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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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gegen Limoges, wo Heinrich's Mannen verzweifelten Widerstand leisteten.
Heinrich selbst befand sich außerhalb der Burg, um einen großen Schlag gegen
seinen Vater vorzubereiten, starb aber am 11. Juni 1183 an einem Fieber
in dein Schlosse Martel (bei Uhland Montfort). Als er sich dem Tode nahe
fühlte, schickte er einen Eilboten an seinen Vater, flehte ihn um Vergebung an
und drückte den Wunsch aus, ihn noch einmal vor seinem Ende zu sprechen.
Der König wäre auch gern erschienen, allein seine Freunde fürchteten eine
Schlinge und riethen ihm ab. Da zog er einen Ring von: Finger und über¬
sandte ihn dem Sterbenden als ein Zeichen seiner Liebe und Vergebung. Nach
Heinrich's Tode wurden seine Anhänger einzeln bezwungen. Auch Bertram de
Born mußte sein Schloß Antafvrt nach siebentägiger hartnäckiger Vertheidigung
übergebe" und gerieth selbst in Gefangenschaft. Er wurde in das Zelt des
Königs geführt, der ihn, den er als den Anstifter der Empörung seines Sohnes
erkannte, sehr übel aufnahm. "Bertram, Bertram," sagte er, "ihr habt euch
einmal gerühmt, daß ihr nicht die Hälfte eures Verstandes nöthig hättet; jetzt
aber scheint euch der ganze noth zu thun." "Herr," erwiederte Bertram, "es
ist wahr, daß ich dies gesagt habe, und ich habe damit die Wahrheit gesagt;
allein nun habe ich ihn nicht mehr." "Wie so?" fragte der König. "Herr,"
versetzte Bertram, "an dem Tage, wo euer Sohn, der treffliche junge König,
starb, verlor ich Verstand und Bewußtsein." Auf diese Antwort, wird erzählt,
habe der König dem Freunde seines Sohnes die Freiheit und seine Besitzungen
zurückgegeben und ihn noch obendrein reichlich beschenkt.

Dies ist die Ueberlieferung, die man unbedingt kennen muß, um das
Uhland'sche Gedicht zu verstehen. Außerdem aber muß man wissen, daß
Bertram der Tochter König Heinrich's II., Mathilde, welche mit Herzog Heinrich
dem Löwen vermählt war und die Mutter Kaiser Otto's IV. wurde, gehuldigt
haben soll; wahrscheinlich sah er sie gegen Ende des Jahres 1183, als sie
mit ihrem geächteten und auf drei Jahre aus Deutschland verbannten Gemahl
bei ihrem Vater, der in der Normandie Hof hielt, verweilte. Während ihn
aber an den jungen Heinrich sicherlich aufrichtige Herzensfreundschaft fesselte,
ist es zweifelhaft, ob sein Verhältniß zu Mathilde wirklich mehr als eine
Regung der Eitelkeit gewesen ist.

Uhland hat den Stoff wieder mehrfach umgestaltet. In der geschichtlichen
Ueberlieferung ragt Bertram de Born nnr durch sein dichterisches Talent über
die übrigen adligen Raufbolde hervor. Uhland hat mit sicherem dichterischem
Blick sein Freundschaftsverhältniß zum Prinzen Heinrich und die damit zu¬
sammenhängende Anekdote zur poetischen Behandlung herausgegriffen. So ge¬
wann er den Vortheil, den Helden selbst in einem höchst bedeutsamen Momente
seines Lebens, seine hervorstechendste Charaktereigenschaft aber, den Muth, in


gegen Limoges, wo Heinrich's Mannen verzweifelten Widerstand leisteten.
Heinrich selbst befand sich außerhalb der Burg, um einen großen Schlag gegen
seinen Vater vorzubereiten, starb aber am 11. Juni 1183 an einem Fieber
in dein Schlosse Martel (bei Uhland Montfort). Als er sich dem Tode nahe
fühlte, schickte er einen Eilboten an seinen Vater, flehte ihn um Vergebung an
und drückte den Wunsch aus, ihn noch einmal vor seinem Ende zu sprechen.
Der König wäre auch gern erschienen, allein seine Freunde fürchteten eine
Schlinge und riethen ihm ab. Da zog er einen Ring von: Finger und über¬
sandte ihn dem Sterbenden als ein Zeichen seiner Liebe und Vergebung. Nach
Heinrich's Tode wurden seine Anhänger einzeln bezwungen. Auch Bertram de
Born mußte sein Schloß Antafvrt nach siebentägiger hartnäckiger Vertheidigung
übergebe» und gerieth selbst in Gefangenschaft. Er wurde in das Zelt des
Königs geführt, der ihn, den er als den Anstifter der Empörung seines Sohnes
erkannte, sehr übel aufnahm. „Bertram, Bertram," sagte er, „ihr habt euch
einmal gerühmt, daß ihr nicht die Hälfte eures Verstandes nöthig hättet; jetzt
aber scheint euch der ganze noth zu thun." „Herr," erwiederte Bertram, „es
ist wahr, daß ich dies gesagt habe, und ich habe damit die Wahrheit gesagt;
allein nun habe ich ihn nicht mehr." „Wie so?" fragte der König. „Herr,"
versetzte Bertram, „an dem Tage, wo euer Sohn, der treffliche junge König,
starb, verlor ich Verstand und Bewußtsein." Auf diese Antwort, wird erzählt,
habe der König dem Freunde seines Sohnes die Freiheit und seine Besitzungen
zurückgegeben und ihn noch obendrein reichlich beschenkt.

Dies ist die Ueberlieferung, die man unbedingt kennen muß, um das
Uhland'sche Gedicht zu verstehen. Außerdem aber muß man wissen, daß
Bertram der Tochter König Heinrich's II., Mathilde, welche mit Herzog Heinrich
dem Löwen vermählt war und die Mutter Kaiser Otto's IV. wurde, gehuldigt
haben soll; wahrscheinlich sah er sie gegen Ende des Jahres 1183, als sie
mit ihrem geächteten und auf drei Jahre aus Deutschland verbannten Gemahl
bei ihrem Vater, der in der Normandie Hof hielt, verweilte. Während ihn
aber an den jungen Heinrich sicherlich aufrichtige Herzensfreundschaft fesselte,
ist es zweifelhaft, ob sein Verhältniß zu Mathilde wirklich mehr als eine
Regung der Eitelkeit gewesen ist.

Uhland hat den Stoff wieder mehrfach umgestaltet. In der geschichtlichen
Ueberlieferung ragt Bertram de Born nnr durch sein dichterisches Talent über
die übrigen adligen Raufbolde hervor. Uhland hat mit sicherem dichterischem
Blick sein Freundschaftsverhältniß zum Prinzen Heinrich und die damit zu¬
sammenhängende Anekdote zur poetischen Behandlung herausgegriffen. So ge¬
wann er den Vortheil, den Helden selbst in einem höchst bedeutsamen Momente
seines Lebens, seine hervorstechendste Charaktereigenschaft aber, den Muth, in


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[0346] gegen Limoges, wo Heinrich's Mannen verzweifelten Widerstand leisteten. Heinrich selbst befand sich außerhalb der Burg, um einen großen Schlag gegen seinen Vater vorzubereiten, starb aber am 11. Juni 1183 an einem Fieber in dein Schlosse Martel (bei Uhland Montfort). Als er sich dem Tode nahe fühlte, schickte er einen Eilboten an seinen Vater, flehte ihn um Vergebung an und drückte den Wunsch aus, ihn noch einmal vor seinem Ende zu sprechen. Der König wäre auch gern erschienen, allein seine Freunde fürchteten eine Schlinge und riethen ihm ab. Da zog er einen Ring von: Finger und über¬ sandte ihn dem Sterbenden als ein Zeichen seiner Liebe und Vergebung. Nach Heinrich's Tode wurden seine Anhänger einzeln bezwungen. Auch Bertram de Born mußte sein Schloß Antafvrt nach siebentägiger hartnäckiger Vertheidigung übergebe» und gerieth selbst in Gefangenschaft. Er wurde in das Zelt des Königs geführt, der ihn, den er als den Anstifter der Empörung seines Sohnes erkannte, sehr übel aufnahm. „Bertram, Bertram," sagte er, „ihr habt euch einmal gerühmt, daß ihr nicht die Hälfte eures Verstandes nöthig hättet; jetzt aber scheint euch der ganze noth zu thun." „Herr," erwiederte Bertram, „es ist wahr, daß ich dies gesagt habe, und ich habe damit die Wahrheit gesagt; allein nun habe ich ihn nicht mehr." „Wie so?" fragte der König. „Herr," versetzte Bertram, „an dem Tage, wo euer Sohn, der treffliche junge König, starb, verlor ich Verstand und Bewußtsein." Auf diese Antwort, wird erzählt, habe der König dem Freunde seines Sohnes die Freiheit und seine Besitzungen zurückgegeben und ihn noch obendrein reichlich beschenkt. Dies ist die Ueberlieferung, die man unbedingt kennen muß, um das Uhland'sche Gedicht zu verstehen. Außerdem aber muß man wissen, daß Bertram der Tochter König Heinrich's II., Mathilde, welche mit Herzog Heinrich dem Löwen vermählt war und die Mutter Kaiser Otto's IV. wurde, gehuldigt haben soll; wahrscheinlich sah er sie gegen Ende des Jahres 1183, als sie mit ihrem geächteten und auf drei Jahre aus Deutschland verbannten Gemahl bei ihrem Vater, der in der Normandie Hof hielt, verweilte. Während ihn aber an den jungen Heinrich sicherlich aufrichtige Herzensfreundschaft fesselte, ist es zweifelhaft, ob sein Verhältniß zu Mathilde wirklich mehr als eine Regung der Eitelkeit gewesen ist. Uhland hat den Stoff wieder mehrfach umgestaltet. In der geschichtlichen Ueberlieferung ragt Bertram de Born nnr durch sein dichterisches Talent über die übrigen adligen Raufbolde hervor. Uhland hat mit sicherem dichterischem Blick sein Freundschaftsverhältniß zum Prinzen Heinrich und die damit zu¬ sammenhängende Anekdote zur poetischen Behandlung herausgegriffen. So ge¬ wann er den Vortheil, den Helden selbst in einem höchst bedeutsamen Momente seines Lebens, seine hervorstechendste Charaktereigenschaft aber, den Muth, in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/346>, abgerufen am 28.09.2024.