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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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wurde. Die Hoffnungen, die sich daran knüpften, blieben keine Täuschung, wie
es doch so oft sebst bei den begabtesten jungen Künstlern der Fall ist, er er¬
füllte sie ganz, und schon als Lernender in Düsseldorf hat er eine Reihe der
Kompositionen geschaffen, welche die vorliegende Sammlung bietet und welche
fast ohne Unterschied die Reife des Meisters bekunden.

Wir müssen es uus versagen, an dieser Stelle auf das Leben Alfred
Rethel's näher einzugehen und empfehlen allen denen, die daran Interesse
nehmen, die schöne Biographie, welche Wolfgang Müller von Königswinter dem
großen Künstler gewidmet hat. Hier sind es in erster Reihe Rethel's Bilder,
die uns beschäftigen. Sie zeigen uns eine Größe der Auffassung und eine
Herrschaft über den Gegenstand, wie man ihr nur selten begegnet, und man
braucht sich wahrlich nicht zu scheuen, wenn man den Namen Rethel hinzu-
fügt, wo von Cornelius und Kaulbach, von Schwind und Schmorr gesprochen
wird. Ein Zug der höchsten geistigen Vornehmheit geht durch alle diese Blätter,
sie verschmähen mit Bewußtsein alle Effekthascherei, womit die Kunst und leider
am meisten die moderne Kunst zu bestechen sucht.

Der Werth, der in ihnen ruht, wird wohl mit jedem Tage besser begriffen
und gewürdigt werden, denn die glanzvollen Zeiten deutscher Geschichte und
deutscher Sage bilden recht eigentlich ihren Kern. Bis in die dämmernde
Zeit des Frankenreiches führen sie uns zurück, da Karl Martell mit gewaltigem
Hammer jene Größe zerschlug, die nur noch den Schein ?der Macht besaß.
Man hatte ihn angstvoll in Haft geworfen, denn man fürchtete die ungestüme
Kraft, die in seinem Wesen lag, aber er wußte dem Kerker zu entfliehen, und
Sieg um Sieg bezeichnete nun seine Bahn. Bei Tours schlug er im Jahre
738 die Sarazenen, und diesen mörderischen Kampf zeigt uns das erste Bild
der Sammlung. In wildem Gedränge stoßen die gebräunten Schaaren, die
den Turban tragen, wider die Franken, damals die Bannerträger des deutschen
Geistes, es war noch die Zeit, wo der Bischof selber das Schwert schwang und
deu Feldherren in die Schlachten folgte. Wie klirren die Speere, wie strömt
das Blut! Unter dem bäumenden Hengst liegt der todtwunde Gegner, man
meint, man könnte meilenweit den Schlachtruf hören, der durch dies Bild hin-
kliugt -- doch hoch über all' dem brausenden Gewühle ragt die eiserne Gestalt
des Mannes empor, der den Stamm der Karolinger gründet. Hier fühlt man:
der ist unbesiegbar, die glühende Kraft des Südens, die sich hier verblutet, und
die rauhe Tapferkeit des Nordens, die ihr gegenübertritt, sie haben keinen Mann,
der seinesgleichen wäre. Und dies ist ja die höchste Meisterschaft, die in histo¬
rischen Bildern zu Tage tritt, daß man die innere Nothwendigkeit der geschicht¬
lichen Thatsache begreift, die sich in dem künstlerischen Motive vollzieht. Hier
ist dies in eminenter Weise der Fall, man fühlt es, daß diese Reitergestalt sich


wurde. Die Hoffnungen, die sich daran knüpften, blieben keine Täuschung, wie
es doch so oft sebst bei den begabtesten jungen Künstlern der Fall ist, er er¬
füllte sie ganz, und schon als Lernender in Düsseldorf hat er eine Reihe der
Kompositionen geschaffen, welche die vorliegende Sammlung bietet und welche
fast ohne Unterschied die Reife des Meisters bekunden.

Wir müssen es uus versagen, an dieser Stelle auf das Leben Alfred
Rethel's näher einzugehen und empfehlen allen denen, die daran Interesse
nehmen, die schöne Biographie, welche Wolfgang Müller von Königswinter dem
großen Künstler gewidmet hat. Hier sind es in erster Reihe Rethel's Bilder,
die uns beschäftigen. Sie zeigen uns eine Größe der Auffassung und eine
Herrschaft über den Gegenstand, wie man ihr nur selten begegnet, und man
braucht sich wahrlich nicht zu scheuen, wenn man den Namen Rethel hinzu-
fügt, wo von Cornelius und Kaulbach, von Schwind und Schmorr gesprochen
wird. Ein Zug der höchsten geistigen Vornehmheit geht durch alle diese Blätter,
sie verschmähen mit Bewußtsein alle Effekthascherei, womit die Kunst und leider
am meisten die moderne Kunst zu bestechen sucht.

Der Werth, der in ihnen ruht, wird wohl mit jedem Tage besser begriffen
und gewürdigt werden, denn die glanzvollen Zeiten deutscher Geschichte und
deutscher Sage bilden recht eigentlich ihren Kern. Bis in die dämmernde
Zeit des Frankenreiches führen sie uns zurück, da Karl Martell mit gewaltigem
Hammer jene Größe zerschlug, die nur noch den Schein ?der Macht besaß.
Man hatte ihn angstvoll in Haft geworfen, denn man fürchtete die ungestüme
Kraft, die in seinem Wesen lag, aber er wußte dem Kerker zu entfliehen, und
Sieg um Sieg bezeichnete nun seine Bahn. Bei Tours schlug er im Jahre
738 die Sarazenen, und diesen mörderischen Kampf zeigt uns das erste Bild
der Sammlung. In wildem Gedränge stoßen die gebräunten Schaaren, die
den Turban tragen, wider die Franken, damals die Bannerträger des deutschen
Geistes, es war noch die Zeit, wo der Bischof selber das Schwert schwang und
deu Feldherren in die Schlachten folgte. Wie klirren die Speere, wie strömt
das Blut! Unter dem bäumenden Hengst liegt der todtwunde Gegner, man
meint, man könnte meilenweit den Schlachtruf hören, der durch dies Bild hin-
kliugt — doch hoch über all' dem brausenden Gewühle ragt die eiserne Gestalt
des Mannes empor, der den Stamm der Karolinger gründet. Hier fühlt man:
der ist unbesiegbar, die glühende Kraft des Südens, die sich hier verblutet, und
die rauhe Tapferkeit des Nordens, die ihr gegenübertritt, sie haben keinen Mann,
der seinesgleichen wäre. Und dies ist ja die höchste Meisterschaft, die in histo¬
rischen Bildern zu Tage tritt, daß man die innere Nothwendigkeit der geschicht¬
lichen Thatsache begreift, die sich in dem künstlerischen Motive vollzieht. Hier
ist dies in eminenter Weise der Fall, man fühlt es, daß diese Reitergestalt sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/453>, abgerufen am 28.09.2024.