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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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er sei nur der Märtyrer für seine Sache und könne nicht mehr zurück. Die
empörten Schciaren stürzen zum Kampfe fort. Raphael bleibt in stummem
Schmerze zurück, und der Chor ruft in beweglicher Bitte auf die verleiteten
Leidenschaften Gottes Gnade herab.

Die Engelschlacht ist im Anfange des 5. Actes bereits geschlagen. Ra¬
phael, dem Kampfe selbst ferngeblieben, steht in der Nähe des Schlachtfeldes:
Der ganze Himmel vom


"Grund bis zu den Zinnen
Der Erzpaläste jauchzt bei Michaels Posaunen
Und wehrten Banner, Sieg! Gewonnen ist die Schlacht."

Uriel tritt zu ihm und berichtet deu Verlauf der Schlacht in eiuer Reihe
der großartigsten und kühnsten Bilder, die nach Gehalt und Form sich vielfach
mit Milton'schen decken. Wie im " Verlornen Paradies" an den beiden ersten
Kampftagen, steht auch hier Michael an der Spitze der Gottesschaaren; ihm
gegenüber Belzebnb und Velial auf den beiden Flügeln, Lucifer im Centrum.


"Im goldnen Panzer, der aus seinem Waffenrock
Wie glühnder Purpur glänzt und strahlt, steigt er zu Wagen,
Auf goldnen Rädern, mit Rubinen reich besetzt."

Die ganze Atmosphäre ist erfüllt von Blitz und Donner, die Empörer
müssen weichen, aber immer wieder sammelt sie Lucifer, unerschrocken und un¬
entwegt; von einer Anhöhe führt er die Seinen auf die Engel Gottes. Vorbei
schildert den Anprall, wie inspirirt von der hohen Schönheit einer Landschaft
Jac. Ruisdciels, der damals in Amsterdam zu malen begonnen:


"So kommen sie gestürzt und stürmen aus der Höhe

Gleich einem Binnensee, gleich einem Wasserfall,

Der von den Felsen braust und rauscht mit solchem Tosen,

Daß jedes Thier erschrickt im tiefgelegueu Thal,

Wo Steine, groß und schwer, und dicke Wasserstrahlen

Und Masten ohne Zahl zerschmettern und zermalmen,

Was gegen die Gewalt . . . nicht festznstehn vermag."


Es folgt in der Schilderung der niedergehenden Schlacht Bild auf Bild;
Lucifer und Michael begegnen sich. Da steht die Schlacht:


"Michael. . . . , in goldner Rüstung strahlend.
Erscheint, gleich einem Gott, aus einem Ring von Sonnen;
........allein der Erzfeind Gottes
Hartnäckig, unbewegt. . . erneut den Angriff; dreimal noch
Mit seiner Streitaxt sucht er den dcmautneu Schild,
Der Gottes Namen trägt, und diesen selbst zu spalten;
Die Streitaxt trifft, und auf dem Heilgen Diamant
Zerspringt sie. Michael erhebt die rechte Hand,
Es stärkt die Allmacht ihn: so schleudert er den Blitz
Durch Helm und Haupt hindurch dem Frevler in die Augen
Mit solcher Kraft, daß er gleich hinten überstürzt,

er sei nur der Märtyrer für seine Sache und könne nicht mehr zurück. Die
empörten Schciaren stürzen zum Kampfe fort. Raphael bleibt in stummem
Schmerze zurück, und der Chor ruft in beweglicher Bitte auf die verleiteten
Leidenschaften Gottes Gnade herab.

Die Engelschlacht ist im Anfange des 5. Actes bereits geschlagen. Ra¬
phael, dem Kampfe selbst ferngeblieben, steht in der Nähe des Schlachtfeldes:
Der ganze Himmel vom


„Grund bis zu den Zinnen
Der Erzpaläste jauchzt bei Michaels Posaunen
Und wehrten Banner, Sieg! Gewonnen ist die Schlacht."

Uriel tritt zu ihm und berichtet deu Verlauf der Schlacht in eiuer Reihe
der großartigsten und kühnsten Bilder, die nach Gehalt und Form sich vielfach
mit Milton'schen decken. Wie im „ Verlornen Paradies" an den beiden ersten
Kampftagen, steht auch hier Michael an der Spitze der Gottesschaaren; ihm
gegenüber Belzebnb und Velial auf den beiden Flügeln, Lucifer im Centrum.


„Im goldnen Panzer, der aus seinem Waffenrock
Wie glühnder Purpur glänzt und strahlt, steigt er zu Wagen,
Auf goldnen Rädern, mit Rubinen reich besetzt."

Die ganze Atmosphäre ist erfüllt von Blitz und Donner, die Empörer
müssen weichen, aber immer wieder sammelt sie Lucifer, unerschrocken und un¬
entwegt; von einer Anhöhe führt er die Seinen auf die Engel Gottes. Vorbei
schildert den Anprall, wie inspirirt von der hohen Schönheit einer Landschaft
Jac. Ruisdciels, der damals in Amsterdam zu malen begonnen:


„So kommen sie gestürzt und stürmen aus der Höhe

Gleich einem Binnensee, gleich einem Wasserfall,

Der von den Felsen braust und rauscht mit solchem Tosen,

Daß jedes Thier erschrickt im tiefgelegueu Thal,

Wo Steine, groß und schwer, und dicke Wasserstrahlen

Und Masten ohne Zahl zerschmettern und zermalmen,

Was gegen die Gewalt . . . nicht festznstehn vermag."


Es folgt in der Schilderung der niedergehenden Schlacht Bild auf Bild;
Lucifer und Michael begegnen sich. Da steht die Schlacht:


„Michael. . . . , in goldner Rüstung strahlend.
Erscheint, gleich einem Gott, aus einem Ring von Sonnen;
........allein der Erzfeind Gottes
Hartnäckig, unbewegt. . . erneut den Angriff; dreimal noch
Mit seiner Streitaxt sucht er den dcmautneu Schild,
Der Gottes Namen trägt, und diesen selbst zu spalten;
Die Streitaxt trifft, und auf dem Heilgen Diamant
Zerspringt sie. Michael erhebt die rechte Hand,
Es stärkt die Allmacht ihn: so schleudert er den Blitz
Durch Helm und Haupt hindurch dem Frevler in die Augen
Mit solcher Kraft, daß er gleich hinten überstürzt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/258>, abgerufen am 29.09.2024.