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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Eventualitäten in Erwägung gezogen. Zunächst wird hervorgehoben, daß zwar
nach den öffentlichen Nachrichten der allgemeine Friede wieder hergestellt und
daher ein Ueberfall von fremden Truppen kaum zu besorgen sei, dagegen
biete die Nähe der Gräfin bei ihrem bekannten unruhigen Charakter doch
immerhin noch einige Sorgen. Ein Mal liege doch die Möglichkeit, wenn
auch keine Wahrscheinlichkeit vor, daß die Fran Gräfin ohne Mitwirkung
eines benachbarten Hofes aus eigener Initiative eine Truppe leichtsinniger
Leute zusammenraffe und die Burg angreife. In diesem Falle würde die
Burgmiliee allein, wenn sie auf 2 Unteroffiziere, 1 Tambour und 18 bis
20 Mann gebracht, mit Pulver und Blei gehörig versehen und die Burg-
Artillerie gebraucht würde, jeden Angriff zurückschlagen. Anders würde sich
hingegen die Sache gestalten, wenn die Frau Gräfin bei einem benachbarten
Hofe, als dem königlich preußischen oder Anhalt-Zerbstschen, ein Kommando
zur Possessionsnehmung aufzubringen suche. In diesem Falle würden 2 bis
6 Mann dänischer Truppen vortheilhafter sein als die ganze Burgmiliee,
indem kein Hof, der mit dem königlich dänischen Hofe in gutem Ver¬
nehmen stehe und nicht geradezu mit demselben brechen wolle, seine Truppe
zum Angriff einer Festung hergeben wurde, in der ein dänisches Kommando
stehe, es sei auch so geringe als es wolle. Dagegen würde es der Frau
Gräfin jedenfalls leichter werden, einen Hof durch allerlei Vorstellungen zur
Intervention zu vermögen, wenn keine Truppe einer auswärtigen Macht in
der Festung stände. Der Frau Gräfin, die jedenfalls eine höchst resolute
Dame gewesen sein muß, schien man, wie man zu sagen Pflegt, nicht über den
Weg zu trauen. Man hielt sie sogar für fähig, daß sie, wie Nero Rom zu
seinem Vergnügen brennen ließ, zu gleichem Zwecke und um den Beamten
voie den Unterthanen Böses zuzufügen, die Burg in Brand stecken lassen
könne, wozu bereits im Jahre 1757 gegründete Besorgniß vorhanden gewesen.
Auch fürchtete man, daß, wenn die Gräfin durch Ueberfall in Besitz der Burg
kommen sollte, sich Preußen auf ihre Seite schlagen würde. Aus allen diesen
Gründen wurde die benachbarte Jeversche Garnison, im Ganzen mei. Offizieren
125 Köpfe, nicht ohne Mißtrauen im Auge behalten.

Schließlich scheinen denn doch die finanziellen Rücksichten, (wie wir vorher
gesehen lastete die dünische Besatzung mit jährlich circa 1500 Thaler auf dem
gräflichen Budget), über die politischen Bedenken den Sieg davon getragen
zu haben, denn im Juli 1763 verließ zunächst ein Theil des dänischen
Kommandos, d. h. 1 Offizier und 9 Mann, die Burg, und 1 Unteroffizier und
3 Manu sollten vorläufig noch so lange zurückbleiben, bis die Bnrgmiliee voll¬
zählig gemacht und ein verabschiedeter holländischer Offizier, der das Kommando
über die Festung und über die Besatzung gegen ein jährliches Entgelt von


Eventualitäten in Erwägung gezogen. Zunächst wird hervorgehoben, daß zwar
nach den öffentlichen Nachrichten der allgemeine Friede wieder hergestellt und
daher ein Ueberfall von fremden Truppen kaum zu besorgen sei, dagegen
biete die Nähe der Gräfin bei ihrem bekannten unruhigen Charakter doch
immerhin noch einige Sorgen. Ein Mal liege doch die Möglichkeit, wenn
auch keine Wahrscheinlichkeit vor, daß die Fran Gräfin ohne Mitwirkung
eines benachbarten Hofes aus eigener Initiative eine Truppe leichtsinniger
Leute zusammenraffe und die Burg angreife. In diesem Falle würde die
Burgmiliee allein, wenn sie auf 2 Unteroffiziere, 1 Tambour und 18 bis
20 Mann gebracht, mit Pulver und Blei gehörig versehen und die Burg-
Artillerie gebraucht würde, jeden Angriff zurückschlagen. Anders würde sich
hingegen die Sache gestalten, wenn die Frau Gräfin bei einem benachbarten
Hofe, als dem königlich preußischen oder Anhalt-Zerbstschen, ein Kommando
zur Possessionsnehmung aufzubringen suche. In diesem Falle würden 2 bis
6 Mann dänischer Truppen vortheilhafter sein als die ganze Burgmiliee,
indem kein Hof, der mit dem königlich dänischen Hofe in gutem Ver¬
nehmen stehe und nicht geradezu mit demselben brechen wolle, seine Truppe
zum Angriff einer Festung hergeben wurde, in der ein dänisches Kommando
stehe, es sei auch so geringe als es wolle. Dagegen würde es der Frau
Gräfin jedenfalls leichter werden, einen Hof durch allerlei Vorstellungen zur
Intervention zu vermögen, wenn keine Truppe einer auswärtigen Macht in
der Festung stände. Der Frau Gräfin, die jedenfalls eine höchst resolute
Dame gewesen sein muß, schien man, wie man zu sagen Pflegt, nicht über den
Weg zu trauen. Man hielt sie sogar für fähig, daß sie, wie Nero Rom zu
seinem Vergnügen brennen ließ, zu gleichem Zwecke und um den Beamten
voie den Unterthanen Böses zuzufügen, die Burg in Brand stecken lassen
könne, wozu bereits im Jahre 1757 gegründete Besorgniß vorhanden gewesen.
Auch fürchtete man, daß, wenn die Gräfin durch Ueberfall in Besitz der Burg
kommen sollte, sich Preußen auf ihre Seite schlagen würde. Aus allen diesen
Gründen wurde die benachbarte Jeversche Garnison, im Ganzen mei. Offizieren
125 Köpfe, nicht ohne Mißtrauen im Auge behalten.

Schließlich scheinen denn doch die finanziellen Rücksichten, (wie wir vorher
gesehen lastete die dünische Besatzung mit jährlich circa 1500 Thaler auf dem
gräflichen Budget), über die politischen Bedenken den Sieg davon getragen
zu haben, denn im Juli 1763 verließ zunächst ein Theil des dänischen
Kommandos, d. h. 1 Offizier und 9 Mann, die Burg, und 1 Unteroffizier und
3 Manu sollten vorläufig noch so lange zurückbleiben, bis die Bnrgmiliee voll¬
zählig gemacht und ein verabschiedeter holländischer Offizier, der das Kommando
über die Festung und über die Besatzung gegen ein jährliches Entgelt von


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[0214] Eventualitäten in Erwägung gezogen. Zunächst wird hervorgehoben, daß zwar nach den öffentlichen Nachrichten der allgemeine Friede wieder hergestellt und daher ein Ueberfall von fremden Truppen kaum zu besorgen sei, dagegen biete die Nähe der Gräfin bei ihrem bekannten unruhigen Charakter doch immerhin noch einige Sorgen. Ein Mal liege doch die Möglichkeit, wenn auch keine Wahrscheinlichkeit vor, daß die Fran Gräfin ohne Mitwirkung eines benachbarten Hofes aus eigener Initiative eine Truppe leichtsinniger Leute zusammenraffe und die Burg angreife. In diesem Falle würde die Burgmiliee allein, wenn sie auf 2 Unteroffiziere, 1 Tambour und 18 bis 20 Mann gebracht, mit Pulver und Blei gehörig versehen und die Burg- Artillerie gebraucht würde, jeden Angriff zurückschlagen. Anders würde sich hingegen die Sache gestalten, wenn die Frau Gräfin bei einem benachbarten Hofe, als dem königlich preußischen oder Anhalt-Zerbstschen, ein Kommando zur Possessionsnehmung aufzubringen suche. In diesem Falle würden 2 bis 6 Mann dänischer Truppen vortheilhafter sein als die ganze Burgmiliee, indem kein Hof, der mit dem königlich dänischen Hofe in gutem Ver¬ nehmen stehe und nicht geradezu mit demselben brechen wolle, seine Truppe zum Angriff einer Festung hergeben wurde, in der ein dänisches Kommando stehe, es sei auch so geringe als es wolle. Dagegen würde es der Frau Gräfin jedenfalls leichter werden, einen Hof durch allerlei Vorstellungen zur Intervention zu vermögen, wenn keine Truppe einer auswärtigen Macht in der Festung stände. Der Frau Gräfin, die jedenfalls eine höchst resolute Dame gewesen sein muß, schien man, wie man zu sagen Pflegt, nicht über den Weg zu trauen. Man hielt sie sogar für fähig, daß sie, wie Nero Rom zu seinem Vergnügen brennen ließ, zu gleichem Zwecke und um den Beamten voie den Unterthanen Böses zuzufügen, die Burg in Brand stecken lassen könne, wozu bereits im Jahre 1757 gegründete Besorgniß vorhanden gewesen. Auch fürchtete man, daß, wenn die Gräfin durch Ueberfall in Besitz der Burg kommen sollte, sich Preußen auf ihre Seite schlagen würde. Aus allen diesen Gründen wurde die benachbarte Jeversche Garnison, im Ganzen mei. Offizieren 125 Köpfe, nicht ohne Mißtrauen im Auge behalten. Schließlich scheinen denn doch die finanziellen Rücksichten, (wie wir vorher gesehen lastete die dünische Besatzung mit jährlich circa 1500 Thaler auf dem gräflichen Budget), über die politischen Bedenken den Sieg davon getragen zu haben, denn im Juli 1763 verließ zunächst ein Theil des dänischen Kommandos, d. h. 1 Offizier und 9 Mann, die Burg, und 1 Unteroffizier und 3 Manu sollten vorläufig noch so lange zurückbleiben, bis die Bnrgmiliee voll¬ zählig gemacht und ein verabschiedeter holländischer Offizier, der das Kommando über die Festung und über die Besatzung gegen ein jährliches Entgelt von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/214>, abgerufen am 21.10.2024.