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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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sich herab ergossen. Drei Tage umschifften sie dasselbe, ehe sie einen Platz zum
Landen gewahrten, hier aber wartete ihrer ein freundlicher Hund, der sie einen
Fußsteig aufwärts geleitete. Sie gelangten dann in eine Stadt und an einen
Hof, wo sie Bad und Lager gastlich hergerichtet fanden und wo ein reinlich
gedeckter Tisch sie mit Weißbrot und Fischen erquickte. Nach dreitägigen Ver¬
weilen gingen sie wieder auf ihr Schiff und trafen da einen Jüngling, der
ihnen einen Korb voll Brot und eine Tonne Wasser gebracht hatte ^ und der
ihnen verhieß, sie würden bis zum Pfingsttage jeden Morgen die doppelte Labung
erhalten.

So ging die Schifffahrt weiter durch verschiedene Gegenden des Welt¬
meers, bis wieder eine Insel vor ihnen austauchte. Dieselbe war flach, ihre
Bäche waren voll Fische und ihre Wiesen voll großer weißer Schase. Da
gerade das Osterfest nahte, blieben sie hier, wo sich ein einsamer Bewohner
des Landes zu ihnen gesellte, der ihnen Erquickungen reichte, und von dem sie
erfuhren, daß niemand jene Schafe nette, kein Frost ihnen wehe thue und daß
sie immer auf der Weide blieben, weshalb sie auch so groß wie Rinder würden.
Zum Abschied sagte er ihnen, sie würden gegen Pfingsten das Paradies der
Singvögel erreichen.

Kaum waren sie wieder abgesegelt, so wartete ihrer ein seltsames Abenteuer.
Sie landeten an einer Insel, die einen grünen, wonnig schönen Wald trug,
und die am Ufer keinen schlammigen Rand hatte. Ehe sie das Gestade er¬
reicht hatten, stand das Schiff schon fest. Sanct Brandanus ließ es mit Tauen
an das Land binden. Er selbst blieb die Nacht über an Bord , weil er die
Gefahr kannte. Am Morgen trugen die Brüder, nachdem sie die Messe
celebrirt hatten, Fleisch und Fische aus dem Fahrzeuge an den Strand und
schürten unter ihrem Kochgeschirr ein Feuer an. Kaum begannen aber die
Kohlen zu glühen, so wurde der Boden unter ihnen lebendig wie eine flüssige
Welle. Der Heilige half den erschrocknen Brüdern flugs in das Schiff, die
Insel aber trieb hinaus in die See, und noch bis auf zwei Meilen Entfernung
sahen sie ihr Kochfeuer am Rande derselben glimmen. Der Abt aber erklärte
seinen Begleitern, Gott habe ihm in der Nacht das Geheimniß der Insel offen¬
bart: was sie für eine Insel gehalten, sei nur ein ungeheurer Fisch, der stets
mit dem Kopfe nach seinem Schwänze hasche, ihn aber nie erreiche, weil er so
lang sei. Der Name des Fisches sei Jaseonius.

Als sie nun wieder an der Schafinsel vorbeikamen, erblickten sie dicht
dabei, nur durch einen schmalen Wasserhals von ihr getrennt, ein anderes Ei¬
land reich an Wiesen und Büschen und üppig mit Blumen bedeckt. Ein Fluß,
der sich in die See ergoß, bot bequeme Einfahrt, und als sie ihr Fahrzeug
festgemacht, stiegen sie neben einer labenden Quelle ans Land. Ueber der Quelle


sich herab ergossen. Drei Tage umschifften sie dasselbe, ehe sie einen Platz zum
Landen gewahrten, hier aber wartete ihrer ein freundlicher Hund, der sie einen
Fußsteig aufwärts geleitete. Sie gelangten dann in eine Stadt und an einen
Hof, wo sie Bad und Lager gastlich hergerichtet fanden und wo ein reinlich
gedeckter Tisch sie mit Weißbrot und Fischen erquickte. Nach dreitägigen Ver¬
weilen gingen sie wieder auf ihr Schiff und trafen da einen Jüngling, der
ihnen einen Korb voll Brot und eine Tonne Wasser gebracht hatte ^ und der
ihnen verhieß, sie würden bis zum Pfingsttage jeden Morgen die doppelte Labung
erhalten.

So ging die Schifffahrt weiter durch verschiedene Gegenden des Welt¬
meers, bis wieder eine Insel vor ihnen austauchte. Dieselbe war flach, ihre
Bäche waren voll Fische und ihre Wiesen voll großer weißer Schase. Da
gerade das Osterfest nahte, blieben sie hier, wo sich ein einsamer Bewohner
des Landes zu ihnen gesellte, der ihnen Erquickungen reichte, und von dem sie
erfuhren, daß niemand jene Schafe nette, kein Frost ihnen wehe thue und daß
sie immer auf der Weide blieben, weshalb sie auch so groß wie Rinder würden.
Zum Abschied sagte er ihnen, sie würden gegen Pfingsten das Paradies der
Singvögel erreichen.

Kaum waren sie wieder abgesegelt, so wartete ihrer ein seltsames Abenteuer.
Sie landeten an einer Insel, die einen grünen, wonnig schönen Wald trug,
und die am Ufer keinen schlammigen Rand hatte. Ehe sie das Gestade er¬
reicht hatten, stand das Schiff schon fest. Sanct Brandanus ließ es mit Tauen
an das Land binden. Er selbst blieb die Nacht über an Bord , weil er die
Gefahr kannte. Am Morgen trugen die Brüder, nachdem sie die Messe
celebrirt hatten, Fleisch und Fische aus dem Fahrzeuge an den Strand und
schürten unter ihrem Kochgeschirr ein Feuer an. Kaum begannen aber die
Kohlen zu glühen, so wurde der Boden unter ihnen lebendig wie eine flüssige
Welle. Der Heilige half den erschrocknen Brüdern flugs in das Schiff, die
Insel aber trieb hinaus in die See, und noch bis auf zwei Meilen Entfernung
sahen sie ihr Kochfeuer am Rande derselben glimmen. Der Abt aber erklärte
seinen Begleitern, Gott habe ihm in der Nacht das Geheimniß der Insel offen¬
bart: was sie für eine Insel gehalten, sei nur ein ungeheurer Fisch, der stets
mit dem Kopfe nach seinem Schwänze hasche, ihn aber nie erreiche, weil er so
lang sei. Der Name des Fisches sei Jaseonius.

Als sie nun wieder an der Schafinsel vorbeikamen, erblickten sie dicht
dabei, nur durch einen schmalen Wasserhals von ihr getrennt, ein anderes Ei¬
land reich an Wiesen und Büschen und üppig mit Blumen bedeckt. Ein Fluß,
der sich in die See ergoß, bot bequeme Einfahrt, und als sie ihr Fahrzeug
festgemacht, stiegen sie neben einer labenden Quelle ans Land. Ueber der Quelle


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/280>, abgerufen am 30.09.2024.