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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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daß ihm Inserate zukommen, welche die Existenz des Blattes, dessen Abonnen¬
tenzahl sich kaum auf 1200 belaufen dürste, sichern.

Vom dritten in Lemberg erscheinenden polnischen Tageblatte, der "6g.2<ztÄ
I,w0wsKg/ (Lemberger Zeitung) ist nicht viel zu sagen. Sie ist erklärtes
Organ der polnischen Regierung, hat also keine eigene Tendenz und schreibt
das, was ihr der Statthalter Graf Potocki, oder der Minister Ziemialkowski
zu schreiben befehlen. Da sie als Regierungsorgan gut situirt ist, also auch
gute Honorare zahlen kann, was weder der "vöicinnik?0ist<i", noch die
"Vg.!?6l,g, Mroäova" thun, hat sie gewöhnlich sehr gehaltvolle Feuilletons,
welche die politische Farblosigkeit einigermaßen vergessen machen.

Für die wenigen Bauern Galiziens, welche des Lesens kundig sind, redi-
girt der am Jesuitenstrange ziehende Geistliche Stojalowski den "?la8t/°, wel¬
cher wöchentlich zwar nur einmal erscheint, trotzdem aber genug Artikel bringt,
um das bischen gesunde Vernunft, welches der polnische Bauer Galiziens be¬
sitzt, zu vernichten. In den jüngsten Wochen agitirte der "?la8t", um wo
möglich sämmtliche Bauern Galiziens zum Bischofsjubiläum des Papstes nach
Rom zu führen, ja wo möglich um mit ihrer Hilfe Rom für den Papst zu
erobern.

Außer diesen Zeitungen politischen Inhalts erscheinen noch zwei von Geist¬
lichen redigirte und von ihren Anhängern subventionirte Monatsschriften, der
"?i-20Atouä ?olski" (die polnische Rundschau) und der "?iMBouä I-vovsKi"
(die Lemberger Rundschau). Wir glauben, daß die Angabe des Standes, dem
die Redakteure dieser beiden Preßorgane angehören, genügt, um den Geist, der
in ihnen weht, zu charakterisiren. Beide Monatsschriften bringen keinen Artikel,
welcher nicht mit der gesunden Vernunft im direkten Widerspruche stände und
ihr nicht Hohn spräche. Sehr verschieden ist der Stil, in dem die einzelnen
Beiträge in den genannten beiden Blättern geschrieben sind. Jeder Artikel
vom Grafen Tarnowski oder Herrn von Kozmian ist im hocharistokratischen
Tone gehalten, und beleidigt nie eine Person, während die andern Mitarbeiter,
größtentheils dem Bauernstande entsprossene Geistliche, sich durch eine ans
Rohe grenzende Derbheit, ja häufig sogar durch wirkliche Roheit auszeichnen.
Diese Blätter kämpfen nie gegen die Sache an, fondern immer gegen Personen,
die sie zu diskreditiren suchen und mit Koth und Schmutz bewerfen. Von
Familienblättern ist der "KueK literaeki" zu nennen; derselbe bringt gute
national-ökonomische Arbeiten mit besonderer Berücksichtigung einschlagender
galizischer Verhältnisse, Originalnovellen, kleinere Dichtungen, historische Ab¬
handlungen, Uebersetzungen ausländischer literarischer Erscheinungen und regel¬
mäßig eine literarische Rundschau. Die Tendenz dieses Blattes ist eine liberale.

Für Kinder redigirt Betra in Lemberg den "kr^Miel ä?ieei" (Kinder-


daß ihm Inserate zukommen, welche die Existenz des Blattes, dessen Abonnen¬
tenzahl sich kaum auf 1200 belaufen dürste, sichern.

Vom dritten in Lemberg erscheinenden polnischen Tageblatte, der „6g.2<ztÄ
I,w0wsKg/ (Lemberger Zeitung) ist nicht viel zu sagen. Sie ist erklärtes
Organ der polnischen Regierung, hat also keine eigene Tendenz und schreibt
das, was ihr der Statthalter Graf Potocki, oder der Minister Ziemialkowski
zu schreiben befehlen. Da sie als Regierungsorgan gut situirt ist, also auch
gute Honorare zahlen kann, was weder der „vöicinnik?0ist<i", noch die
„Vg.!?6l,g, Mroäova" thun, hat sie gewöhnlich sehr gehaltvolle Feuilletons,
welche die politische Farblosigkeit einigermaßen vergessen machen.

Für die wenigen Bauern Galiziens, welche des Lesens kundig sind, redi-
girt der am Jesuitenstrange ziehende Geistliche Stojalowski den „?la8t/°, wel¬
cher wöchentlich zwar nur einmal erscheint, trotzdem aber genug Artikel bringt,
um das bischen gesunde Vernunft, welches der polnische Bauer Galiziens be¬
sitzt, zu vernichten. In den jüngsten Wochen agitirte der „?la8t", um wo
möglich sämmtliche Bauern Galiziens zum Bischofsjubiläum des Papstes nach
Rom zu führen, ja wo möglich um mit ihrer Hilfe Rom für den Papst zu
erobern.

Außer diesen Zeitungen politischen Inhalts erscheinen noch zwei von Geist¬
lichen redigirte und von ihren Anhängern subventionirte Monatsschriften, der
„?i-20Atouä ?olski» (die polnische Rundschau) und der „?iMBouä I-vovsKi"
(die Lemberger Rundschau). Wir glauben, daß die Angabe des Standes, dem
die Redakteure dieser beiden Preßorgane angehören, genügt, um den Geist, der
in ihnen weht, zu charakterisiren. Beide Monatsschriften bringen keinen Artikel,
welcher nicht mit der gesunden Vernunft im direkten Widerspruche stände und
ihr nicht Hohn spräche. Sehr verschieden ist der Stil, in dem die einzelnen
Beiträge in den genannten beiden Blättern geschrieben sind. Jeder Artikel
vom Grafen Tarnowski oder Herrn von Kozmian ist im hocharistokratischen
Tone gehalten, und beleidigt nie eine Person, während die andern Mitarbeiter,
größtentheils dem Bauernstande entsprossene Geistliche, sich durch eine ans
Rohe grenzende Derbheit, ja häufig sogar durch wirkliche Roheit auszeichnen.
Diese Blätter kämpfen nie gegen die Sache an, fondern immer gegen Personen,
die sie zu diskreditiren suchen und mit Koth und Schmutz bewerfen. Von
Familienblättern ist der „KueK literaeki" zu nennen; derselbe bringt gute
national-ökonomische Arbeiten mit besonderer Berücksichtigung einschlagender
galizischer Verhältnisse, Originalnovellen, kleinere Dichtungen, historische Ab¬
handlungen, Uebersetzungen ausländischer literarischer Erscheinungen und regel¬
mäßig eine literarische Rundschau. Die Tendenz dieses Blattes ist eine liberale.

Für Kinder redigirt Betra in Lemberg den „kr^Miel ä?ieei" (Kinder-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/70>, abgerufen am 28.09.2024.