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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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seiner Opfer schon in Rseueil, ja die Motive zu dessen Druck und die nach
Constatirung der Nachfrage erst vollzogene Wahl, die auf solam I.egenÄ
veranstaltete Subseription, alles dies verräth im ersten englischen Buchdrucker --
den Kaufmann. Das haben die Engländer, die diesen Gedanken einer Be¬
trachtung werth erachteten, auch gefühlt; freimüthig eingestehen haben sie es
freilich selbst dann nicht wollen, als sich auf dieser Folie die idealeren Motive
der deutschen Drucker in allen Landen abhoben. Und noch jetzt verwenden sie
ein gut Theil recht schwacher Argumente zur Widerlegung ihres großen Gibbon,
der mit vollem Rechte, für den enthusiastischen Caxtonmltus freilich ein wenig
zu salzig, sagte: "In etre clioics ok mis autlrors den>.t____Artist reäuescl
to eomplv vieil leis vieious laste ol Iris rsg-äers, to gratis ddo nobles >vitlr
tre^tisss on Kerg-Iärv, n^wKinA (dies ist ein Irrthum), ana tds Mme ok Luchs
ana to g-musc tue poxulg.r ereclulitv ^vitti xomaiiees ok Mulous KuiZntL g.na
legencks ot mors tÄbnIons sMts" (?ostn. ^Vorlcs, vol. II., 709.) --

Warum hat es Caxton zu keinem Bibeldrucke, dessen großartige Erfolge
die deutsche Kunst als solche auszeichnet, gebracht? Warum zu keiner eun.
xrinc eines alten Klassikers? --- Nach Jahren rastlosen Mühens, enttäuschter
Hoffnungen, halbgelungener Versuche, unter den größten persönlichen Opfern,
ohne Aussichten auf nennenswerthe pekuniäre Erfolge, gleichsam die ganze Zu¬
kunft der Kunst und die seines eigenen Lebens aufs Spiel setzend, zwängt
Gutenberg den Bengel in die Spindel, und die ersten Bogen, welche der Karren
aus dem Tiegel zurückfährt, sind die ersten Kapitel der Genesis. Die Sorgfalt
der Arbeit und der Glanz der Ausstattung beweisen es, daß diese ersten
Drucke so rechte Kinder der Liebe, die nicht an sich denkt, gewesen sind, und
man kann sich die unverhohlene, reine Frende des vielgeprüften und vielent-
tänschten Mannes an diesen Erfolgen seiner Kunst wohl denken. Wie wenig
die Spekulation bei ihm maßgebend gewesen, das beweisen die vielverworrenen
Wege seines späteren Lebens und die Titel seiner Drucke.

England war zu Caxton's Zeit ohne Bibel; ein Jahrhundert vorher hatten
Wiclif und seine Schüler sie übersetzt und damit die epochemachende That
Luther's um 250 Jahre vorausgenommen. Was war von dem energischen
Proteste des "evangelischen Doktors" im englischen Volke noch geblieben?
Wohin waren die Mächte im Volksleben geschwunden, die noch ein Säkulum
vorher so schöne Blüthen getrieben? Die Sehnsucht nach dem klaren, ver¬
ständlichen Worte der Schrift, nach der Freiheit des Denkens und des Glau¬
bens, nach der reinen Freude am geistigen Schaffen und dem freudigen Sich¬
versenken in das klassische Vorbild waren vorbei. Was das englische Volk
schon damals politisch so herrlich vollbracht hatte, dazu fehlten ihm auf reli¬
giösem Gebiete die Kräfte: in den Flammen von Tower-Hill und Smithfield


seiner Opfer schon in Rseueil, ja die Motive zu dessen Druck und die nach
Constatirung der Nachfrage erst vollzogene Wahl, die auf solam I.egenÄ
veranstaltete Subseription, alles dies verräth im ersten englischen Buchdrucker —
den Kaufmann. Das haben die Engländer, die diesen Gedanken einer Be¬
trachtung werth erachteten, auch gefühlt; freimüthig eingestehen haben sie es
freilich selbst dann nicht wollen, als sich auf dieser Folie die idealeren Motive
der deutschen Drucker in allen Landen abhoben. Und noch jetzt verwenden sie
ein gut Theil recht schwacher Argumente zur Widerlegung ihres großen Gibbon,
der mit vollem Rechte, für den enthusiastischen Caxtonmltus freilich ein wenig
zu salzig, sagte: „In etre clioics ok mis autlrors den>.t____Artist reäuescl
to eomplv vieil leis vieious laste ol Iris rsg-äers, to gratis ddo nobles >vitlr
tre^tisss on Kerg-Iärv, n^wKinA (dies ist ein Irrthum), ana tds Mme ok Luchs
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legencks ot mors tÄbnIons sMts" (?ostn. ^Vorlcs, vol. II., 709.) —

Warum hat es Caxton zu keinem Bibeldrucke, dessen großartige Erfolge
die deutsche Kunst als solche auszeichnet, gebracht? Warum zu keiner eun.
xrinc eines alten Klassikers? -— Nach Jahren rastlosen Mühens, enttäuschter
Hoffnungen, halbgelungener Versuche, unter den größten persönlichen Opfern,
ohne Aussichten auf nennenswerthe pekuniäre Erfolge, gleichsam die ganze Zu¬
kunft der Kunst und die seines eigenen Lebens aufs Spiel setzend, zwängt
Gutenberg den Bengel in die Spindel, und die ersten Bogen, welche der Karren
aus dem Tiegel zurückfährt, sind die ersten Kapitel der Genesis. Die Sorgfalt
der Arbeit und der Glanz der Ausstattung beweisen es, daß diese ersten
Drucke so rechte Kinder der Liebe, die nicht an sich denkt, gewesen sind, und
man kann sich die unverhohlene, reine Frende des vielgeprüften und vielent-
tänschten Mannes an diesen Erfolgen seiner Kunst wohl denken. Wie wenig
die Spekulation bei ihm maßgebend gewesen, das beweisen die vielverworrenen
Wege seines späteren Lebens und die Titel seiner Drucke.

England war zu Caxton's Zeit ohne Bibel; ein Jahrhundert vorher hatten
Wiclif und seine Schüler sie übersetzt und damit die epochemachende That
Luther's um 250 Jahre vorausgenommen. Was war von dem energischen
Proteste des „evangelischen Doktors" im englischen Volke noch geblieben?
Wohin waren die Mächte im Volksleben geschwunden, die noch ein Säkulum
vorher so schöne Blüthen getrieben? Die Sehnsucht nach dem klaren, ver¬
ständlichen Worte der Schrift, nach der Freiheit des Denkens und des Glau¬
bens, nach der reinen Freude am geistigen Schaffen und dem freudigen Sich¬
versenken in das klassische Vorbild waren vorbei. Was das englische Volk
schon damals politisch so herrlich vollbracht hatte, dazu fehlten ihm auf reli¬
giösem Gebiete die Kräfte: in den Flammen von Tower-Hill und Smithfield


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/60>, abgerufen am 28.09.2024.