Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sich eine ganze Bibliothek füllen. Die juristischen Geister platzten auf einander
und es regnete Kritiken und Antikritiken, Dupliken und Repliken.

Juristenfakultäten mußten ihre Gutachten abgeben, die Bundesversammlung
wurde wiederholentlich angerufen, ja die Sache schleppte sich noch vor das Forum
des Reichs-Justizministers, zur Zeit der weiland provisorischen Contralgewalt
unter dem Erzherzog-Reichsverweser. Alles nahm für oder wider Partei.
Ja es kam zu einem lustigen Fastnachtsscherze, indem eine Anzahl kampflustiger
junger Leute, namentlich aus Oldenburg, den Versuch machte, Kniphausen zu
überfallen und wegzunehmen. Wäre die alte Burgmiliee noch dagewesen, dann
hätte sie wahrscheinlich eine tapfere und herzhafte Vertheidigung veranstaltet.
Zum Glück floß jedoch kein Blut, und die ganze Expedition nahm verdienter¬
maßen ein lächerliches Ende, das einen Gelegenheitsdichter zu einem drama¬
tischen Schwank "Kniphausens Gefahr und Errettung" begeisterte.

Endlich konnte im Jahre 1855 ein Vergleich zwischen den streitenden
Parteien angebahnt worden, der zwei Jahre später perfekt wurde. Oldenburg
übernahm das ganze Bentinck'sche Fideicommiß und zahlte dafür an die
streitenden Agnaten gegen 2 Millionen Thaler.

Damit hatte die souveraine Herrlichkeit ein Ende, sie gehört jetzt zum
Großherzogthum Oldenburg. Als Schloßherr ans Kniphausen walten aber
wieder die Nachkommen des alten Geschlechts, welches bereits im 15. Jahr¬
hundert dort ansässig war, die Grafen von Kniphausen.

Der letzte regierende Graf, Gustav Adolph, der in stiller Zurückgezogenheit,
von seiner Umgebung geschätzt und geachtet, auf einem Gute im Hannöverschen
lebte, ist vor Kurzen zu seinen Vätern heimgegangen und mit ihm ein Mann
zu Grabe getragen worden auf dessen Lebensführungen der wunderliche Bau
des heiligen römischen Reichs seine letzten Schatten warf.

Die Nachkommen der braven Burgmiliee haben aber im letzten Kriege
bewiesen, was sie, wenn nicht Kanzleiverordnete die Schlachtpläne approbireu
und kein Schloßverwalter das Kommando führt, zu leisten vermögen. Sie
haben mit den oldenbnrgschen Truppen nicht nur gar manche tapfere und
herzhafte Vertheidigung veranstaltet, sondern waren auch immer dabei, wenn
es galt, durch einen frischen fröhlichen Angriff den Feind aus seinen Positionen




sich eine ganze Bibliothek füllen. Die juristischen Geister platzten auf einander
und es regnete Kritiken und Antikritiken, Dupliken und Repliken.

Juristenfakultäten mußten ihre Gutachten abgeben, die Bundesversammlung
wurde wiederholentlich angerufen, ja die Sache schleppte sich noch vor das Forum
des Reichs-Justizministers, zur Zeit der weiland provisorischen Contralgewalt
unter dem Erzherzog-Reichsverweser. Alles nahm für oder wider Partei.
Ja es kam zu einem lustigen Fastnachtsscherze, indem eine Anzahl kampflustiger
junger Leute, namentlich aus Oldenburg, den Versuch machte, Kniphausen zu
überfallen und wegzunehmen. Wäre die alte Burgmiliee noch dagewesen, dann
hätte sie wahrscheinlich eine tapfere und herzhafte Vertheidigung veranstaltet.
Zum Glück floß jedoch kein Blut, und die ganze Expedition nahm verdienter¬
maßen ein lächerliches Ende, das einen Gelegenheitsdichter zu einem drama¬
tischen Schwank „Kniphausens Gefahr und Errettung" begeisterte.

Endlich konnte im Jahre 1855 ein Vergleich zwischen den streitenden
Parteien angebahnt worden, der zwei Jahre später perfekt wurde. Oldenburg
übernahm das ganze Bentinck'sche Fideicommiß und zahlte dafür an die
streitenden Agnaten gegen 2 Millionen Thaler.

Damit hatte die souveraine Herrlichkeit ein Ende, sie gehört jetzt zum
Großherzogthum Oldenburg. Als Schloßherr ans Kniphausen walten aber
wieder die Nachkommen des alten Geschlechts, welches bereits im 15. Jahr¬
hundert dort ansässig war, die Grafen von Kniphausen.

Der letzte regierende Graf, Gustav Adolph, der in stiller Zurückgezogenheit,
von seiner Umgebung geschätzt und geachtet, auf einem Gute im Hannöverschen
lebte, ist vor Kurzen zu seinen Vätern heimgegangen und mit ihm ein Mann
zu Grabe getragen worden auf dessen Lebensführungen der wunderliche Bau
des heiligen römischen Reichs seine letzten Schatten warf.

Die Nachkommen der braven Burgmiliee haben aber im letzten Kriege
bewiesen, was sie, wenn nicht Kanzleiverordnete die Schlachtpläne approbireu
und kein Schloßverwalter das Kommando führt, zu leisten vermögen. Sie
haben mit den oldenbnrgschen Truppen nicht nur gar manche tapfere und
herzhafte Vertheidigung veranstaltet, sondern waren auch immer dabei, wenn
es galt, durch einen frischen fröhlichen Angriff den Feind aus seinen Positionen




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0278" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138509"/>
          <p xml:id="ID_885" prev="#ID_884"> sich eine ganze Bibliothek füllen. Die juristischen Geister platzten auf einander<lb/>
und es regnete Kritiken und Antikritiken, Dupliken und Repliken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_886"> Juristenfakultäten mußten ihre Gutachten abgeben, die Bundesversammlung<lb/>
wurde wiederholentlich angerufen, ja die Sache schleppte sich noch vor das Forum<lb/>
des Reichs-Justizministers, zur Zeit der weiland provisorischen Contralgewalt<lb/>
unter dem Erzherzog-Reichsverweser. Alles nahm für oder wider Partei.<lb/>
Ja es kam zu einem lustigen Fastnachtsscherze, indem eine Anzahl kampflustiger<lb/>
junger Leute, namentlich aus Oldenburg, den Versuch machte, Kniphausen zu<lb/>
überfallen und wegzunehmen. Wäre die alte Burgmiliee noch dagewesen, dann<lb/>
hätte sie wahrscheinlich eine tapfere und herzhafte Vertheidigung veranstaltet.<lb/>
Zum Glück floß jedoch kein Blut, und die ganze Expedition nahm verdienter¬<lb/>
maßen ein lächerliches Ende, das einen Gelegenheitsdichter zu einem drama¬<lb/>
tischen Schwank &#x201E;Kniphausens Gefahr und Errettung" begeisterte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_887"> Endlich konnte im Jahre 1855 ein Vergleich zwischen den streitenden<lb/>
Parteien angebahnt worden, der zwei Jahre später perfekt wurde. Oldenburg<lb/>
übernahm das ganze Bentinck'sche Fideicommiß und zahlte dafür an die<lb/>
streitenden Agnaten gegen 2 Millionen Thaler.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_888"> Damit hatte die souveraine Herrlichkeit ein Ende, sie gehört jetzt zum<lb/>
Großherzogthum Oldenburg. Als Schloßherr ans Kniphausen walten aber<lb/>
wieder die Nachkommen des alten Geschlechts, welches bereits im 15. Jahr¬<lb/>
hundert dort ansässig war, die Grafen von Kniphausen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_889"> Der letzte regierende Graf, Gustav Adolph, der in stiller Zurückgezogenheit,<lb/>
von seiner Umgebung geschätzt und geachtet, auf einem Gute im Hannöverschen<lb/>
lebte, ist vor Kurzen zu seinen Vätern heimgegangen und mit ihm ein Mann<lb/>
zu Grabe getragen worden auf dessen Lebensführungen der wunderliche Bau<lb/>
des heiligen römischen Reichs seine letzten Schatten warf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_890"> Die Nachkommen der braven Burgmiliee haben aber im letzten Kriege<lb/>
bewiesen, was sie, wenn nicht Kanzleiverordnete die Schlachtpläne approbireu<lb/>
und kein Schloßverwalter das Kommando führt, zu leisten vermögen. Sie<lb/>
haben mit den oldenbnrgschen Truppen nicht nur gar manche tapfere und<lb/>
herzhafte Vertheidigung veranstaltet, sondern waren auch immer dabei, wenn<lb/>
es galt, durch einen frischen fröhlichen Angriff den Feind aus seinen Positionen</p><lb/>
          <note type="byline"/><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0278] sich eine ganze Bibliothek füllen. Die juristischen Geister platzten auf einander und es regnete Kritiken und Antikritiken, Dupliken und Repliken. Juristenfakultäten mußten ihre Gutachten abgeben, die Bundesversammlung wurde wiederholentlich angerufen, ja die Sache schleppte sich noch vor das Forum des Reichs-Justizministers, zur Zeit der weiland provisorischen Contralgewalt unter dem Erzherzog-Reichsverweser. Alles nahm für oder wider Partei. Ja es kam zu einem lustigen Fastnachtsscherze, indem eine Anzahl kampflustiger junger Leute, namentlich aus Oldenburg, den Versuch machte, Kniphausen zu überfallen und wegzunehmen. Wäre die alte Burgmiliee noch dagewesen, dann hätte sie wahrscheinlich eine tapfere und herzhafte Vertheidigung veranstaltet. Zum Glück floß jedoch kein Blut, und die ganze Expedition nahm verdienter¬ maßen ein lächerliches Ende, das einen Gelegenheitsdichter zu einem drama¬ tischen Schwank „Kniphausens Gefahr und Errettung" begeisterte. Endlich konnte im Jahre 1855 ein Vergleich zwischen den streitenden Parteien angebahnt worden, der zwei Jahre später perfekt wurde. Oldenburg übernahm das ganze Bentinck'sche Fideicommiß und zahlte dafür an die streitenden Agnaten gegen 2 Millionen Thaler. Damit hatte die souveraine Herrlichkeit ein Ende, sie gehört jetzt zum Großherzogthum Oldenburg. Als Schloßherr ans Kniphausen walten aber wieder die Nachkommen des alten Geschlechts, welches bereits im 15. Jahr¬ hundert dort ansässig war, die Grafen von Kniphausen. Der letzte regierende Graf, Gustav Adolph, der in stiller Zurückgezogenheit, von seiner Umgebung geschätzt und geachtet, auf einem Gute im Hannöverschen lebte, ist vor Kurzen zu seinen Vätern heimgegangen und mit ihm ein Mann zu Grabe getragen worden auf dessen Lebensführungen der wunderliche Bau des heiligen römischen Reichs seine letzten Schatten warf. Die Nachkommen der braven Burgmiliee haben aber im letzten Kriege bewiesen, was sie, wenn nicht Kanzleiverordnete die Schlachtpläne approbireu und kein Schloßverwalter das Kommando führt, zu leisten vermögen. Sie haben mit den oldenbnrgschen Truppen nicht nur gar manche tapfere und herzhafte Vertheidigung veranstaltet, sondern waren auch immer dabei, wenn es galt, durch einen frischen fröhlichen Angriff den Feind aus seinen Positionen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/278
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/278>, abgerufen am 30.09.2024.