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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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idealer Gestalt, als sittlichen Muth, und in der schwersten Lage, seinem Tod¬
feinde gegenüber, zu zeigen, in dessen Hand sein Leben lag, und diesen Muth
außerdem durch die edelsten Regungen des menschlichen Herzens, dnrch Freund¬
schaft und durch Liebe zu verklären, durch letztere, insofern er das unklare
Verhältniß Bertram's zu Mathilde vertiefte und zu der Freundschaft mit dem
jungen Heinrich in Parallele setzte. Die Veränderung, die Uhland mit dem
Tode des jungen Heinrich vorgenommen hat, -- er läßt ihn an einem im
Kampfe erhaltenen Pfeilschuß sterben, in den Armen seines Freundes Bertram,
durch "Meer, Gebirg und Thal" vom Vater getrennt und mit dem qualvollen
Bewußtsein, unversöhnt mit ihm geblieben zu sein -- zeugt abermals von
großer dichterischer Einsicht. Nur durch die Entfernung des Vaters und die
Isolirung des Sohnes konnte Bertram's Freundestreue in so Helles Licht ge¬
setzt werden. --

An den Schluß dieser Auszüge drängt sich wie von selbst eine Bitte, eine
leicht zu erfüllende Bitte an die Weidmann'sche Buchhandlung in Berlin. In
ihrem Verlage sind zwei Theile der Eichholtz'schen Beiträge, der erste und der
dritte, erschienen, und die Berechtigung, auch den zweiten Theil derselben neu
zu drucken, würde sie sich gewiß ohne Schwierigkeit erwerben können. Da
würde es nun nicht bloß ein schönes literarisches Denkmal für den trefflichen,
der Wissenschaft zu früh entrissenen Verfasser sein, sondern auch einem viel¬
fach empfundenen Bedürfnisse entgegenkommen und von zahlreichen Seiten
mit Freude und Dank begrüßt werden, wenn die Weidmann'sche Buchhandlung
recht bald eine, sei es nun gänzlich identische oder von kundiger Hand zu
einem Ganzen überarbeitete, ansprechend ausgestattete Gesammtausgabe der
Eichholtz'schen Studien besorgen wollte; eventuell könnten selbst, damit wirklich
etwas Ganzes geboten würde, die am Eingange erwähnten Arbeiten von
Kaufmann und Strobl vvrcmgedruckt werden. So lange wir nicht einen um¬
fassenden Kommentar zu Uhland's Gedichten haben, der wohl noch geraume
Zeit auf sich warten lassen wird, würde eine derartige Sammlung, die einen
der Mühe überhöbe, an fünf verschiedenen, nicht eben leicht zugänglichen Orten
zusammensuchen zu müssen, was man braucht -- und der wievielste nimmt sich
überhaupt diese Mühe? -- ein höchst verdienstvolles Unternehmen sein. Wie
viele, viele überflüssige Bücher werden heutzutage gedruckt! Dies würde einmal
kein überflüssiges sein.




idealer Gestalt, als sittlichen Muth, und in der schwersten Lage, seinem Tod¬
feinde gegenüber, zu zeigen, in dessen Hand sein Leben lag, und diesen Muth
außerdem durch die edelsten Regungen des menschlichen Herzens, dnrch Freund¬
schaft und durch Liebe zu verklären, durch letztere, insofern er das unklare
Verhältniß Bertram's zu Mathilde vertiefte und zu der Freundschaft mit dem
jungen Heinrich in Parallele setzte. Die Veränderung, die Uhland mit dem
Tode des jungen Heinrich vorgenommen hat, — er läßt ihn an einem im
Kampfe erhaltenen Pfeilschuß sterben, in den Armen seines Freundes Bertram,
durch „Meer, Gebirg und Thal" vom Vater getrennt und mit dem qualvollen
Bewußtsein, unversöhnt mit ihm geblieben zu sein — zeugt abermals von
großer dichterischer Einsicht. Nur durch die Entfernung des Vaters und die
Isolirung des Sohnes konnte Bertram's Freundestreue in so Helles Licht ge¬
setzt werden. —

An den Schluß dieser Auszüge drängt sich wie von selbst eine Bitte, eine
leicht zu erfüllende Bitte an die Weidmann'sche Buchhandlung in Berlin. In
ihrem Verlage sind zwei Theile der Eichholtz'schen Beiträge, der erste und der
dritte, erschienen, und die Berechtigung, auch den zweiten Theil derselben neu
zu drucken, würde sie sich gewiß ohne Schwierigkeit erwerben können. Da
würde es nun nicht bloß ein schönes literarisches Denkmal für den trefflichen,
der Wissenschaft zu früh entrissenen Verfasser sein, sondern auch einem viel¬
fach empfundenen Bedürfnisse entgegenkommen und von zahlreichen Seiten
mit Freude und Dank begrüßt werden, wenn die Weidmann'sche Buchhandlung
recht bald eine, sei es nun gänzlich identische oder von kundiger Hand zu
einem Ganzen überarbeitete, ansprechend ausgestattete Gesammtausgabe der
Eichholtz'schen Studien besorgen wollte; eventuell könnten selbst, damit wirklich
etwas Ganzes geboten würde, die am Eingange erwähnten Arbeiten von
Kaufmann und Strobl vvrcmgedruckt werden. So lange wir nicht einen um¬
fassenden Kommentar zu Uhland's Gedichten haben, der wohl noch geraume
Zeit auf sich warten lassen wird, würde eine derartige Sammlung, die einen
der Mühe überhöbe, an fünf verschiedenen, nicht eben leicht zugänglichen Orten
zusammensuchen zu müssen, was man braucht — und der wievielste nimmt sich
überhaupt diese Mühe? — ein höchst verdienstvolles Unternehmen sein. Wie
viele, viele überflüssige Bücher werden heutzutage gedruckt! Dies würde einmal
kein überflüssiges sein.




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[0347] idealer Gestalt, als sittlichen Muth, und in der schwersten Lage, seinem Tod¬ feinde gegenüber, zu zeigen, in dessen Hand sein Leben lag, und diesen Muth außerdem durch die edelsten Regungen des menschlichen Herzens, dnrch Freund¬ schaft und durch Liebe zu verklären, durch letztere, insofern er das unklare Verhältniß Bertram's zu Mathilde vertiefte und zu der Freundschaft mit dem jungen Heinrich in Parallele setzte. Die Veränderung, die Uhland mit dem Tode des jungen Heinrich vorgenommen hat, — er läßt ihn an einem im Kampfe erhaltenen Pfeilschuß sterben, in den Armen seines Freundes Bertram, durch „Meer, Gebirg und Thal" vom Vater getrennt und mit dem qualvollen Bewußtsein, unversöhnt mit ihm geblieben zu sein — zeugt abermals von großer dichterischer Einsicht. Nur durch die Entfernung des Vaters und die Isolirung des Sohnes konnte Bertram's Freundestreue in so Helles Licht ge¬ setzt werden. — An den Schluß dieser Auszüge drängt sich wie von selbst eine Bitte, eine leicht zu erfüllende Bitte an die Weidmann'sche Buchhandlung in Berlin. In ihrem Verlage sind zwei Theile der Eichholtz'schen Beiträge, der erste und der dritte, erschienen, und die Berechtigung, auch den zweiten Theil derselben neu zu drucken, würde sie sich gewiß ohne Schwierigkeit erwerben können. Da würde es nun nicht bloß ein schönes literarisches Denkmal für den trefflichen, der Wissenschaft zu früh entrissenen Verfasser sein, sondern auch einem viel¬ fach empfundenen Bedürfnisse entgegenkommen und von zahlreichen Seiten mit Freude und Dank begrüßt werden, wenn die Weidmann'sche Buchhandlung recht bald eine, sei es nun gänzlich identische oder von kundiger Hand zu einem Ganzen überarbeitete, ansprechend ausgestattete Gesammtausgabe der Eichholtz'schen Studien besorgen wollte; eventuell könnten selbst, damit wirklich etwas Ganzes geboten würde, die am Eingange erwähnten Arbeiten von Kaufmann und Strobl vvrcmgedruckt werden. So lange wir nicht einen um¬ fassenden Kommentar zu Uhland's Gedichten haben, der wohl noch geraume Zeit auf sich warten lassen wird, würde eine derartige Sammlung, die einen der Mühe überhöbe, an fünf verschiedenen, nicht eben leicht zugänglichen Orten zusammensuchen zu müssen, was man braucht — und der wievielste nimmt sich überhaupt diese Mühe? — ein höchst verdienstvolles Unternehmen sein. Wie viele, viele überflüssige Bücher werden heutzutage gedruckt! Dies würde einmal kein überflüssiges sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/347>, abgerufen am 28.09.2024.