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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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holz, Gewürze u. d. hervor, die Einwohner aber wären Heiden und wie wilde
Bestien. "Alle Männer dieser Insel (Angaman) haben", so erzählt der be¬
rühmte Italiener, "einen Kopf wie Hunde und Zähne und Augen wie Hunde;
denn ich sage auch, sie gleichen alle den Köpfen von großen Fleischerhunden.
Gewürze besitzen sie in Fülle. Es sind sehr grausame Leute; denn sie fressen
Menschen, so viel sie deren habhaft werden können, wofern sie nicht ihres
Stammes sind. Ihre Nahrung ist Milch und Fleisch aller Art." Martin
Behaim setzt auf seinem Globus hinzu, sie äßen statt des Brotes Reis in
Milch gekocht. Auch hier ist selbstverständlich nicht an Affen zu denken.

Wieder andere Hundeköpfige hausten nach den mittelalterlichen Geographen
im Westen und im Innern Afrikas. Die Karte des Museum Borgia aus
dem Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts läßt sie im Süden jenes Welttheils
wohnen, wegen der Sonnenhitze nackt einhergehen und einen König Namens
Abichinibel haben. Dieselben kommen auch auf der Karte des Andria Bianco
(1436) und aus der berühmten Weltkarte des spanischen Piloten Juan de la
Cosa (1500) vor, auf welcher letzteren im Innern Afrikas neben dem Gebirge
Gilebel eine menschliche Figur mit einem Hundekopfe thront, neben der eine
Flagge mit dem Halbmonde des Islam den Glauben dieses Fürsten andeutet.
Diese Hundeköpfigen sind aller Wahrscheinlichkeit nach ein Reflex derjenigen
Menschen- oder Affenart, welche Herodot im äußersten Westen Lybiens neben
den Menschen ohne Kopf wohnen läßt. Sie werden schon im Periplus des
Hanno beschrieben, wo erzählt wird: "Endlich kamen wir an einen Meerbusen
der das Horn des Südens heißt (der Golf von Scherboro an der Küste von
Sierra Leone scheint gemeint). In diesem Meerbusen war eine Insel und
darin eine Lagune, in welcher wieder ein Eiland war, auf dem sich wilde
Menschen befanden. Die meisten waren Weiber mit dichtbehaarten Leibern,
welche unsere Dolmetscher Gorgonen nannten. Wir konnten die Männer nicht
einfangen, sie flüchteten sich in die Berge und vertheidigten sich hier mit
Steinen. Was die Weiber betrifft, so ergriffen wir deren drei, welche aber
die, welche sie fortführten, mit Beißen und Kratzen verwundeten und ihnen
nicht folgen wollten. Wir tödteten sie und zogen ihnen die Haut ab, welche
wir nach Karthago brachten."

Endlich kannte das Mittelalter auch im Norden hundeköpfige Menschen.
Es findet sich nämlich auf der Karte des Heinrich von Mainz unter der Be¬
zeichnung Cynoeephali ein Volk auf einer Halbinsel neben Daeia (Dänemark)
und Russia, in welcher der Vicomte de Santarem, der beste Gewährsmann in
der Kunde der alten Karten, Finnland erkennen will. Nun hat Heinrich Wuttke
auf den Briefwechsel der Theologen Rimbert und Rantram aufmerksam ge¬
macht, die im neunten Jahrhundert die Frage erörterten, ob die Hnndeköpfigen


holz, Gewürze u. d. hervor, die Einwohner aber wären Heiden und wie wilde
Bestien. „Alle Männer dieser Insel (Angaman) haben", so erzählt der be¬
rühmte Italiener, „einen Kopf wie Hunde und Zähne und Augen wie Hunde;
denn ich sage auch, sie gleichen alle den Köpfen von großen Fleischerhunden.
Gewürze besitzen sie in Fülle. Es sind sehr grausame Leute; denn sie fressen
Menschen, so viel sie deren habhaft werden können, wofern sie nicht ihres
Stammes sind. Ihre Nahrung ist Milch und Fleisch aller Art." Martin
Behaim setzt auf seinem Globus hinzu, sie äßen statt des Brotes Reis in
Milch gekocht. Auch hier ist selbstverständlich nicht an Affen zu denken.

Wieder andere Hundeköpfige hausten nach den mittelalterlichen Geographen
im Westen und im Innern Afrikas. Die Karte des Museum Borgia aus
dem Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts läßt sie im Süden jenes Welttheils
wohnen, wegen der Sonnenhitze nackt einhergehen und einen König Namens
Abichinibel haben. Dieselben kommen auch auf der Karte des Andria Bianco
(1436) und aus der berühmten Weltkarte des spanischen Piloten Juan de la
Cosa (1500) vor, auf welcher letzteren im Innern Afrikas neben dem Gebirge
Gilebel eine menschliche Figur mit einem Hundekopfe thront, neben der eine
Flagge mit dem Halbmonde des Islam den Glauben dieses Fürsten andeutet.
Diese Hundeköpfigen sind aller Wahrscheinlichkeit nach ein Reflex derjenigen
Menschen- oder Affenart, welche Herodot im äußersten Westen Lybiens neben
den Menschen ohne Kopf wohnen läßt. Sie werden schon im Periplus des
Hanno beschrieben, wo erzählt wird: „Endlich kamen wir an einen Meerbusen
der das Horn des Südens heißt (der Golf von Scherboro an der Küste von
Sierra Leone scheint gemeint). In diesem Meerbusen war eine Insel und
darin eine Lagune, in welcher wieder ein Eiland war, auf dem sich wilde
Menschen befanden. Die meisten waren Weiber mit dichtbehaarten Leibern,
welche unsere Dolmetscher Gorgonen nannten. Wir konnten die Männer nicht
einfangen, sie flüchteten sich in die Berge und vertheidigten sich hier mit
Steinen. Was die Weiber betrifft, so ergriffen wir deren drei, welche aber
die, welche sie fortführten, mit Beißen und Kratzen verwundeten und ihnen
nicht folgen wollten. Wir tödteten sie und zogen ihnen die Haut ab, welche
wir nach Karthago brachten."

Endlich kannte das Mittelalter auch im Norden hundeköpfige Menschen.
Es findet sich nämlich auf der Karte des Heinrich von Mainz unter der Be¬
zeichnung Cynoeephali ein Volk auf einer Halbinsel neben Daeia (Dänemark)
und Russia, in welcher der Vicomte de Santarem, der beste Gewährsmann in
der Kunde der alten Karten, Finnland erkennen will. Nun hat Heinrich Wuttke
auf den Briefwechsel der Theologen Rimbert und Rantram aufmerksam ge¬
macht, die im neunten Jahrhundert die Frage erörterten, ob die Hnndeköpfigen


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[0235] holz, Gewürze u. d. hervor, die Einwohner aber wären Heiden und wie wilde Bestien. „Alle Männer dieser Insel (Angaman) haben", so erzählt der be¬ rühmte Italiener, „einen Kopf wie Hunde und Zähne und Augen wie Hunde; denn ich sage auch, sie gleichen alle den Köpfen von großen Fleischerhunden. Gewürze besitzen sie in Fülle. Es sind sehr grausame Leute; denn sie fressen Menschen, so viel sie deren habhaft werden können, wofern sie nicht ihres Stammes sind. Ihre Nahrung ist Milch und Fleisch aller Art." Martin Behaim setzt auf seinem Globus hinzu, sie äßen statt des Brotes Reis in Milch gekocht. Auch hier ist selbstverständlich nicht an Affen zu denken. Wieder andere Hundeköpfige hausten nach den mittelalterlichen Geographen im Westen und im Innern Afrikas. Die Karte des Museum Borgia aus dem Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts läßt sie im Süden jenes Welttheils wohnen, wegen der Sonnenhitze nackt einhergehen und einen König Namens Abichinibel haben. Dieselben kommen auch auf der Karte des Andria Bianco (1436) und aus der berühmten Weltkarte des spanischen Piloten Juan de la Cosa (1500) vor, auf welcher letzteren im Innern Afrikas neben dem Gebirge Gilebel eine menschliche Figur mit einem Hundekopfe thront, neben der eine Flagge mit dem Halbmonde des Islam den Glauben dieses Fürsten andeutet. Diese Hundeköpfigen sind aller Wahrscheinlichkeit nach ein Reflex derjenigen Menschen- oder Affenart, welche Herodot im äußersten Westen Lybiens neben den Menschen ohne Kopf wohnen läßt. Sie werden schon im Periplus des Hanno beschrieben, wo erzählt wird: „Endlich kamen wir an einen Meerbusen der das Horn des Südens heißt (der Golf von Scherboro an der Küste von Sierra Leone scheint gemeint). In diesem Meerbusen war eine Insel und darin eine Lagune, in welcher wieder ein Eiland war, auf dem sich wilde Menschen befanden. Die meisten waren Weiber mit dichtbehaarten Leibern, welche unsere Dolmetscher Gorgonen nannten. Wir konnten die Männer nicht einfangen, sie flüchteten sich in die Berge und vertheidigten sich hier mit Steinen. Was die Weiber betrifft, so ergriffen wir deren drei, welche aber die, welche sie fortführten, mit Beißen und Kratzen verwundeten und ihnen nicht folgen wollten. Wir tödteten sie und zogen ihnen die Haut ab, welche wir nach Karthago brachten." Endlich kannte das Mittelalter auch im Norden hundeköpfige Menschen. Es findet sich nämlich auf der Karte des Heinrich von Mainz unter der Be¬ zeichnung Cynoeephali ein Volk auf einer Halbinsel neben Daeia (Dänemark) und Russia, in welcher der Vicomte de Santarem, der beste Gewährsmann in der Kunde der alten Karten, Finnland erkennen will. Nun hat Heinrich Wuttke auf den Briefwechsel der Theologen Rimbert und Rantram aufmerksam ge¬ macht, die im neunten Jahrhundert die Frage erörterten, ob die Hnndeköpfigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/235>, abgerufen am 21.10.2024.