Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

haben, daß ein Mensch so furchtbar grausam und brutal handeln könne"
(S. 106--107).

"Als ich am nächsten Morgen packen wollte, sagte man mir, daß wir
noch nicht weiter zögen, denn über Nacht sei eine Anzahl Sklaven entflohen,
und ihre Besitzer verfolgten dieselben nun. Ich wurde natürlich verdrießlich
über den Aufenthalt, freute mich schließlich aber doch sehr, als keiner der Ent¬
flohenen wieder eingefangen war und die Nachforschungen aufgegeben wurden.
In der nächsten Nacht versuchte eine weitere Anzahl Sklaven zu entwischen,
allein ihre Herren, durch das Vorhergegangene mißtrauisch geworden, waren
wachsam und hinderten ihre Opfer an der Flucht. Stundenlang schallte nun
das Klagegeschrei der Armen, welche von ihren Quäkern grausam gepeinigt
wurden, durch die Nacht." (S. 135.)

"Coimbra langte am Nachmittage mit einem Zuge von zweiundfünfzig
Frauen an; sie waren in Abtheilungen von siebzehn oder achtzehn zusammen
gekettet. Einige trugen Kinder im Arm, andere waren hochschwanger, alle
trugen große Bündel Graszeng. Diese erbärmlichen Geschöpfe mit wunden
Füßen waren mit Striemen und Narben bedeckt, welche verriethen, wie grau¬
sam sie von denen, die sich ihre Herren nannten, behandelt worden waren.

Wer solche herzbrechende Scenen nicht selbst mit angesehen, kann sich
von dem Elend und der Lebeuszerstörung, die bei solchen Frauenjagden stets
stattfindet, keine Vorstellung machen. In der That, derartige Grausamkeiten,
wie sie im Herzen Afrikas verübt werden, verübt von Männern, die sich
Christen nennen und unter dem portugiesischen Banner marschieren, find denen,
die in einem civilisirten Lande leben, kaum glaublich. Um diese zweiundfünfzig
Frauen einzufangen, wurden mindestens zehn Dörfer, jedes mit ein bis zwei¬
hundert Einwohnern, zerstört. Einige der Ueberraschten mögen in die Nachbar¬
dörfer entkommen sein, die meisten jedoch verbrannten oder wurden, wenn sie
ihre Frauen retten und vertheidigen wollten, erschossen und erschlagen; viele
auch sterben bei solchen Gelegenheiten in der Wildniß Hungers, wenn sie
nicht vorher von einem Raubthiere zerrissen werden." (S. 136--138).

"Ich bemerkte das elende Aussehen der Sklavenkaravane. Müde und
halbtodt wankten die Unglücklichen einher, bedeckt mit Schwären von ihren
Lasten und mit Narben von den erhaltenen Peitschenhieben; tief schnitten die
Fesseln in ihr Fleisch. Eine Frau sah ich, die noch ihr vor Hunger gestorbenes
Kind in ihren Armen trug. Man kann sich denken, wie unglücklich ich mich
inmitten dieser Armen fühlen mußte, denen ich nicht im geringsten Grade
helfen konnte. Daß so Viele von ihnen entflohen waren, machte mich glücklich,
doch es war nur eine halbe Frende, denn wie manche mögen verhungert sein,
ehe sie in ihre Heimat gelangten!" (S. 163--164.)


haben, daß ein Mensch so furchtbar grausam und brutal handeln könne"
(S. 106—107).

„Als ich am nächsten Morgen packen wollte, sagte man mir, daß wir
noch nicht weiter zögen, denn über Nacht sei eine Anzahl Sklaven entflohen,
und ihre Besitzer verfolgten dieselben nun. Ich wurde natürlich verdrießlich
über den Aufenthalt, freute mich schließlich aber doch sehr, als keiner der Ent¬
flohenen wieder eingefangen war und die Nachforschungen aufgegeben wurden.
In der nächsten Nacht versuchte eine weitere Anzahl Sklaven zu entwischen,
allein ihre Herren, durch das Vorhergegangene mißtrauisch geworden, waren
wachsam und hinderten ihre Opfer an der Flucht. Stundenlang schallte nun
das Klagegeschrei der Armen, welche von ihren Quäkern grausam gepeinigt
wurden, durch die Nacht." (S. 135.)

„Coimbra langte am Nachmittage mit einem Zuge von zweiundfünfzig
Frauen an; sie waren in Abtheilungen von siebzehn oder achtzehn zusammen
gekettet. Einige trugen Kinder im Arm, andere waren hochschwanger, alle
trugen große Bündel Graszeng. Diese erbärmlichen Geschöpfe mit wunden
Füßen waren mit Striemen und Narben bedeckt, welche verriethen, wie grau¬
sam sie von denen, die sich ihre Herren nannten, behandelt worden waren.

Wer solche herzbrechende Scenen nicht selbst mit angesehen, kann sich
von dem Elend und der Lebeuszerstörung, die bei solchen Frauenjagden stets
stattfindet, keine Vorstellung machen. In der That, derartige Grausamkeiten,
wie sie im Herzen Afrikas verübt werden, verübt von Männern, die sich
Christen nennen und unter dem portugiesischen Banner marschieren, find denen,
die in einem civilisirten Lande leben, kaum glaublich. Um diese zweiundfünfzig
Frauen einzufangen, wurden mindestens zehn Dörfer, jedes mit ein bis zwei¬
hundert Einwohnern, zerstört. Einige der Ueberraschten mögen in die Nachbar¬
dörfer entkommen sein, die meisten jedoch verbrannten oder wurden, wenn sie
ihre Frauen retten und vertheidigen wollten, erschossen und erschlagen; viele
auch sterben bei solchen Gelegenheiten in der Wildniß Hungers, wenn sie
nicht vorher von einem Raubthiere zerrissen werden." (S. 136—138).

„Ich bemerkte das elende Aussehen der Sklavenkaravane. Müde und
halbtodt wankten die Unglücklichen einher, bedeckt mit Schwären von ihren
Lasten und mit Narben von den erhaltenen Peitschenhieben; tief schnitten die
Fesseln in ihr Fleisch. Eine Frau sah ich, die noch ihr vor Hunger gestorbenes
Kind in ihren Armen trug. Man kann sich denken, wie unglücklich ich mich
inmitten dieser Armen fühlen mußte, denen ich nicht im geringsten Grade
helfen konnte. Daß so Viele von ihnen entflohen waren, machte mich glücklich,
doch es war nur eine halbe Frende, denn wie manche mögen verhungert sein,
ehe sie in ihre Heimat gelangten!" (S. 163—164.)


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0227" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138458"/>
          <p xml:id="ID_667" prev="#ID_666"> haben, daß ein Mensch so furchtbar grausam und brutal handeln könne"<lb/>
(S. 106&#x2014;107).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_668"> &#x201E;Als ich am nächsten Morgen packen wollte, sagte man mir, daß wir<lb/>
noch nicht weiter zögen, denn über Nacht sei eine Anzahl Sklaven entflohen,<lb/>
und ihre Besitzer verfolgten dieselben nun. Ich wurde natürlich verdrießlich<lb/>
über den Aufenthalt, freute mich schließlich aber doch sehr, als keiner der Ent¬<lb/>
flohenen wieder eingefangen war und die Nachforschungen aufgegeben wurden.<lb/>
In der nächsten Nacht versuchte eine weitere Anzahl Sklaven zu entwischen,<lb/>
allein ihre Herren, durch das Vorhergegangene mißtrauisch geworden, waren<lb/>
wachsam und hinderten ihre Opfer an der Flucht. Stundenlang schallte nun<lb/>
das Klagegeschrei der Armen, welche von ihren Quäkern grausam gepeinigt<lb/>
wurden, durch die Nacht." (S. 135.)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_669"> &#x201E;Coimbra langte am Nachmittage mit einem Zuge von zweiundfünfzig<lb/>
Frauen an; sie waren in Abtheilungen von siebzehn oder achtzehn zusammen<lb/>
gekettet. Einige trugen Kinder im Arm, andere waren hochschwanger, alle<lb/>
trugen große Bündel Graszeng. Diese erbärmlichen Geschöpfe mit wunden<lb/>
Füßen waren mit Striemen und Narben bedeckt, welche verriethen, wie grau¬<lb/>
sam sie von denen, die sich ihre Herren nannten, behandelt worden waren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_670"> Wer solche herzbrechende Scenen nicht selbst mit angesehen, kann sich<lb/>
von dem Elend und der Lebeuszerstörung, die bei solchen Frauenjagden stets<lb/>
stattfindet, keine Vorstellung machen. In der That, derartige Grausamkeiten,<lb/>
wie sie im Herzen Afrikas verübt werden, verübt von Männern, die sich<lb/>
Christen nennen und unter dem portugiesischen Banner marschieren, find denen,<lb/>
die in einem civilisirten Lande leben, kaum glaublich. Um diese zweiundfünfzig<lb/>
Frauen einzufangen, wurden mindestens zehn Dörfer, jedes mit ein bis zwei¬<lb/>
hundert Einwohnern, zerstört. Einige der Ueberraschten mögen in die Nachbar¬<lb/>
dörfer entkommen sein, die meisten jedoch verbrannten oder wurden, wenn sie<lb/>
ihre Frauen retten und vertheidigen wollten, erschossen und erschlagen; viele<lb/>
auch sterben bei solchen Gelegenheiten in der Wildniß Hungers, wenn sie<lb/>
nicht vorher von einem Raubthiere zerrissen werden." (S. 136&#x2014;138).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_671"> &#x201E;Ich bemerkte das elende Aussehen der Sklavenkaravane. Müde und<lb/>
halbtodt wankten die Unglücklichen einher, bedeckt mit Schwären von ihren<lb/>
Lasten und mit Narben von den erhaltenen Peitschenhieben; tief schnitten die<lb/>
Fesseln in ihr Fleisch. Eine Frau sah ich, die noch ihr vor Hunger gestorbenes<lb/>
Kind in ihren Armen trug. Man kann sich denken, wie unglücklich ich mich<lb/>
inmitten dieser Armen fühlen mußte, denen ich nicht im geringsten Grade<lb/>
helfen konnte. Daß so Viele von ihnen entflohen waren, machte mich glücklich,<lb/>
doch es war nur eine halbe Frende, denn wie manche mögen verhungert sein,<lb/>
ehe sie in ihre Heimat gelangten!" (S. 163&#x2014;164.)</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0227] haben, daß ein Mensch so furchtbar grausam und brutal handeln könne" (S. 106—107). „Als ich am nächsten Morgen packen wollte, sagte man mir, daß wir noch nicht weiter zögen, denn über Nacht sei eine Anzahl Sklaven entflohen, und ihre Besitzer verfolgten dieselben nun. Ich wurde natürlich verdrießlich über den Aufenthalt, freute mich schließlich aber doch sehr, als keiner der Ent¬ flohenen wieder eingefangen war und die Nachforschungen aufgegeben wurden. In der nächsten Nacht versuchte eine weitere Anzahl Sklaven zu entwischen, allein ihre Herren, durch das Vorhergegangene mißtrauisch geworden, waren wachsam und hinderten ihre Opfer an der Flucht. Stundenlang schallte nun das Klagegeschrei der Armen, welche von ihren Quäkern grausam gepeinigt wurden, durch die Nacht." (S. 135.) „Coimbra langte am Nachmittage mit einem Zuge von zweiundfünfzig Frauen an; sie waren in Abtheilungen von siebzehn oder achtzehn zusammen gekettet. Einige trugen Kinder im Arm, andere waren hochschwanger, alle trugen große Bündel Graszeng. Diese erbärmlichen Geschöpfe mit wunden Füßen waren mit Striemen und Narben bedeckt, welche verriethen, wie grau¬ sam sie von denen, die sich ihre Herren nannten, behandelt worden waren. Wer solche herzbrechende Scenen nicht selbst mit angesehen, kann sich von dem Elend und der Lebeuszerstörung, die bei solchen Frauenjagden stets stattfindet, keine Vorstellung machen. In der That, derartige Grausamkeiten, wie sie im Herzen Afrikas verübt werden, verübt von Männern, die sich Christen nennen und unter dem portugiesischen Banner marschieren, find denen, die in einem civilisirten Lande leben, kaum glaublich. Um diese zweiundfünfzig Frauen einzufangen, wurden mindestens zehn Dörfer, jedes mit ein bis zwei¬ hundert Einwohnern, zerstört. Einige der Ueberraschten mögen in die Nachbar¬ dörfer entkommen sein, die meisten jedoch verbrannten oder wurden, wenn sie ihre Frauen retten und vertheidigen wollten, erschossen und erschlagen; viele auch sterben bei solchen Gelegenheiten in der Wildniß Hungers, wenn sie nicht vorher von einem Raubthiere zerrissen werden." (S. 136—138). „Ich bemerkte das elende Aussehen der Sklavenkaravane. Müde und halbtodt wankten die Unglücklichen einher, bedeckt mit Schwären von ihren Lasten und mit Narben von den erhaltenen Peitschenhieben; tief schnitten die Fesseln in ihr Fleisch. Eine Frau sah ich, die noch ihr vor Hunger gestorbenes Kind in ihren Armen trug. Man kann sich denken, wie unglücklich ich mich inmitten dieser Armen fühlen mußte, denen ich nicht im geringsten Grade helfen konnte. Daß so Viele von ihnen entflohen waren, machte mich glücklich, doch es war nur eine halbe Frende, denn wie manche mögen verhungert sein, ehe sie in ihre Heimat gelangten!" (S. 163—164.)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/227
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/227>, abgerufen am 21.10.2024.