Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

"Ich muß gestehen, er war alles andere, nur nicht der rechte Mann, um
mir einen guten Eindruck von dem Treiben in Afrika zu geben. Er war
öffentlich im Sklavenhandel interessirt, trotzdem daß er von der portugiesischen
Regierung als Distriktsrichter eingesetzt war, und ich sah Sklaven in Ketten
auf seinem Hofe. Nach dem, was ich über die Sklavenjagden gesehen und er¬
fahren habe, kann ich nur bedauern, daß Männer, welche so gänzlich alles
menschliche Gefühl abstreifen, als die ersten Europäer zu den ununterrichteten
Völkern im Innern kommen. Er erzählte mir als eine hübsche Geschichte, daß,
als er zu Kasongo gekommen, derselbe zu Ehren des weißen Besuchers seinen
Sklaven Hände und Ohren habe abschneiden lassen. Seine Absicht war, mit
hundert Flintenschlössern von Kasongo Sklaven einzutauschen." (S. 217--218.)

Derartige Mittheilungen können allerdings einige Aufregung bei den
Portugiesen in Europa hervorrufen: aber es sind nicht leere Behauptungen,
sondern Schilderungen von Thatsachen, die von mehreren Seiten zu überein¬
stimmend wiederholt werden, als daß sie angezweifelt werden könnten. Wenn
Portugal die Wahrheit der Aussagen Cameron's bestreitet, warum hörte es
nicht auf Livingstone, der dasselbe erzählte? Manche Völker sind, wie manche
Menschen, schwer aus ihrem Schlaf zu wecken, selbst wenn das Helleste Sonnen¬
licht zu ihnen hereinbringt. Werden sie gewaltsam gestört, so schauen sie mit
blöden Augen in den sonnenhellen Tag und schmälen mit dem, der sie zum
Lichte erweckte.

Es ist keine Frage, die Portugiesen sind allen Bestrebungen, den Sklaven¬
handel in Afrika zu unterdrücken, äußerst hinderlich. Sie sind weit davon,
die einzigen Menschenhändler zu sein , allein es sind die ruchlosesten und die
am schwierigsten zu überwindenden. Zu der Verringerung des Sklavenhandels
an der Ostküste haben die Portugiesen gar nichts gethan, er würde noch immer
in der alten Blüthe sein, wenn die englischen Kreuzer und das Vorgehen des
Sultans von Sansibar nicht das Ihrige gethan hätten. Seitdem der Osten
so scharf bewacht wird, scheint der Handel sich wieder nach der Westküste
hinüber zu ziehen. Ueberall aber wird er mit Hilfe portugiesischen Kapitals
getrieben, überall siud die Händler portugiesische Abenteurer, und die meisten
Sklaven werden in den portugiesischen Niederlassungen an den Küsten gekauft.

Möchte" die Erzählungen Cameron's den Portugiesen eine Lehre sein.
Ihre Proteste gegen unumstößliche Wahrheiten nützen nichts, ihre hochtrabenden
Worte, aus affektirter oder wirklicher Empfindlichkeit entspringend, haben keinen
Zweck und sind nur Sand für die Augen der civilisirten Völker. Nur
energisches Vorgehen gegen Verbrecher, die unter dem wallenden Banner
Portugals ihr menschenschändendes Gewerbe in fernen Zonen selten beobachtet


„Ich muß gestehen, er war alles andere, nur nicht der rechte Mann, um
mir einen guten Eindruck von dem Treiben in Afrika zu geben. Er war
öffentlich im Sklavenhandel interessirt, trotzdem daß er von der portugiesischen
Regierung als Distriktsrichter eingesetzt war, und ich sah Sklaven in Ketten
auf seinem Hofe. Nach dem, was ich über die Sklavenjagden gesehen und er¬
fahren habe, kann ich nur bedauern, daß Männer, welche so gänzlich alles
menschliche Gefühl abstreifen, als die ersten Europäer zu den ununterrichteten
Völkern im Innern kommen. Er erzählte mir als eine hübsche Geschichte, daß,
als er zu Kasongo gekommen, derselbe zu Ehren des weißen Besuchers seinen
Sklaven Hände und Ohren habe abschneiden lassen. Seine Absicht war, mit
hundert Flintenschlössern von Kasongo Sklaven einzutauschen." (S. 217—218.)

Derartige Mittheilungen können allerdings einige Aufregung bei den
Portugiesen in Europa hervorrufen: aber es sind nicht leere Behauptungen,
sondern Schilderungen von Thatsachen, die von mehreren Seiten zu überein¬
stimmend wiederholt werden, als daß sie angezweifelt werden könnten. Wenn
Portugal die Wahrheit der Aussagen Cameron's bestreitet, warum hörte es
nicht auf Livingstone, der dasselbe erzählte? Manche Völker sind, wie manche
Menschen, schwer aus ihrem Schlaf zu wecken, selbst wenn das Helleste Sonnen¬
licht zu ihnen hereinbringt. Werden sie gewaltsam gestört, so schauen sie mit
blöden Augen in den sonnenhellen Tag und schmälen mit dem, der sie zum
Lichte erweckte.

Es ist keine Frage, die Portugiesen sind allen Bestrebungen, den Sklaven¬
handel in Afrika zu unterdrücken, äußerst hinderlich. Sie sind weit davon,
die einzigen Menschenhändler zu sein , allein es sind die ruchlosesten und die
am schwierigsten zu überwindenden. Zu der Verringerung des Sklavenhandels
an der Ostküste haben die Portugiesen gar nichts gethan, er würde noch immer
in der alten Blüthe sein, wenn die englischen Kreuzer und das Vorgehen des
Sultans von Sansibar nicht das Ihrige gethan hätten. Seitdem der Osten
so scharf bewacht wird, scheint der Handel sich wieder nach der Westküste
hinüber zu ziehen. Ueberall aber wird er mit Hilfe portugiesischen Kapitals
getrieben, überall siud die Händler portugiesische Abenteurer, und die meisten
Sklaven werden in den portugiesischen Niederlassungen an den Küsten gekauft.

Möchte» die Erzählungen Cameron's den Portugiesen eine Lehre sein.
Ihre Proteste gegen unumstößliche Wahrheiten nützen nichts, ihre hochtrabenden
Worte, aus affektirter oder wirklicher Empfindlichkeit entspringend, haben keinen
Zweck und sind nur Sand für die Augen der civilisirten Völker. Nur
energisches Vorgehen gegen Verbrecher, die unter dem wallenden Banner
Portugals ihr menschenschändendes Gewerbe in fernen Zonen selten beobachtet


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0228" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138459"/>
          <p xml:id="ID_672"> &#x201E;Ich muß gestehen, er war alles andere, nur nicht der rechte Mann, um<lb/>
mir einen guten Eindruck von dem Treiben in Afrika zu geben. Er war<lb/>
öffentlich im Sklavenhandel interessirt, trotzdem daß er von der portugiesischen<lb/>
Regierung als Distriktsrichter eingesetzt war, und ich sah Sklaven in Ketten<lb/>
auf seinem Hofe. Nach dem, was ich über die Sklavenjagden gesehen und er¬<lb/>
fahren habe, kann ich nur bedauern, daß Männer, welche so gänzlich alles<lb/>
menschliche Gefühl abstreifen, als die ersten Europäer zu den ununterrichteten<lb/>
Völkern im Innern kommen. Er erzählte mir als eine hübsche Geschichte, daß,<lb/>
als er zu Kasongo gekommen, derselbe zu Ehren des weißen Besuchers seinen<lb/>
Sklaven Hände und Ohren habe abschneiden lassen. Seine Absicht war, mit<lb/>
hundert Flintenschlössern von Kasongo Sklaven einzutauschen." (S. 217&#x2014;218.)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_673"> Derartige Mittheilungen können allerdings einige Aufregung bei den<lb/>
Portugiesen in Europa hervorrufen: aber es sind nicht leere Behauptungen,<lb/>
sondern Schilderungen von Thatsachen, die von mehreren Seiten zu überein¬<lb/>
stimmend wiederholt werden, als daß sie angezweifelt werden könnten. Wenn<lb/>
Portugal die Wahrheit der Aussagen Cameron's bestreitet, warum hörte es<lb/>
nicht auf Livingstone, der dasselbe erzählte? Manche Völker sind, wie manche<lb/>
Menschen, schwer aus ihrem Schlaf zu wecken, selbst wenn das Helleste Sonnen¬<lb/>
licht zu ihnen hereinbringt. Werden sie gewaltsam gestört, so schauen sie mit<lb/>
blöden Augen in den sonnenhellen Tag und schmälen mit dem, der sie zum<lb/>
Lichte erweckte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_674"> Es ist keine Frage, die Portugiesen sind allen Bestrebungen, den Sklaven¬<lb/>
handel in Afrika zu unterdrücken, äußerst hinderlich. Sie sind weit davon,<lb/>
die einzigen Menschenhändler zu sein , allein es sind die ruchlosesten und die<lb/>
am schwierigsten zu überwindenden. Zu der Verringerung des Sklavenhandels<lb/>
an der Ostküste haben die Portugiesen gar nichts gethan, er würde noch immer<lb/>
in der alten Blüthe sein, wenn die englischen Kreuzer und das Vorgehen des<lb/>
Sultans von Sansibar nicht das Ihrige gethan hätten. Seitdem der Osten<lb/>
so scharf bewacht wird, scheint der Handel sich wieder nach der Westküste<lb/>
hinüber zu ziehen. Ueberall aber wird er mit Hilfe portugiesischen Kapitals<lb/>
getrieben, überall siud die Händler portugiesische Abenteurer, und die meisten<lb/>
Sklaven werden in den portugiesischen Niederlassungen an den Küsten gekauft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_675" next="#ID_676"> Möchte» die Erzählungen Cameron's den Portugiesen eine Lehre sein.<lb/>
Ihre Proteste gegen unumstößliche Wahrheiten nützen nichts, ihre hochtrabenden<lb/>
Worte, aus affektirter oder wirklicher Empfindlichkeit entspringend, haben keinen<lb/>
Zweck und sind nur Sand für die Augen der civilisirten Völker. Nur<lb/>
energisches Vorgehen gegen Verbrecher, die unter dem wallenden Banner<lb/>
Portugals ihr menschenschändendes Gewerbe in fernen Zonen selten beobachtet</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0228] „Ich muß gestehen, er war alles andere, nur nicht der rechte Mann, um mir einen guten Eindruck von dem Treiben in Afrika zu geben. Er war öffentlich im Sklavenhandel interessirt, trotzdem daß er von der portugiesischen Regierung als Distriktsrichter eingesetzt war, und ich sah Sklaven in Ketten auf seinem Hofe. Nach dem, was ich über die Sklavenjagden gesehen und er¬ fahren habe, kann ich nur bedauern, daß Männer, welche so gänzlich alles menschliche Gefühl abstreifen, als die ersten Europäer zu den ununterrichteten Völkern im Innern kommen. Er erzählte mir als eine hübsche Geschichte, daß, als er zu Kasongo gekommen, derselbe zu Ehren des weißen Besuchers seinen Sklaven Hände und Ohren habe abschneiden lassen. Seine Absicht war, mit hundert Flintenschlössern von Kasongo Sklaven einzutauschen." (S. 217—218.) Derartige Mittheilungen können allerdings einige Aufregung bei den Portugiesen in Europa hervorrufen: aber es sind nicht leere Behauptungen, sondern Schilderungen von Thatsachen, die von mehreren Seiten zu überein¬ stimmend wiederholt werden, als daß sie angezweifelt werden könnten. Wenn Portugal die Wahrheit der Aussagen Cameron's bestreitet, warum hörte es nicht auf Livingstone, der dasselbe erzählte? Manche Völker sind, wie manche Menschen, schwer aus ihrem Schlaf zu wecken, selbst wenn das Helleste Sonnen¬ licht zu ihnen hereinbringt. Werden sie gewaltsam gestört, so schauen sie mit blöden Augen in den sonnenhellen Tag und schmälen mit dem, der sie zum Lichte erweckte. Es ist keine Frage, die Portugiesen sind allen Bestrebungen, den Sklaven¬ handel in Afrika zu unterdrücken, äußerst hinderlich. Sie sind weit davon, die einzigen Menschenhändler zu sein , allein es sind die ruchlosesten und die am schwierigsten zu überwindenden. Zu der Verringerung des Sklavenhandels an der Ostküste haben die Portugiesen gar nichts gethan, er würde noch immer in der alten Blüthe sein, wenn die englischen Kreuzer und das Vorgehen des Sultans von Sansibar nicht das Ihrige gethan hätten. Seitdem der Osten so scharf bewacht wird, scheint der Handel sich wieder nach der Westküste hinüber zu ziehen. Ueberall aber wird er mit Hilfe portugiesischen Kapitals getrieben, überall siud die Händler portugiesische Abenteurer, und die meisten Sklaven werden in den portugiesischen Niederlassungen an den Küsten gekauft. Möchte» die Erzählungen Cameron's den Portugiesen eine Lehre sein. Ihre Proteste gegen unumstößliche Wahrheiten nützen nichts, ihre hochtrabenden Worte, aus affektirter oder wirklicher Empfindlichkeit entspringend, haben keinen Zweck und sind nur Sand für die Augen der civilisirten Völker. Nur energisches Vorgehen gegen Verbrecher, die unter dem wallenden Banner Portugals ihr menschenschändendes Gewerbe in fernen Zonen selten beobachtet

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/228
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/228>, abgerufen am 21.10.2024.