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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Bahn bricht, nicht nur durch das Heer der Sarazenen, sondern durch eine neue
Zeit - für die Weltepochc der Karolinger.

Zur selben Zeit, da Karl Martell mit den Waffen in der Faust den
Grundstein zum fränkischen Weltreiche legte, zog noch ein anderer Mann
erobernd durch die deutschen Gauen, kaum minder mächtig als er: Bonifazius,
"der Apostel der Deutschen." Er war den Wünschen des Vaters untren ge¬
worden, der in ihm den Erben eines großen Geschlechtes sah, und hatte sich
ganz vertieft in die ideale Begeisterung der neuen Lehre; aber er wollte kein
stiller Bekenner, sondern ein kühner Held derselben sein, sein Platz war dort,
wo die Feinde jener Lehre standen, wo das Christenthum seinen Boden kämpfend
eroberte. Er ging zu den wilden Friesen und Sachsen, er hatte in Hessen
und Baiern segensreich gewirkt, überall fielen die heidnischen Göttersäulen vor
seinem Schritt; überall, wo er weilte, stiegen Tempel und Altäre empor. Mit
dem Sitze in Mainz hatte ihn der römische Stuhl zum Bischof und Primas
der Deutschen ernannt, eine begeisterte Schaar von Jüngern und frommen
Frauen hatte sich um ihn versammelt, es war kein Leben stiller Beschaulichkeit,
sondern ein Leben der That, das von einer fast stürmischen Energie getragen
war. Dies ist denn auch der Grundzug, deu Rethel der Gestalt des deutschen
Apostels gab, dies ist der Geist, der durch seine gewaltigen Blätter geht und
ihnen ein so großartiges Leben einhaucht. Auch Heinrich Heß hat ja in der
Bonifaziuskirche zu München -- dem glänzendsten Denkmal, das dem großen
Bekehrer wohl jemals gestiftet wurde -- den gleichen Gegenstand behandelt,
aber im Wesen dieses liebenswürdigen Künstlers lag es begründet, daß er weit
mehr die milde und poesievolle Seite des Christenthums hervorhob, als jene
sieghafte Genullt, als jenen Schwerterklang, womit es sich zuerst die Wege ge¬
ebnet. Dies letztere aber fühlen wir in weit höherem Grade bei Rethel heraus;
ohne Herbheit und Schroffheit, weiß er doch das active Moment in den ge¬
schichtlichen Begebenheiten mit einer seltenen Klarheit herauszuheben und künst¬
lerisch zu markiren.

Noch mehr tritt dieser Zug indessen in den Bildern zu Tage, die aus der
Geschichte Karl's des Großen entnommen sind und neben anderen den Kröuungs-
saal zu Aachen schmücken. Es sind zwei Welten, die hier aufeinanderstoßen,
und die Erschütterung, die damals in Millionen Herzen bebte, sie lebt noch
heute in jenem Stoffe. Die Jrminsäule, das große Heiligthum in den nieder¬
deutschen Wäldern, füllt dem Siegesbewußtsein Karl's zuerst zum Opfer, in
weitem Kreise stehen die heidnischen Sachsen und warten auf die Rache ihrer
Götter -- doch ihre Götter sind machtlos und stumm. Um so triumphirender
ragt die Gestalt des Kaisers empor; seine Hand umklammert die Fahne mit
dem Kreuz, ans seinen Augen funkelt der Sieg und das Glück, das ihn nie


Bahn bricht, nicht nur durch das Heer der Sarazenen, sondern durch eine neue
Zeit - für die Weltepochc der Karolinger.

Zur selben Zeit, da Karl Martell mit den Waffen in der Faust den
Grundstein zum fränkischen Weltreiche legte, zog noch ein anderer Mann
erobernd durch die deutschen Gauen, kaum minder mächtig als er: Bonifazius,
„der Apostel der Deutschen." Er war den Wünschen des Vaters untren ge¬
worden, der in ihm den Erben eines großen Geschlechtes sah, und hatte sich
ganz vertieft in die ideale Begeisterung der neuen Lehre; aber er wollte kein
stiller Bekenner, sondern ein kühner Held derselben sein, sein Platz war dort,
wo die Feinde jener Lehre standen, wo das Christenthum seinen Boden kämpfend
eroberte. Er ging zu den wilden Friesen und Sachsen, er hatte in Hessen
und Baiern segensreich gewirkt, überall fielen die heidnischen Göttersäulen vor
seinem Schritt; überall, wo er weilte, stiegen Tempel und Altäre empor. Mit
dem Sitze in Mainz hatte ihn der römische Stuhl zum Bischof und Primas
der Deutschen ernannt, eine begeisterte Schaar von Jüngern und frommen
Frauen hatte sich um ihn versammelt, es war kein Leben stiller Beschaulichkeit,
sondern ein Leben der That, das von einer fast stürmischen Energie getragen
war. Dies ist denn auch der Grundzug, deu Rethel der Gestalt des deutschen
Apostels gab, dies ist der Geist, der durch seine gewaltigen Blätter geht und
ihnen ein so großartiges Leben einhaucht. Auch Heinrich Heß hat ja in der
Bonifaziuskirche zu München — dem glänzendsten Denkmal, das dem großen
Bekehrer wohl jemals gestiftet wurde — den gleichen Gegenstand behandelt,
aber im Wesen dieses liebenswürdigen Künstlers lag es begründet, daß er weit
mehr die milde und poesievolle Seite des Christenthums hervorhob, als jene
sieghafte Genullt, als jenen Schwerterklang, womit es sich zuerst die Wege ge¬
ebnet. Dies letztere aber fühlen wir in weit höherem Grade bei Rethel heraus;
ohne Herbheit und Schroffheit, weiß er doch das active Moment in den ge¬
schichtlichen Begebenheiten mit einer seltenen Klarheit herauszuheben und künst¬
lerisch zu markiren.

Noch mehr tritt dieser Zug indessen in den Bildern zu Tage, die aus der
Geschichte Karl's des Großen entnommen sind und neben anderen den Kröuungs-
saal zu Aachen schmücken. Es sind zwei Welten, die hier aufeinanderstoßen,
und die Erschütterung, die damals in Millionen Herzen bebte, sie lebt noch
heute in jenem Stoffe. Die Jrminsäule, das große Heiligthum in den nieder¬
deutschen Wäldern, füllt dem Siegesbewußtsein Karl's zuerst zum Opfer, in
weitem Kreise stehen die heidnischen Sachsen und warten auf die Rache ihrer
Götter — doch ihre Götter sind machtlos und stumm. Um so triumphirender
ragt die Gestalt des Kaisers empor; seine Hand umklammert die Fahne mit
dem Kreuz, ans seinen Augen funkelt der Sieg und das Glück, das ihn nie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/454>, abgerufen am 29.09.2024.