeichnet werden müßten, da sie sich weit
mehr mit dem Privatleben der verschiedenen Persönlichkeiten, welche ihnen den
Stoff liefern, als mit ihrem öffentlichen Leben und Wirken befassen. Diese
beiden Blättchen heißen: Der "L^WuteK" (Spaßmacher) und der "vikbvl"
(Teufel), von denen der erstere in Lemberg, der letztere in Krakau zweimal
monatlich erscheint, wenn die Staatsanwaltschaft das regelmüßige Erscheinen
nicht verhindert. Große Gefahr für die Redaktionen ist hiermit jedoch nicht


freund), ein Blättchen, das sich durch in der Form schöne, aber gehaltlose
Verschen auszeichnet. In den kindlichen Geist vermag sie der Redakteur, ein
noch junger Jmprovisator, der die Sekunda eines Warschauer Gymnasiums
nicht absolvirt und trotzdem am poetischen Himmel Posens einige
Zeit als Komet erster Größe geglänzt hat, dann später am Lemberger
Horizonte auftauchte, um unter Kleinen groß zu sein, nicht zu finden; er
schwärmt in mystisch-patriotischen Herzensergüssen und bildet, oder will ein
Geschlecht bilden, das „einen idealen Flug haben" und die Erde aus den
Augen verlieren würde, wenn überhaupt der dsikei" sich einen
größeren Leserkreis zu erringen vermöchte. Es ist dies das zweite oder dritte
Blättchen, das Herr Betra im Verlaufe von drei bis vier Jahren gegründet
hat, und fcheint wie sein erstes, der „?ron^K" (Strahlchen) dem Abonnenten-
mangel nächstens erliegen zu sollen.

Von Fachblättern, welche in Galizien erscheinen, haben wir nur zu nennen:
die unter Redaktion des Dr. Radiezewski erscheinende Monatsschrift „LosmoZ",
welche das Organ des galizischen Vereins der Naturforscher des „Kopernikus-
vereins" ist; ferner die „L/Koth." (Schule), eine pädagogische Zeitschrift, den
,,Awivn2öK" (Verband), eine Zeitschrift für Genossenschaftswesen, den „KvIniK"
(Landwirth) und „La.re.mK" (Bienenzüchter), deren Titel hinlänglich ihre Auf¬
gabe kennzeichnen. Keines dieser Blätter existirt durch eigenen geistigen und
finanziellen Fond. Sie schöpfen aus den reichen Quellen der entsprechenden
deutschen, französischen und englischen Tages-Fachliteratur, oder begnügen sich
häufig mit dem Wiederkauen älterer, im Auslande nahezu vergessener Sachen.
Die „iZnKolg." wird aus dem Bildungsfond Galiziens, der „i5vivu?öl" aus
dem Fond der Kreditgenossenschaften des Landes und die beiden andern aus
dem Fond des k. k. landwirthschaftlichen Centrcilvereins für Galizien sub-
ventionirt, sonst wären sie alle lange im Herrn entschlafen, und ihre Leichen
lägen als mumienhaftes Futter genäschiger Würmer in den Repositorien der
großen Ossolinestischen Bibliothek in Lemberg. Galizien unterhält zwei Blättchen,
welche wir nicht recht zu definiren wissen, da sie wegen des Mangels an
Witz, oder seiner ungeheuerlichen Form der Kategorie „Witzblätter" Unehre machen,
und, obgleich sie sich selbst satirische Blätter nennen, von uns als Pasquill¬
blätter gewöhnlichsten Schlages bezeichnet werden müßten, da sie sich weit
mehr mit dem Privatleben der verschiedenen Persönlichkeiten, welche ihnen den
Stoff liefern, als mit ihrem öffentlichen Leben und Wirken befassen. Diese
beiden Blättchen heißen: Der „L^WuteK" (Spaßmacher) und der „vikbvl"
(Teufel), von denen der erstere in Lemberg, der letztere in Krakau zweimal
monatlich erscheint, wenn die Staatsanwaltschaft das regelmüßige Erscheinen
nicht verhindert. Große Gefahr für die Redaktionen ist hiermit jedoch nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/71>, abgerufen am 28.09.2024.